Eunice Foote

Die vergessene Entdeckerin des Treibhausgases

| 12. Oktober 2023
@midjourney

Ihre Entdeckung war bahnbrechend: 1856 identifizierte die Forscherin Eunice Foote als erstes die Eigenschaften, die CO2 zu einem ergiebigen Treibhausgas machen.

In der Klimaforschung gibt es noch eine Menge ungelöster Fragen. Und groß sind die Differenzen auch, wenn es um die richtige Dekarbonisierungspolitik und die Bekämpfung der Folgen der Erderwärmung geht.

Ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen der Erderwärmung und der Erhöhung der CO2-Menge in der Erdatmosphäre durch die Nutzung fossiler Energieträger wird jedoch seit über 40 Jahren von Fachleuten intensiv diskutiert und als erwiesen anerkannt.

Ins öffentliche Bewusstsein drang die Frage etwas später, zum Beispiel mit Bill McKibbens 1989 erschienenem Buch The End of Nature, in dem er zu einer "bescheideneren" Lebensweise aufrief, die es uns ermöglichen würde, in einer vollen Welt besser, wenn nicht gar "reicher" zu leben. Im Jahre 1985 erläuterte der Astronom Carl Sagan, der seine Schlussfolgerungen unter anderem auf seine im Jahr 1959 veröffentlichten Forschungsergebnisse zum Klima auf der Venus aufbaute, vor dem US-Kongress die Grundlagen der Wissenschaft vom menschengemachten Klimawandel:

„Wir setzen in wenigen hundert Jahren Kohlenstoff frei, der über mehrere hundert Millionen Jahre hinweg gebunden wurde. Die Auswirkungen dürften daher gravierend sein."

Als mögliche Folgen benannte er die globale Erwärmung, die Versauerung der Ozeane und die Störung des Wasserkreislaufs, die zu Unwettern als Symptom eines aus dem Gleichgewicht geratenen Klimas führt. Als Lösung schlug er eine langfristige weltweite Dekarbonisierungsstrategie vor.

Auch wenn der Konzern Exxon/Mobil (wie sein Vorgänger Exxon, der ursprünglich Standard Oil of New Jersey hieß) später eine PR-Strategie verfolgte, mit der Zweifel am anthropogenen Klimawandel gestreut wurde, hatten die äußerst kompetenten und gut ausgebildeten Wissenschaftler und Ingenieure des Konzerns schon seit den 1970er Jahren gute Forschungsarbeiten dazu durchgeführt, die intern und extern veröffentlicht wurden.

Bei Exxon wussten alle, dass Treibhausgasemissionen die natürliche und unvermeidliche Folge der Verbrennung ihres Hauptprodukts sind. Schon 1832 schrieb Charles Babbage, der Erfinder der ersten digitalen Rechenmaschine in seinem Buch On the Economy of Machinery and Manufactures:

"Die chemischen Veränderungen, die auf diese Weise stattfinden, erhöhen die Atmosphäre ständig um große Mengen an Kohlensäure [d. h. Kohlendioxid] und anderen Gasen, die für das tierische Leben schädlich sind. Die Mittel, mit denen die Natur diese Elemente zersetzt oder in eine feste Form umwandelt, sind nicht ausreichend bekannt." [zitiert in Fossil Capitalism von Andreas Malm]

Svante Arrhenius, ein Begründer der Physikalischen Chemie, der 1903 den dritten Nobelpreis für Chemie erhielt, veröffentlichte 1896 die Schrift On the influence of Carbonic Acid in the Air Upon the Temperature of the Ground. Allerdings waren seine zeitlichen Vorhersagen falsch, weil er das Ausmaß der Verbrennung fossiler Brennstoffe unterschätzt hatte. Arrhenius zitierte John Tyndall (1820-1893), der wohl am besten für seine 1861 veröffentlichte Arbeit On the Absorption and Radiation of Heat by Gases and Vapours, and on the Physical Connexion of Radiation, Absorption, and Conduction bekannt war. Tyndalls Erkenntnisse bildeten die physikalische Grundlage, auf der Arrhenius aufbaute.

Und hier kommen wir zu einer interessanten historischen Fußnote. Sie betrifft die Rolle der weiblichen Naturwissenschaftlerinnen. Der oben genannte Charles Babbage entwickelte seine Rechenmaschine zum Beispiel gemeinsam mit der Mathematikerin Ada Lovelace, die mit ihren Arbeiten stärker zur weiteren Entwicklung der Computer-Wissenschaften beitrug als Babbage.

Anders war es bei der Erforschung der Treibhausgase. John Tyndall galt lange als der Entdecker der physikalischen Zusammenhänge zwischen Erwärmung der Atmosphäre und Treibhausgasen. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass er von der Amerikanerin Eunice Foot überholt worden war, die schon 1856 die Ergebnisse ihrer Experimente vorstellte, in denen sie die Erwärmung von Kohlendioxid durch Sonnenlicht nachwies.

Eunice Newton Foote wurde 1819 in den Vereinigten Staaten geboren. Ihre Eltern waren Thirza Newton und Isaac Newton, ein Landwirt, Unternehmer und entfernter Verwandter seines berühmten Namensvetters. Mit 15 Jahren besuchte Eunice ein Jahr lang das Troy Female Seminary, eine vorbereitende Tages- und Internatsschule für Frauen in New York. Dort wurde sie von Amos Eaton unterrichtet, einem Botaniker, Geologen und radikalen Pädagogen, der damals hochmoderne Techniken wie Learning by Doing propagierte.

Im Rahmen ihrer Ausbildung durften die Schülerinnen des Troy Female Seminary Kurse und Vorlesungen an nahe gelegenen Colleges besuchen. An einer dieser benachbarten Einrichtungen wurde Eunice Foote erstmals mit den Fächern Chemie und Biologie vertraut gemacht und lernte die einflussreiche Arbeit von Almira Hart Lincoln Phelps kennen, die als dritte Frau in die American Association for the Advancement of Science gewählt wurde.

Das wissenschaftliche Interesse, das das Seminar bei Foote geweckt hatte, blieb ihr über viele Jahre erhalten. Da ihr jedoch aufgrund ihres Geschlechts der Zugang zu wissenschaftlichen Einrichtungen verwehrt blieb, war sie gezwungen, ihrer Leidenschaft als Amateurin nachzugehen ‒ als "Naturphilosophin", wie es damals hieß.

Footes ‒ wenn auch nicht gewürdigtes ‒ Vermächtnis als Pionierin des Klimawandels wurde durch ihr berühmtestes Experiment gefestigt: Sie untersuchte, wie atmosphärische Gase mit dem Sonnenlicht interagieren. Es funktionierte folgendermaßen: Mit Hilfe einer Luftpumpe füllte sie zwei 20-Zoll-Glasröhren ‒ jede mit zwei Thermometern ‒ mit Sauerstoff, feuchter oder trockener Luft oder Kohlendioxid. Das eine Röhrchen enthielt ein Gas, während das andere entweder dasselbe Gas als Kontrolle enthielt oder ein anderes, das eine andere Menge an Feuchtigkeit oder eine andere Dichte aufwies. Sobald der Inhalt beider Röhrchen die gleiche Temperatur erreicht hatte, stellte Foote beide Röhrchen ins direkte Sonnenlicht oder eines in den Schatten. Schließlich zeichnete sie die Temperaturwerte der Thermometer im Laufe der Zeit auf.

Footes Ergebnisse waren bahnbrechend. Sie stellte fest, dass feuchte Luft mehr Wärme speichern kann als trockene Luft, und dass Kohlendioxid mehr Sonnenwärme einfängt als jedes andere von ihr getestete Gas. In einer Zusammenfassung ihrer Arbeit schrieb Foote:

"Der Behälter, der dieses Gas enthielt, erhitzte sich selbst sehr stark ‒ deutlich stärker als der andere ‒ und als er [von der Sonne] entfernt wurde, dauerte die Abkühlung um ein Vielfaches länger."

Im Wesentlichen hatte Foote die Eigenschaften identifiziert, die CO2 zu einem so ergiebigen "Treibhausgas" machen.

Noch erstaunlicher war die neue Erkenntnis, zu der sie in Bezug auf Kohlendioxid und die Atmosphäre gelangte und deren Auswirkungen nun von Satelliten, Supercomputern und zahlreichen Wissenschaftlern in aller Welt untersucht werden:

"Eine Atmosphäre aus diesem Gas würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen; und wenn, wie einige vermuten, zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Geschichte die Luft mit einem größeren Anteil als heute vermischt war, muss sich daraus zwangsläufig eine erhöhte Temperatur ergeben haben (…)"

Mit anderen Worten: Foote hatte erkannt, dass höhere Mengen an Kohlendioxid in der Erdatmosphäre zu einer globalen Erwärmung führen würden.

1856 hielt Foote ihre Erkenntnisse in ihrem Erstlingswerk Circumstances affecting the Heat of the Sun's Rays fest. Im selben Jahr wurde ihre Arbeit auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science vorgestellt. Allerdings nicht von Foote selbst, sondern von ihrem männlichen Kollegen, John Henry. In der Ausgabe von Scientific Discovery aus dem Jahr 1857 berichtete David A. Wells, dass Henry dem Vortrag von Foote ein paar Worte vorangestellt hatte, die besagten, dass die Wissenschaft keinem Land und keinem Geschlecht angehöre:

„Die Sphäre der Frau umfasst nicht nur das Schöne und das Nützliche, sondern auch das Wahre".

Obwohl Footes Aufsatz anfangs einige Aufmerksamkeit erregte, geriet er bald in Vergessenheit und verschwand, wie seine Autorin, schnell in der Versenkung. John Tyndall hingegen wird als einer der frühen und wichtigsten Begründer der Klimawissenschaft gefeiert. Ob dem Briten Tyndall die Forschungen Footes bekannt waren, weiß man nicht.

Foote veröffentlichte ihre zweite und letzte wissenschaftliche Arbeit On a new source of electrical excitation im Jahr 1857, bevor sich ihr Interesse auf Kampagnen für Frauenrechte verlagerte. Diese beiden physikalischen Arbeiten sind die einzigen, die vor 1889 von einer amerikanischen Frau veröffentlicht wurden.

Erst in den letzten zehn Jahren ‒ mehr als 150 Jahre nach der Veröffentlichung ihrer Arbeit über das Zusammenspiel von Sonnenstrahlung und CO2 ‒ hat Eunice Foote begonnen, für ihre Beiträge Anerkennung zu finden. In jüngster Zeit gab es eine Reihe von Publikationen, in denen versucht wurde, dies zu korrigieren und ihr jene Anerkennung zukommen zu lassen, die ihr zu Lebzeiten verwehrt blieb.

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Dieser Artikel stützt sich stark auf folgende Quellen: KLG: Why Don’t Americans Trust Scientists? Or Do They? And Why This Matters, 11.10.2023 (Zugriff 13.10.2023); Olivia Howlett: Women in climate science: what did Eunice Foote discover?, 11.2.2023 (Zugriff 13.10.2023)