Makroskop
Editorial

Die Rückkehr des planenden Staates?

| 13. November 2025
@midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

die Vorstellung eines aktiven, planenden Staates wirkt vielen noch immer wie ein Relikt vergangener Zeiten – ein Konzept aus einer verblassten Ära, in der staatliche Wirtschaftskontrolle zunehmend zu erdrückender Bürokratie, Ineffizienz, Überwachung und stagnierenden Innovationen führte.

Doch der Beginn des neuen Jahrhunderts bringt – wie schon der Anfang des vorherigen – globale Krisen, technologische Umbrüche und nun auch ökologische Herausforderungen mit sich. Diese Ära der Polykrise wirft die Frage auf: Ist die Abwesenheit strategischer Planung noch ein neutraler Zustand, oder nicht schon längst eine Form von Untätigkeit? Soll sich Europa weiter auf spontane Marktkräfte verlassen – oder den Staat wieder als lenkendes Instrument begreifen?

Ein Blick nach China zeigt, dass Planung und Dynamik kein Widerspruch sein müssen. Strategische Lenkung hat dort Industrien hervorgebracht, Infrastrukturprojekte umgesetzt und den Aufstieg in Schlüsseltechnologien ermöglicht. Wer glaubt, der Markt allein könne die gleichen Ergebnisse erzielen, übersieht die strukturelle Abhängigkeit, die Deutschland heute kennzeichnet – von fossilen Energieimporten über kritische Versorgungsketten bis hin zu digitalen Plattformen, deren Ausfall weitreichende Folgen hätte. Wird Planung angesichts dieser Gemengelage nicht wieder zu einer strategischen Notwendigkeit?

Die Debatte muss geführt werden, gleichsam birgt sie Gefahren und Irrwege. Ein Staat, der jede Facette des gesellschaftlichen Lebens zu kontrollieren versucht, führt unweigerlich in Überwachung, Effizienzdenken ohne Humanität und zur Aushöhlung individueller Freiheiten. Digitale Utopien, die auf totale Kontrolle und kybernetische Steuerung setzen, mögen auf dem ersten Blick verführerisch klingen, bergen aber nicht zuletzt für die Demokratie enorme Risiken.

Die Kunst für westliche Gesellschaften besteht darin, strategische Weitsicht zu entwickeln, ohne die Freiheit der Bürger zu untergraben. Lässt sich Planung so gezielt, klug und begrenzt einsetzen, dass sie einen Rahmen bietet, der Innovation, Resilienz und demokratische Kontrolle ermöglicht?

Beispiel kritische Infrastruktur: Straßen, Stromnetze, Datenleitungen oder Pipelines sind die Lebensadern moderner Gesellschaften. Private Unternehmen mit ihren Renditeinteressen können diese Sicherheit nicht garantieren. Ein planender Staat hingegen kann Stabilität sichern, natürliche Monopole steuern und strategische Ressourcen für die Allgemeinheit verfügbar halten. Dabei geht es nicht um Zentralismus, sondern um die Wiederkehr des Staates als aktiver Gestalter und Schutzmacht zugleich.

Tatsache ist: Die Rufe nach einem planenden Staat, einer übergeordneten strategischen Perspektive und Kontrolle werden nicht nur lauter, sie fließen auf globaler Ebene verstärkt in die nationalen Agenden und Politiken ein. Sie sind eine Reaktion auf eine Realität, in der globale Abhängigkeiten, technologische Disruption und ökologische Transformation kaum mehr durch den „freien Markt“ gemeistert werden können. Der planende Staat soll in einem komplexen Umfeld nicht weniger als die Weichen für Wohlstand, technologische Souveränität und gesellschaftliche Stabilität neu stellen.