Angela Merkel

Die Toröffnerin

| 03. September 2024
@midjourney

Zur Langzeitwirkung der Grenzöffnung durch die ehemalige Kanzlerin.

Es war wieder überraschend. Der 70. Geburtstag von Angela Merkel wäre eine Gelegenheit gewesen, um aus gegebenem Anlass kritisch auf ihr mangelndes Gefühl zur Bedeutung einer Grenze zurückzublicken. Wer erinnert sich nicht, wie die Kanzlerin in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Tore öffnete für einen Trupp Syrier, der auf die österreichische Grenze zumarschierte − und laut EU-Regeln zunächst dort hätte aufgenommen werden müssen. Aber der österreichische Kanzler jammerte − und Merkel öffnete die Tore.

Es ist eine Debatte bis heute, bei der wir "den Stöpsel nicht mehr auf die Flasche kriegen", wie es Horst Seehofer wütend nannte, nachdem er übergangen worden war. Er hätte das anders gemacht, erst mal alle registriert statt unkontrollierte "Willkommenskultur". Er hätte "die Grenze" verteidigt, sie nicht einfach geöffnet.

Die Grenze

Die Grenze und mehr noch "die Mauer", dieser Ring um die Stadt, waren Jahrtausende lang zentrales Symbol staatlicher Ordnung. Sie waren Garant für Sicherheit und sorgten für Gemeinschaftssinn und Geborgenheit. Es sind traditionelle Sehnsüchte der Menschheit und Basis unserer Zivilisation. Aber irgendwie kam im Zuge der Sozialromantik der heutigen Demokratie Überheblichkeit auf und der Begriff der Grenze ins Wanken.

Merkel sah ein offenes Land wohl als ein Gebot der Humanität, als Gegenpol zu der brutal strikten Grenze der DDR. Und sie öffnete, undifferenziert und ohne Ansehens der Person und Motivation. "Wir schaffen das" sagte sie dann, als es erste Probleme gab, so, als ob dieser kontinuierliche Zustrom ein erstrebenswertes Ziel wäre. Das war der große Irrtum. Denn bald wurde klar, dass auch die Aufnahmebereitschaft einer Gemeinschaft Grenzen hat.

Aber die von der Mehrheit der Bürger dann geforderte Begrenzung wurde und wird von der Politik und auch von vielen Medien zurückgedrängt als nicht "human". Viele der Politiker verteidigen unverändert, was viele der Bürger längst als einen Irrweg erkannt haben.

"Ohne Grenze" ist nicht human

Denn eine totale Öffnung unserer Grenzen ist nicht die Lösung. Nur eine Milliarde der Menschheit lebt in unseren Demokratien, viele davon in Wohlstand und sozial gesichert. Eine weitere Milliarde lebt in autokratischen Staaten wie China und auch in Schwellenländern wie Indien. Deutlich mehr als die Hälfte aber lebt in Strukturen, die weder soziale Sicherheit noch Wohlstand erzeugen können und aus denen deshalb viele ausbrechen wollen und auswandern in dieses schöne Paradies des westlichen Wohlfahrtstaats. Aber es sind einzelne Glücksritter, oft jung, leistungsfähig. Es sind die Tüchtigsten, die hier aus ihren Staaten herausgerissen werden, die es eigentlich zu entwickeln gilt. Deshalb ist Migration keine Lösung, sondern eine Schädigung der Selbstheilungskräfte und des Wachstums der sich entwickelnden Nationen. Aber eingeflossen in politisches Handeln ist dies noch nicht. Vielmehr steht die Bekämpfung migrationsfeindlicher Parteien im Vordergrund.

Die heutige Ablehnung der etablierten Parteien durch den Wähler ist die Antwort. Er akzeptiert nicht mehr und flüchtet an die Ränder des Parteienspektrums. Die letzte Europawahl war da besonders deutlich, ebenso die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Trotz vieler sozialstaatlicher Geschenke wie dem Bürgergeld wählten die Bürger verstärkt "rechts".

Auch die europäische Einigung ist betroffen

Die Grenzöffnung beendete auch den europäischen Entwicklungsprozess. Denn manche der osteuropäischen Staatsführer haben die Ablehnung der Grenzöffnung von Anfang an zum Thema gemacht. Längst ist das nicht nur eine deutsche, sondern eine europäische Zerreißprobe. Dieser Verstoß gegen das genetisch inhärente Schutzbedürfnis der Menschen war eben nicht durch gleichgeschaltete Medien und Apelle zu verdrängen. Er ist nur lösbar, wenn er als Fehler erkannt und die Grenzen wieder Grenzen werden.

Ein Staat definiert sich durch funktionierende Grenzen. Das ist die fundamentale Erwartung, die die Menschen an ihren Staat haben, um ihn zu akzeptieren oder eben nicht. Eigenartig nur, dass die Ex-Kanzlerin dieses althergebrachte Selbstverständlichkeit staatlicher Ordnung nicht beherzigte. Scheinbar verdünnte die kompromisslose Härte der DDR-Grenze das Gefühl für deren Bedeutung und Funktion. Zu dieser Jugenderfahrung passt auch die absolutistische Art, über die Grenzöffnung zu entscheiden. Vielleicht ist es gerade das, was die ostdeutschen Wähler so besonders irritiert.