Makroskop
Nahost-Konflikt

Der innerarabische Machtkampf um Trumps Gaza-Plan

| 24. Oktober 2025
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Der Streit über Trumps Gaza-Plan zeigt, wie tief die politischen Fronten in der arabisch-muslimischen Welt und in Israel verlaufen – und warum die „Achse der Moderaten“ ihre Zukunft nicht länger von Netanjahu abhängig machen will.

Noch vor dem Besuch von US-Präsident Donald Trump in Israel und Ägypten am 13. Oktober schrieb ich – gestützt auf Quellen aus der Region – folgende Einschätzung: „Die pragmatischen arabischen Staaten dürften den Großteil der finanziellen Last [des Friedensplans] tragen, während sie zugleich darum ringen müssen, Katar und die Türkei vom Gazastreifen fernzuhalten.“

In den Tagen danach ist dieser Konflikt offen ausgebrochen und hat zugleich die tiefe Spaltung in der israelischen Politik offengelegt: Im Gegensatz zur israelischen Regierung, deren Ablehnung eines politischen Prozesses mit den Palästinensern sie in das Lager der „Konfliktfortsetzung“ rückt – jenes der Schutzmächte der Muslimbruderschaft, Katar und Türkei –, strebt die israelische Opposition danach, die „Konfliktlösungsachse“ in den Gazastreifen einzubeziehen.

Noch vor dem Gipfel machten führende Vertreter der Hamas deutlich, dass sie Artikel 13 des amerikanischen 20-Punkte-Plans, dem sie grundsätzlich zugestimmt hat, äußerst minimalistisch auslegt: Das Waffenarsenal der Hamas – hauptsächlich Gewehre, Sprengsätze und Schulterraketen – wird von ihr nicht als „militärische und terroristische Infrastruktur“ betrachtet, die gemäß dem Abkommen zerstört werden müsste, sondern als „Mittel zur Selbstverteidigung“. Diese Haltung, erklärte Politbüromitglied Husam Badran, gelte „solange die Besatzung andauert“ – also auch im Westjordanland.

In Ramallah, Riad und Abu Dhabi verfolgte man diese Äußerungen ebenso besorgt wie die zunehmende Kontrolle der Hamas über die palästinensische Straße, einschließlich Schutzgelderpressungen von lokalen Händlern und summarischer Hinrichtungen. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas erklärte, diese Taten „spiegeln die Entschlossenheit der Bewegung wider, ihre Herrschaft mit Gewalt und Terror aufzuzwingen“.

Saudis, Emiratis und Bahrainer fordern vollständige Entwaffnung der Hamas

Beim Gipfel in Scharm el-Scheich fiel die Abwesenheit der Staatsoberhäupter Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate auf; sie hatten lediglich Delegationen auf zweitrangiger Ebene entsandt. In sämtlichen nahöstlichen Medien wurde betont, der Grund dafür liege in der dominanten Rolle Katars und der Türkei im Prozess und in der de-facto-Rückkehr der Hamas-Herrschaft über die Städte und Ortschaften des Gazastreifens (mit Ausnahme Rafahs).

Unmittelbar nach dem Gipfel drängten die Saudis, Emiratis und Bahrainer das Weiße Haus, den Plan wortgetreu umzusetzen – durch die vollständige Entwaffnung der Hamas und die Zerschlagung ihrer Herrschaft – und knüpften ihre Beteiligung an diese Bedingung.

Parallel übermittelten führende Vertreter der israelischen Opposition dieselbe Botschaft. Yair Golan, Vorsitzender der liberalen Friedenspartei HaDemokratim, veröffentlichte im israelischen Blatt Haaretz einen Meinungsbeitrag unter der Überschrift: „Netanjahu stärkt erneut die Hamas und überlässt Israels Schicksal der Türkei und Katar“. Golan schrieb:

„Anstatt die Unterstützung der USA und die Abraham-Abkommen zu nutzen, um eine regionale Koalition mit den moderaten Staaten zu schmieden, die eine neue Sicherheitsordnung schafft, hat Netanjahu Katar und der Türkei erlaubt, das Ruder zu übernehmen und die Hamas wiederzubeleben. So sieht in der Praxis die Fortsetzung seiner gefährlichen und zynischen Doktrin aus, wonach ‚die Hamas ein Vermögenswert ist‘. Ein verantwortungsbewusster Staat würde seine Sicherheit auf ein Bündnis mit seinen moderaten Nachbarn – Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Jordanien – stützen, anstatt sein Schicksal in die Hände der Türkei und Katars zu legen, die der Muslimbruderschaft nahestehen und jenen Geld, Waffen und Sauerstoff liefern, die Israelis abgeschlachtet und entführt haben.“

Ehud Barak, ehemaliger Generalstabschef, Verteidigungsminister und Premierminister, schloss sich Golans Worten an und fügte in einem Interview hinzu:

„Auf die Emiratis und die Ägypter würde die Hamas sich nicht trauen zu schießen. Die Katarer und Türken stellen ein Problem dar, weil sie letztlich daran interessiert sind, dass die Hamas bestehen bleibt. Ägypten und die Emirate forderten, dass es eine Fortsetzung in Gaza mit den Palästinensern [der PA] geben müsse. Netanjahu will das nicht – also bekommt er die Hamas.“

Führende Vertreter des zionistischen Mitte-Rechts-Lagers – Gadi Eisenkot, Avigdor Lieberman und Naftali Bennett – die bei den kommenden Wahlen voraussichtlich mit einer vereinten Partei antreten werden, der Umfragen rund 40 Prozent Zustimmung vorhersagen, äußerten sich in ähnlichem Ton. Sie unterscheiden sich von der anti-zionistischen Rechten Netanjahus, die eine messianische Vision von heiligem Krieg und rabbinischer Herrschaft vertritt und damit das Grundprinzip der zionistischen Bewegung ablehnt – eine demokratische, gleichberechtigte politische Gemeinschaft, die internationalen Abkommen verpflichtet ist.

Eisenkot, Lieberman und Bennett lehnen einen Wiederaufbau des Gazastreifens vor einer vollständigen Entwaffnung der Hamas ab, sprechen sich gegen jede katarisch-türkische Einmischung in Gaza aus, gegen eine internationale Kontrolle der Vorgänge in Gaza durch das US-Regionalkommando für den Nahen Osten (CENTCOM) in Katar – und befürworten eine tiefgehende Beteiligung der sunnitischen Anti-Terror-Achse.

Eine Strategie des Hinauszögerns

Am 22. Oktober flogen Trumps Gesandte Steve Witkoff und Jared Kushner von Tel Aviv nach Riad und anschließend weiter nach Abu Dhabi, um Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate für eine Beteiligung an der Verwaltung des Gazastreifens zu gewinnen – ohne Erfolg. Ein Vertreter des saudischen Königshauses erklärte, man werde sich ohne die Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde und ohne einen entschlossenen Schritt zur Entwaffnung und Entmachtung der Hamas nicht engagieren. Laut einer saudischen Quelle „zeigte sich Witkoff von unseren Argumenten überzeugt und gab zu, dass es für Gaza keine Lösung gibt, außer durch eine Rückkehr der PA – aber genau das will Netanjahu nicht.“

Angesichts dieser Sackgasse scheinen die verantwortlichen Akteure nun auf eine bewusste Strategie des Hinauszögerns zu setzen. Gespräche mit Quellen aus der Region deuten darauf hin, dass die amerikanische Zurückhaltung – die Vizepräsident J.D. Vance bei seinem Israel-Besuch durch wiederholte Appelle zur Geduld unterstrich – Teil einer Taktik ist: Man will den Wiederaufbau und die breiteren Vereinbarungen so lange verzögern, bis in Israel eine neue Regierung gebildet wird – in der Hoffnung, dass Netanjahu und seine Partner die Macht verlieren. „Wir brauchen einen Regimewechsel in Jerusalem“, formulierte es Steve Bannon.

Unterdessen zeigt der Druck aus der Opposition Wirkung: Netanjahu musste zurückrudern und öffentlich erklären, dass Israel der Türkei keine Aktivitäten im Gazastreifen gestatte. Im Weißen Haus ist man überzeugt, dass man, sobald Netanjahu abgelöst ist, Katar und die Türkei durch Saudi-Arabien und die Emirate de-facto ersetzen kann – um dann energisch die Entwaffnung und Ablösung der Hamas einzuleiten. Bis dahin arbeitet man an einem Mini-Modell eines „Gaza ohne Hamas“ in Rafah – und hält Netanjahu unter Aufsicht, damit er den Prozess nicht sabotiert.

Obwohl die israelischen Wahlen offiziell erst für Oktober 2026 angesetzt sind, ist es durchaus möglich, dass sie früher stattfinden. Die Widersprüche innerhalb der Netanjahu-Regierung drohen diese jederzeit zu Fall zu bringen. Erst in dieser Woche kehrte die Knesset aus der Sommer- und Feiertagspause zurück, und die Regierung hat bereits ihre parlamentarische Mehrheit für die Verabschiedung von Gesetzen verloren. Die außenpolitische Geschlossenheit des Kabinett Netanjahu kann die inneren Spannungen nicht überdecken.

Zumal Netanjahu keine Chance hat, die Wahlen zu gewinnen – höchstens kann er eine alternative Regierung verhindern. Das saudisch-emiratische Lager vertraut auf die israelische Öffentlichkeit: 68 Prozent der Israelis lehnen eine Annexion des Westjordanlands ab, und 73 Prozent befürworten eine Normalisierung der Beziehungen mit Saudi-Arabien im Rahmen eines kontrollierten Prozesses, der letztlich in einem palästinensischen Staat mündet – vorzugsweise in einer föderativen Lösung mit Jordanien.

Vor diesem Hintergrund fiel am 23. Oktober die provokante Äußerung des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich, eines anti-zionistischen Hardliners: „Wenn Saudi-Arabien uns sagt, Normalisierung im Austausch für einen palästinensischen Staat – dann, Freunde, nein danke. Reitet weiter auf euren Kamelen durch die saudische Wüste.“

Der Fall Ägypten

Der ägyptische Fall ist komplexer. Der Einfluss Kairos resultiert aus der Geografie, nicht aus wirtschaftlicher Stärke. Ägypten möchte die Kontrolle über den Zugang der humanitären Hilfe, den Zustrom von Wiederaufbaumaterial und die Koordination über die neue Herrschaftskonsolidierung in Rafah behalten.

Doch Netanjahu verkündete in dieser Woche die Schließung des Grenzübergangs Rafah – ein Versuch, Ägyptens Einflussader zu blockieren – und ließ nur die Übergänge von israelischer Seite geöffnet, über die seine Verbündeten Katar und die Türkei operieren können. Die USA jedoch zwangen ihn, den Übergang wieder zu öffnen – ebenso wie sie ihn zwingen, Provokationen zu vermeiden, die den gesamten Deal zum Einsturz bringen könnten. Ein hochrangiger Beamter des Weißen Hauses formulierte es am 23. Oktober so:„Netanjahu läuft auf einem sehr dünnen Seil. Wenn er so weitermacht, wird er am Ende das Abkommen in Gaza versauen. Und wenn Netanjahu das Abkommen versaut, wird Donald Trump ihn versauen.“