Makroskop
Exportkontrollen und Schutzzölle

USA versus China: Die globalen Folgen der strategischen Eskalation

| 14. Oktober 2025
IMAGO / Anadolu Agency

Die USA verschärfen ihre Exportkontrollen, China kontert mit neuen Beschränkungen für Seltene Erden. Der Konflikt um Chips und Rohstoffe wird zum geopolitischen Machtkampf – mit Folgen für Industrie, Inflation und Europas strategische Abhängigkeiten.

Donald Trump treibt die technologische Entkopplung von China weiter voran. Wie schon sein Vorgänger Joe Biden beschränkte der US-Präsident die Ausfuhr von hochwertigen Halbleiterchips und stoppte den Export von zur Herstellung von Chips verwendeten Maschinen und Chemikalien nach China.

Nachdem Trump im Frühjahr 2025 zusätzliche Strafzölle auf chinesische Waren verhängt hatte, reagierte Peking mit Exportbeschränkungen für Seltene Erden – Rohstoffe, die für die Hightech-Industrie der USA unverzichtbar sind. [MAKROSKOP berichtete.] Die Eskalation zwang Washington zum Einlenken: Die Zölle wurden vorübergehend gesenkt, die Handelsgespräche mit China wieder aufgenommen. Ein neues Abkommen sollte noch in diesem Monat beim geplanten Treffen von Trump und Xi Jinping in Südkorea unterzeichnet werden.

Doch noch während der laufenden Gespräche verschärften die USA ihre Linie erneut. Am 29. September veröffentlichte das Bureau of Industry and Security (BIS) im US-Handelsministerium eine vorläufige endgültige Regelung („Interim Final Rule“, IFR), die die Exportkontrollen auf ein bislang beispielloses Niveau ausweiten dürfte. Die Bestimmungen sollen künftig auch für alle Unternehmen gelten, die direkt oder indirekt zu mindestens 50 Prozent im Besitz eines der vom Handels- und Finanzministerium gelisteten chinesischen Firmen stehen – und damit faktisch für große Teile der Technologieindustrie des Landes.

Hinzu kommt eine neue Sorgfaltspflicht für Exporteure: Sie müssen die Eigentumsverhältnisse ihrer Geschäftspartner prüfen, sobald Anhaltspunkte bestehen, dass ein gelistetes Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung hält oder in anderer Form verbunden ist. Verstöße sollen streng sanktioniert werden. Die IFR markiert damit den bislang weitreichendsten Schritt in der US-amerikanischen Technologieabschottung gegenüber China.

Peking reagierte prompt – und unmissverständlich. Die chinesische Regierung kündigte neue Exportkontrollen für Seltene Erden und verwandte Hochtechnologien an. Bereits im Juni 2025 hatte China den Export mehrerer Metalle eingeschränkt, die in der Rüstungsindustrie von zentraler Bedeutung sind. Nun folgte eine zweite, deutlich umfassendere Maßnahme, die noch tiefer in globale Lieferketten eingreift. Die Folgen waren sofort spürbar: Unternehmen in den USA, Europa und weiten Teilen Asiens sehen sich mit Engpässen und Preissteigerungen konfrontiert.

Von gezielten Verboten zu systematischer Kontrolle

Die im Juni erlassenen Beschränkungen zielten primär auf Militäranwendungen. China untersagte oder erschwerte den Export bestimmter Seltener Erden und Legierungen, die in Triebwerken, Präzisionswaffen und Radarsystemen Verwendung finden. Offiziell begründete das chinesische Handelsministerium diese Schritte mit „nationaler Sicherheit“.

Die nun im Oktober in Kraft getretenen Regeln gehen deutlich weiter. Laut Peking unterliegen nicht mehr nur einzelne Rohstoffe, sondern auch Technologien, Maschinen und Know-how der Exportlizenzpflicht. Fünf zusätzliche Elemente – darunter Dysprosium, Terbium und Neodym – wurden in die Liste aufgenommen. Besonders bemerkenswert: Auch die Verarbeitungsschritte, etwa die Herstellung von Permanentmagneten, fallen unter die Kontrollen.

Ein weiterer Unterschied ist die Art der Genehmigungspflicht: Während im Juni bestimmte Unternehmen nur Ausfuhrzertifikate beantragen mussten, prüft die Regierung nun auch den Verwendungszweck und die Endabnehmer. Damit behält sich Peking vor, Exporte selektiv zu genehmigen oder zu blockieren – ein Hebel, der wirtschaftliche und politische Ziele verbinden kann.

Ein strategischer Affront für die USA

Für die Vereinigten Staaten ist der Schritt mehr als eine wirtschaftliche Herausforderung – er ist ein strategischer Affront. In zahlreichen Hochtechnologiebranchen sind die USA auf seltene Erden angewiesen: von F-35-Jets über Raketensteuerungen bis zu Elektrofahrzeugen. Zwar versucht Washington seit Jahren, eigene Abbau- und Recyclingkapazitäten zu stärken, doch rund 60 Prozent der weltweiten Verarbeitung findet weiterhin in China statt.

Erwartungsgemäß reagierte Trump mit markiger Rhetorik und wirtschaftlichem Gegendruck: Pekings Vorgehen sei ein „feindlicher Akt“, auf den Trump mit Zöllen von 100 Prozent auf chinesische Waren reagieren will, zusätzlich zu den bereits bestehenden Handelsbarrieren. Zugleich stellte er das geplante Treffen mit Xi Jinping infrage.

Ob die US-Maßnahmen ihr Ziel erreichen, ist zweifelhaft – denn kurzfristig sitzt China am längeren Hebel. Mit der neuen Regelung, die am 8. November 2025 in Kraft tritt, kontrolliert Peking faktisch drei zentrale globale Lieferketten: erstens die Produktion hochentwickelter Halbleiter – über Seltene Erden und spezialisierte Ausrüstung –, zweitens den Markt für batteriebetriebene Fahrzeuge und Drohnentechnologien sowie drittens die Präzisionsfertigung in Schlüsselindustrien, die auf superharte Werkstoffe angewiesen ist.

Die wirtschaftlichen Folgen sind kaum zu kalkulieren. Engpässe in diesen Sektoren könnten die Industrieproduktion weltweit belasten und die Preise weiter treiben. Auch die internationale Zusammenarbeit im Hochtechnologiesektor steht vor einer Belastungsprobe – insbesondere für die exportabhängigen Volkswirtschaften Europas.

Für China selbst sind die unmittelbaren Risiken gering. Laut Daten der Weltbank machen die Importe aus den USA weniger als ein Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts aus; die Exporte in die Vereinigten Staaten liegen bei rund 2,6 Prozent. Peking kann also relativ gelassen zuschauen, wie sich Washington und seine Partner mit den wirtschaftlichen Nebenwirkungen ihrer eigenen Politik auseinandersetzen müssen. 

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Mittelfristig – also im Zeitraum von fünf bis zehn Jahren – könnte die neue Eskalation jedoch auch eine Gegenbewegung auslösen: einen Investitionsschub in die heimische Produktion und Verarbeitung seltener Rohstoffe. In den USA laufen die Vorbereitungen bereits. Das Pentagon hat angekündigt, strategische Reserven an Seltenen Erden aufzubauen und die Förderung kritischer Metalle im eigenen Land wie auch in verbündeten Staaten massiv auszuweiten.

Auch die Privatwirtschaft reagiert: Mehrere US-Konzerne prüfen derzeit, wie sie Abhängigkeiten von chinesischen Zulieferern reduzieren können – sei es durch Recyclingprogramme, Ersatzstoffe oder den Aufbau neuer Lieferketten in Ländern wie Australien, Kanada oder Chile. Washington will diese Entwicklung politisch flankieren, etwa über Subventionen nach dem Vorbild des CHIPS and Science Act.

Europa: Chance für strategische Neuausrichtung

Die US-Exportbeschränkungen treffen aber auch zunehmend europäische Unternehmen: Die niederländische Regierung übernahm die Chipfirma Nexperia, weil die chinesischen Eigentümer Washingtons Sanktionsliste auf den Plan riefen. Schon vor Monaten hatten US-Beamte ihren niederländischen Amtskollegen signalisiert, der chinesische CEO müsse „ersetzt werden“, damit Nexperia von den Restriktionen befreit werden könne, wie kürzlich veröffentlichte Gerichtsdokumente zeigen. Peking antwortete prompt mit Exportverboten für entscheidende Bauteile, die in den Niederlanden für die Produktion essenziell sind. Für Nexperia, die jährlich rund 90 Milliarden Komponenten liefert, könnte das das Ende bedeuten – mit direkten Folgen für die europäische Hightech-Industrie.

Insgesamt sind die Maßnahmen Pekings für die Europäische Union ein zweischneidiges Schwert. Einerseits droht ein erneuter Versorgungsengpass bei Materialien, die für Windkraftanlagen, Elektromotoren und Hightech-Produktion unverzichtbar sind. Rund 98 Prozent der Seltenerdmetalle importiert die EU derzeit aus China. Kurzfristig könnten Engpässe in der Magnetfertigung und Batterietechnologie die Energiewende ausbremsen.

Andererseits eröffnet die Krise auch Chancen für eine strategische Neuausrichtung. Mit dem Critical Raw Materials Act hat die EU bereits 2024 die Weichen gestellt, um eigene Abbau-, Raffinierungs- und Recyclingprojekte voranzutreiben. Die neuen chinesischen Restriktionen verleihen diesen Plänen zusätzlichen Druck – und politische Legitimation.

Zugleich könnte Europa von der globalen Neuordnung der Lieferketten profitieren. Unternehmen aus den USA und Japan suchen nach alternativen Standorten für Raffinerien und Weiterverarbeitung. Schweden – mit seinen Vorkommen in Kiruna – und Frankreich – mit starker Recyclingforschung – könnten mittelfristig an Bedeutung gewinnen.

Doch eine gemeinsame europäische Strategie fehlt bisher. Während Deutschland und Frankreich auf enge Abstimmung mit den USA setzen, wollen süd- und osteuropäische Länder eine klare Parteinahme im geopolitischen Konflikt vermeiden.

ASEAN: Chance und Überforderung

Insbesondere in Südostasien haben die neuen Exportkontrollen Pekings hohe Wellen geschlagen. Viele ASEAN-Staaten[1] sind direkt oder indirekt Teil der chinesischen Lieferketten. Einige – etwa Myanmar – exportieren bereits seltene Erden nach China, wo sie weiterverarbeitet werden. Wenn Peking nun den Export veredelter Materialien beschränkt, könnte dies den Abbau in Nachbarländern ankurbeln.

Myanmar und Laos verfügen über nennenswerte Vorkommen, kämpfen jedoch mit schwachen Umweltauflagen und schlechter Regierungsführung. In Myanmar ist der Bergbau teils unreguliert und führt zu erheblichen ökologischen Schäden – eine steigende Nachfrage könnte diese Dynamiken weiter verschärfen.

Malaysia dagegen sieht in der Krise eine Chance. Das Land plant den Ausbau seiner Raffinierungs- und Veredelungskapazitäten, um sich als regionales Zentrum für Seltene Erden zu etablieren. Internationale Investoren – vor allem aus Japan und Australien – zeigen Interesse, auch um ihre Abhängigkeit von China zu verringern.

Langfristig könnte ASEAN zu einem strategischen Knotenpunkt zwischen Ost und West werden. Doch dafür braucht es massive Investitionen in Technologie, Umweltstandards und Rechtssicherheit. Ohne sie droht die Region ein „Rohstofflieferant ohne Wertschöpfung“ zu bleiben.

Eine neue Rohstoffordnung

Noch ist nichts entschieden. Es könnte durchaus sein, dass Chinas Vorgehen weniger auf eine tatsächliche Exportbeschränkung abzielt, sondern vor allem als politisches Druckmittel gedacht ist. Wie das Wall Street Journal berichtet, forderte Chinas Chefunterhändler, Vizepremier He Lifeng, während der jüngsten Verhandlungsrunde mit hochrangigen US-Vertretern in Madrid die vollständige Abschaffung von Zöllen und Exportkontrollen. Die neuen Maßnahmen im Bereich der Seltenen Erden seien, so Insider, Teil einer Taktik, um dieses Ziel zu erreichen. Kurzfristig könnte die Strategie aufgehen: Die Nervosität der Märkte erhöht den Druck auf Präsident Trump, einen Teil der geplanten Handelsbeschränkungen zurückzunehmen.

Doch jenseits des taktischen Manövers deutet sich eine tiefgreifende Verschiebung an, die kaum reversibel ist. Seltene Erden – einst ein Randthema für Geologen und Ingenieure – sind endgültig zu einem geopolitischen Hebel geworden. Eine neue globale Rohstoffordnung entsteht, deren Folgen über Jahre spürbar sein werden. Rohstoffpreise dürften steigen, Investitionsentscheidungen werden zunehmend politisch motiviert, und die wirtschaftliche Blockbildung könnte sich weiter verfestigen. Zugleich zeichnet sich eine multipolare Weltwirtschaft mit flexiblen Allianzen ab, in der regionale Akteure an Bedeutung gewinnen – doch China bleibt vorerst der zentrale Machtfaktor.

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[1]      ASEAN ist der Verband Südostasiatischer Nationen (Association of South-East Asian Nations), eine 1967 gegründete regionale Organisation zur Förderung wirtschaftlicher, politischer und sicherheitspolitischer Zusammenarbeit in Südostasien. Die zehn Mitgliedsstaaten sind Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Im Oktober 2025 wird Timor-Leste als elftes Mitglied aufgenommen.