Editorial

EU-Wirtschaftspolitik: vom Zeitgeist überholt

| 25. September 2025

Liebe Leserinnen und Leser,

die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union wirkt zunehmend antiquiert. Bei ihrer Gründung noch ganz im Geiste der neoliberalen Ära konstruiert, ticken die Uhren mittlerweile anders. Die Industriepolitik ist zurück – zumindest in den größten Volkswirtschaften: Während diese in den USA spätestens seit der Ära Biden ein Revival erfährt und mittlerweile vor allem über Zölle funktioniert, feiert Chinas staatskapitalistisches Modell seit den 1980er-Jahren einen fulminanten Aufstieg. Nicht verwunderlich also, dass sich in letzter Zeit die Stimmen für neue Wege der EU mehren.

So etwa Finanzminister Lars Klingbeil: In einer Rede an der Berliner Hertie School forderte er einen "Buy European"-Ansatz. Angelehnt an den Buy American Act als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise 1933 soll er europäischen Anbietern bei Schlüsseltechnologien Vorrang einräumen. Doch die Europäische Kommission, Wirtschaftskreise und Mitgliedsstaaten sind skeptisch. Wettbewerbseingriffe und Protektionismus widersprechen der europäischen Grundidee eines freien Binnenmarkts zutiefst.

Und das, obwohl dieser europäische Binnenmarkt alles andere als rund läuft. Aktuell erreicht der Eurozonen Einkaufsmanagerindex PMI auch mithilfe deutscher Unternehmen zwar den höchsten Stand seit 16 Monaten. Aber Deutschland geht es nur weniger schlecht als anderen Ländern wie Frankreich. Insofern wäre es verfrüht, von einer nachhaltigen Erholung zu sprechen. Denn die "strukturelle Schwäche des deutschen Modells bleibt bestehen: zu starke Exportabhängigkeit, zu wenig Investitionen in Infrastruktur und zu schwache Binnenkonjunktur", so unsere Redaktion in dieser Ausgabe.

Ohne grundlegende Reformen des fiskalpolitischen Regelwerks der Union ist eine Trendumkehr kaum machbar. Anstelle eines willkürlichen "3-Prozent-60 Prozent Regelwerk[s]" müsse den EU-Ländern ermöglicht werden, "den jeweils individuell erforderlichen Defizit- und Verschuldungsweg zu gehen", fordert der Volkswirt Wolfgang Blaas. Das neue Regelwerk könne im Sinne einer Ressourcenbasierten Finanzordnung ausgestaltet sein, an der MAKROSKOP arbeitet.

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