Handelsdeal zwischen USA und China: Das Gleichgewicht der Gegensätze
Ein neues Gleichgewicht im Handelskrieg: Das Abkommen zwischen den USA und China zeigt, wie sich Macht und Einfluss verschoben haben – von der Konfrontation zur Koexistenz auf Augenhöhe. Doch die Wogen sind noch nicht geglättet.
Das jüngste Handelsabkommen zwischen den USA und China markiert einen geopolitischen Wendepunkt: Statt einseitiger Dominanz herrscht Augenhöhe auf allen Ebenen. Jede Maßnahme der einen Supermacht wird durch eine Gegenmaßnahme der anderen beantwortet, jede Eskalation neutralisiert. Dieses Gleichgewicht spiegelt die Realität der heutigen multipolaren Welt wider: Die USA können China nicht mehr nach Belieben diktieren, und China muss Zugeständnisse machen, um Konflikte einzuhegen.
„50-Prozent-Regel“ und Exportkontrollen für Seltene Erden sind vorerst passé
Im Zuge des am 1. November unterzeichneten Abkommens wird die im September von den USA eingeführte „50-Prozent-Regel“ ausgesetzt. Diese Vorschrift hatte praktisch über Nacht den Kreis der sanktionierten chinesischen Firmen explodieren lassen: Statt bisher rund 1.400 standen plötzlich 20.000 Unternehmen auf der amerikanischen „Entity List“. Für viele bedeutete das faktisch der Ausschluss vom US-Finanzsystem und vom Zugang zu wichtigen Technologien.
Im Gegenzug lockert China für ein Jahr seine Exportkontrollen auf Seltene Erden – ein Material, ohne das keine Halbleiterfertigung und kein moderner Industriezweig läuft.
Wie weitreichend die Folgen der nun aufgehobenen Regel sind, zeigt der Fall Nexperia. Der Chipproduzent war ursprünglich in chinesischem Besitz, wurde aber unter dem Druck Washingtons und Den Haags de facto enteignet, um nicht selbst unter die US-Sanktionen zu fallen. Jetzt, da die 50-Prozent-Regel wieder vom Tisch ist, könnte das Unternehmen theoretisch erneut unter chinesische Kontrolle geraten.
Und tatsächlich deutet die Wortwahl des Weißen Hauses genau in diese Richtung. In der Mitteilung heißt es, China werde „geeignete Maßnahmen ergreifen“, um sicherzustellen, dass die Nexperia-Standorte in China wieder für den Export produzieren können, insbesondere bei den für den Westen so wichtigen Legacy-Chips. In Europa bleibt Nexperia dagegen nur noch eine formale Hülle. Kurz gesagt: Die Vereinbarung öffnet die Tür dafür, dass der Konzern operativ wieder komplett in chinesischer Hand bleibt.
Ende der Zoll-Eskalation
Die zweite Baustelle sind die Zölle. Offiziell verkaufen die USA ihre jüngsten Schritte als harte Linie gegenüber Peking. Präsident Trump spricht davon, die Gesamtzölle auf chinesische Waren auf rund 47 Prozent zu drücken, inklusive einer deutlichen Senkung der Strafabgaben: Die zuvor rund 34 Prozent Zusatzbelastung sollten auf etwa 16 Prozent fallen, die Fentanyl-Zölle sogar halbiert werden. Später teilte das Weiße Haus mit, die sogenannten „Liberation Day“-Zölle seien am Ende auf den Mindestwert von 10 Prozent reduziert worden.
Hinter dem martialischen Ton steckt jedoch eine nüchterne Wahrheit: Washington rudert zurück. Rechnet man die neuen Sätze zusammen, landet man ziemlich genau wieder dort, wo die USA vor Trumps Zoll-Eskalation standen. China hat in den Verhandlungen klare Zugeständnisse herausgeholt, die Zölle sind faktisch auf EU- oder Südkorea-Niveau abgesenkt. Der große Showdown endet damit vor allem symbolisch – mit Vorteilen auf chinesischer Seite und einer US-Regierung, die ihren eigenen Maximalanspruch zurücknimmt.
Schiffbauindustrie und maritime Vergeltungsmaßnahmen
Die USA legen ihre Strafmaßnahmen gegen chinesische Frachter und die gesamte Schiffbauindustrie für ein Jahr auf Eis. Peking zieht parallel nach und setzt die angekündigten Gegenzölle auf US-Schiffe ebenfalls aus. Wären die Maßnahmen in Kraft geblieben, hätten chinesische Reedereien in amerikanischen Häfen mit drastischen Zusatzgebühren rechnen müssen, während China im Gegenzug identische Kostenfallen für US-Schiffe geplant hatte.
Mit der beidseitigen Pause senden Washington und Peking ein Signal nüchterner Zweckmäßigkeit: Der wirtschaftliche Schaden soll begrenzt, die politische Verhandlungsposition aber nicht preisgegeben werden. Beide Seiten nehmen Druck vom Kessel, ohne die grundsätzlichen Konfliktlinien zu ändern.
Weitere Vereinbarungen
In mehreren politisch nicht minder aufgeladenen Nebenpunkten verständigten sich beide Seiten auf kleinere Schritte. Beim Dauerstreit um TikTok wurde lediglich eine „angemessene Lösung“ angekündigt, was in der Diplomatiesprache bedeutet, dass noch keine echte Einigung existiert. Beim Agrarhandel bewegt sich dagegen etwas: China will den Import amerikanischer Sojabohnen wieder erhöhen. Trump spricht wie gewohnt von gigantischen Mengen, während Peking die Formulierung bewusst vage hält und lediglich von einem grundsätzlichen Konsens spricht.
Auch bei der Bekämpfung des Fentanyl-Schmuggels versichern beide Regierungen, weiter zusammenzuarbeiten – eine diplomatische Standardfloskel, die eher Kontinuität als Durchbrüche markiert. Komplexere Einzelfälle wie Nvidia, Huawei oder Nexperia sollen getrennt behandelt werden. Man habe sich grundsätzlich verständigt, heißt es, doch die Details bleiben hinter verschlossenen Türen.
Schließlich verpflichten sich die USA und China zu regelmäßigen Begegnungen auf höchster Ebene. Trump kündigt an, 2026 nach China zu reisen, und beide Seiten sichern sich gegenseitige Unterstützung bei kommenden APEC- und G20-Gipfeln zu. Das deutet auf einen Wunsch nach planbarer Stabilität hin – und auf die Option, dass persönliche Diplomatie künftig wieder mehr Gewicht bekommt.
Gegenseitigkeit und Gleichgewicht
Das neue Abkommen wirkt weniger wie ein großer geopolitischer Wendepunkt, sondern eher wie ein nüchtern ausgehandelter Waffenstillstand im Wirtschaftskrieg. Im Unterschied zum Phase-1-Deal aus Trumps erster Amtszeit, bei dem China deutliche Zugeständnisse machte, zeigt sich nun ein anderes Muster: Beide Seiten kontrollieren einander, beide versuchen, ein Gleichgewicht herzustellen, beide ziehen rote Linien ein, ohne sie zu überschreiten. Jede amerikanische Maßnahme findet ihr chinesisches Spiegelstück. Die Botschaft ist klar: Die Ära der asymmetrischen Deals ist vorbei, Washington und Peking begegnen sich inzwischen als Rivalen, die einander brauchen – und das auch wissen.
Bemerkenswert ist, was nicht auf dem Tisch liegt. Grundsätzliche Konfliktfelder wie Taiwan oder die strategische Ausrichtung im Indopazifik werden vollständig ausgeklammert. Das Abkommen bleibt ökonomisch, technokratisch, pragmatisch. Es ist die Vereinbarung zweier Mächte, die nicht plötzlich Freunde werden, aber akzeptieren, dass sie ohne einen gewissen Modus Vivendi nur Verluste erzeugen würden. Xi Jinping brachte es bei der Pressekonferenz auf ein Bild, das erstaunlich offen war: Die Beziehungen seien ein „riesiges Schiff“, das „Winden, Wellen und Herausforderungen“ ausgesetzt sei, aber dennoch „ruhig vorangesteuert“ werden müsse. Ein Satz, der die neue Logik gut beschreibt: Die Rivalität bleibt bestehen, aber sie soll nicht mehr jeden Tag zum Risiko für die Weltwirtschaft werden.
Dieser Artikel basiert auf einem am 30. Oktober bei X veröffentlichten Text von Arnaud Bertrand.