Makroskop
News im Kontext

GEMA-Sieg gegen OpenAI – München setzt Maßstab für die KI-Welt

| 11. November 2025
IMAGO / Reiner Zensen

Die GEMA klagt erfolgreich gegen OpenAI – und schreibt damit die Spielregeln für Künstliche Intelligenz neu. Das Urteil zugunsten der Urheber dürfte Milliardenfolgen für die KI-Wirtschaft haben.

Das Landgericht München I hat am Dienstag im Verfahren der GEMA gegen den US-KI-Anbieter OpenAI ein weitreichendes Urteil gesprochen. Nach Ansicht des Gerichts hat OpenAI beim Training seiner Sprachmodelle urheberrechtlich geschützte Songtexte ohne Lizenz verwendet und damit Rechte von Komponisten und Textdichtern verletzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, doch es gilt schon jetzt als erster richtungsweisender Entscheid in Europa zum Umgang von Künstlicher Intelligenz mit geschützten Inhalten.

Damit fügt es sich nahtlos in die europäische Linie ein, die auf Rechtsklarheit und Vergütungspflicht beim Einsatz urheberrechtlich geschützter Werke im KI-Training drängt. Der kommende EU-AI-Act, flankiert von der Urheberrechtsrichtlinie (DSM-Richtlinie), betont bereits Transparenz und Nachweisbarkeit der Datenquellen. Das Münchner Urteil liefert nun die juristische Praxis dazu: Es bekräftigt, dass KI-Modelle nicht außerhalb des Urheberrechts agieren.

Ein Sieg der GEMA bedeutet, dass KI-Anbieter künftig Lizenzgebühren für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke entrichten müssen. Was bislang als frei verfügbare Datenbasis galt, wird damit zu einem lizenzpflichtigen Gut. Nach ersten Schätzungen könnten sich die zusätzlichen Kosten pro Modellzyklus auf mehrere hundert Millionen bis zu mehreren Milliarden Euro belaufen – je nachdem, wie viele geschützte Inhalte in den Trainingsdatensätzen enthalten sind. Während globale Konzerne wie OpenAI oder Google solche Summen noch verkraften könnten, dürfte der finanzielle Druck kleinere Anbieter aus dem Markt drängen.

Für die Kreativbranche ist das Urteil hingegen ein Durchbruch. Urheber, Komponisten und Texter erhalten die Chance, an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke im KI-Zeitalter zu partizipieren. Verwertungsgesellschaften wie die GEMA könnten künftig Lizenzmodelle entwickeln, die das Training großer Sprachmodelle ähnlich wie die Nutzung von Musik im Rundfunk pauschal vergüten. Damit entstünde ein völlig neues Feld der digitalen Rechteverwertung – und zugleich ein Signal, dass geistige Schöpfung auch in der Ära der künstlichen Intelligenz Eigentum bleibt.

Wirtschaftspolitisch birgt das Urteil jedoch Sprengkraft. Strenge Lizenzpflichten könnten die Entwicklung und das Training großer Modelle in Europa erheblich verteuern und die Innovationsgeschwindigkeit drosseln. Manche Unternehmen dürften ihre Rechenzentren oder Forschungstätigkeiten in Länder mit großzügigeren Urheberrechtsregelungen verlagern. Zugleich könnte sich Europa mit seiner strikten Linie aber auch als Vorreiter eines fairen Ordnungsrahmens für KI positionieren – ähnlich wie beim Datenschutz.

Das Münchner Urteil markiert somit mehr als einen juristischen Präzedenzfall. Es definiert die Spielregeln für das Verhältnis von Kreativität und Technologie neu. Im Kern steht die Frage, ob geistige Werke auch im Zeitalter der Maschinen als schützenswertes Eigentum gelten – oder als frei zugänglicher Rohstoff für die KI-Industrie. Das Landgericht München hat darauf nun eine erste, folgenreiche Antwort gegeben.