Editorial

Parallelwelten des Geldes: Von Trade Republic bis Tether

| 02. Oktober 2025
@midjourney

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

ob Aktien, ETFs, Stablecoins oder diverse Fonds-Arten – die Finanzmärkte bieten eine schier unüberschaubare Zahl von Finanzprodukten an. Zunehmend ist Trading nicht mehr den Experten und Versicherungen vorbehalten – Trade Republic, eToro, Scalable Capital und andere Neobroker wenden sich gezielt an Kleinanleger. Häufig schon ab einem Euro Mindestkapitalanforderung ist es möglich, dort mitzumischen, wo in Sekundenbruchteilen Milliarden den Besitzer wechseln.

Entspannt vom Handy aus sein Depot pflegen und dabei von Kursgewinnen und Dividenden profitieren? Klingt verlockend, steckt die Realwirtschaft doch schon länger in einer Rezession. Während sich Löhne, Produktivität nur schwach entwickeln und die Arbeitslosigkeit langsam wieder steigt, feiern Börsenbarometer wie Dax und Dow Jones trotz Krieg und Krise ein Allzeithoch nach dem nächsten. 

Für den Einzelnen mag das ein veritabler Weg sein, um zu sparen. Doch gesamtwirtschaftlich gesehen sind Finanzmärkte nicht nur mit erheblichen Risiken verbunden, sie entziehen der Wirtschaft auch potenzielle Nachfrage – Nachfrage, die angesichts der konjunkturellen Flaute dringend nötig wäre. Das weiß auch der Jungökonom Maurice Höfgen, nichtsdestotrotz dient er Trade Republic als Werbegesicht. So verschwimmen in ihm Privates und Politisches, meint der Politökonom Malte Kornfeld in dieser Ausgabe.

Hinzu kommt: Finanzprodukte konfrontieren Zentralbanken und Geschäftsbanken mit erheblichen Herausforderungen. Stablecoin-Anbieter wie Tether koppeln ihre Parallelwährung an eine Ankerwährung wie dem Dollar oder den Euro. Dirk Bezemer sieht darin ein handfestes Problem: Zentralbanken haben keinen Einfluss mit ihrer Zinspolitik auf Transaktionen in Stablecoins.

Gleichzeitig fürchten Banken, bei zunehmenden Zahlungen und Krediten in Parallelwährungen Marktanteile zu verlieren. Angesichts der zunehmenden Popularität von Tether im Euroraum planen neun große Banken – darunter Raiffeisen, Danske, ING und KBC – ab 2026 ihren eigenen Stablecoin herauszugeben. Auch die Finanzmärkte sind ein umkämpfter Raum.

Alle Artikel dieser Ausgaben:

  • Schweizer Rentensystem: Die besseren drei Säulen? Deutsche Rentner haben allen Grund, auf die Schweizer neidisch zu sein. Sollte die Bundesrepublik das Schweizer Modell imitieren? Werner Vontobel
  • Merz und von der Leyen spielen Russisch Roulette Um die Ukraine über Wasser zu halten, gehen der Kanzler und die Kommissionspräsidentin immer größere finanzielle Risiken ein. Doch ohne Weiteres kommen sie damit nicht durch, wie ein EU-Gipfel in Kopenhagen gezeigt hat. Eric Bonse
  • Der Preis des Euro Die Währungsunion gilt als unumstößliche Realität – selbst für Euro-Skeptiker. Doch ihre Konstruktionsfehler belasten nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung Europas, sondern auch die demokratische Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten. Thomas Fazi
  • „Die Industrie muss für 20 bis 30 Jahre Planungssicherheit haben“ Ohne einen großindustriellen Ansatz wird die Energiewende im Privatsektor an den Kosten scheitern, sagt der Energieexperte Frank Atzler. Lukas Poths
  • Kulturfrage statt Naturgesetz: Über die Normalität des Tierleids Fleisch ist zur kulturellen Kampfzone geworden. Anstatt die strukturellen Probleme der Tierhaltung zu diskutieren, werden damit Fronten aufgebaut, die eine sachliche Auseinandersetzung fast unmöglich machen. Alina Steinbrenner
  • Maurice Höfgen, Trade Republic und die Frage der Integrität Maurice Höfgen wächst als linker Finfluencer rasant – doch seine Werbepartnerschaft mit Trade Republic wirft Fragen nach Integrität und Glaubwürdigkeit auf. Gerät sein rebellisches Image ins Wanken? Malte Kornfeld
  • Von Fugger zu Tether: Warum Stablecoins keine neue Erfindung sind Ob Fuggergeld im Mittelalter, Eurodollar in den 1960ern oder Stablecoins heute – immer wieder entstehen parallele Geldformen, die sich vom „echten“ Geld kaum unterscheiden. Doch die privaten Währungen können die Macht der Zentralbanken ins Wanken bringen. Dirk Bezemer
  • Die neue deutsche Rüstungsmaschine Rheinmetall expandiert aggressiv: Von Panzern über Flugzeuge bis hin zu Kriegsschiffen und Weltraumtechnik – das Unternehmen will seinen Umsatz in wenigen Jahren vervier- bis verfünffachen. Doch mit der Transformation zum reinen Rüstungskonzern wächst auch die politische Brisanz. Michael Brzoska
  • Warum Trump seinen Handelskrieg gegen Indien bereuen könnte Trumps Strafzölle treffen Indien kurzfristig hart – doch am Ende dürften die USA selbst den höheren Preis zahlen: mit mehr Inflation, gestörten Lieferketten und einem geschwächten Bündnis im Indopazifik. Duvvuri Subbarao
  • Kaputte Rolltreppe, falsche Prioritäten Während die UN-Generaldebatte eine historische Wende in der Palästina-Frage brachte, redeten Trump und viele Medien über eine ausgefallene Rolltreppe. Ein Lehrstück über Ablenkung – und verpasste Aufmerksamkeit. Tiago Cardão-Pito
  • Warum Chinas Wirtschaft anders funktioniert Von der Planwirtschaft zum innovationsgetriebenen Wachstum – der MAKROSKOP-Autor Rainer Land liefert eine fundierte Analyse des chinesischen Entwicklungsmodells. Die Redaktion