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WEITERE AUSGABEN
Stromverbrauch
Warum E-Auto-Subventionen dem Klima nicht helfen
Von Helmut Zell
| 28. November 2024IMAGO / Jochen Eckel
Mit Steuervergünstigungen und besseren Abschreibemöglichkeiten will die Bundesregierung den Absatz von E-Autos fördern. Doch diese Maßnahme wird weder die CO2-Emissionen senken noch den Ausstieg aus den fossilen Energien beschleunigen.
Noch ist der Marktanteil von Elektroautos in Deutschland gering. Nur rund drei Prozent des Gesamtbestands von rund fünfzig Millionen Pkw fahren elektrisch. Zum ersten Januar 2023 waren circa eine Million Elektroautos zugelassen, zum ersten Januar 2024 sind es 1,4 Millionen. Im Jahresdurchschnitt 2023 waren ungefähr eine Million E-Autos in Betrieb, die durch eine gleiche Anzahl von Verbrennern ersetzt wurden. Offen bleibt, ob und in welchem Maß durch diese Umstellung die CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs gesunken sind. Dazu muss man in zwei Schritten vorgehen:
- Im ersten Schritt wird ermittelt, welche CO2-Emissionen eine Million Elektroautos 2023 durch das Laden aus dem öffentlichen Netz verursacht haben.
- Im zweiten Schritt wird berechnet, wie viele Tonnen CO2 eine Million Verbrenner in diesem Jahr ausgestoßen hätten.
Durch den Vergleich beider Ergebnisse kann dann bestimmt werden, in welchem Maß durch den Austausch die CO2-Emissionen verringert wurden.
Strombedarf von E-Autos
Wie viel Strom verbraucht ein durchschnittliches E-Auto im Jahr? Auf Basis der verfügbaren Angaben zu E-Autos lässt sich schätzen: Bei einer jährlichen Fahrleistung von 12.000 Kilometern und dem durchschnittlichen Strombedarf von 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometern (unter Einbezug der Vorkette) von E-Autos werden 2.400 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht. Demnach errechnet sich für eine Million E-Autos für das Jahr 2023 ein Stromverbrauch von 2,4 Terrawattstunden Strom.
Welche CO2-Emissionen entstehen nun aus diesem Verbrauch? Sie lassen sich anhand der verfügbaren Zahlen zur Nettostromerzeugung des Jahres 2023 berechnen. In diesem Jahr betrug diese in Deutschland 437 Terrawattstunden. Davon kamen 169 Terrawattstunden aus fossiler Energie, Atomenergie lieferte sieben Terrawattstunden und erneuerbare Energie 261 Terrawattstunden. Insgesamt wurden 2023 rund 179 Millionen Tonnen CO2 für die Stromerzeugung emittiert.
Dadurch, dass 2023 eine Million E-Autos Strom aus dem Netz entnommen haben, steigt aber nicht automatisch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Und wenn in diesem Jahr die Stromerzeugung durch erneuerbare Quellen (Wind und Sonne) gestiegen sein sollte, lässt sich daraus nicht schlussfolgern, dass dieser Anstieg durch die Zulassung von weiteren E-Autos verursacht wurde. Insbesondere Kohle- und Gaskraftwerke haben ihre Produktion hochgefahren, und zwar um genau die Menge, die eine Million E-Autos für ihren Betrieb benötigen. Der Strom kam aus fossilen Kraftwerken, die in der Lage waren, auf diese Zusatznachfrage flexibel zu reagieren. Mit anderen Worten: Die bei der Stromerzeugung entstehenden CO2-Emissionen sind – abgesehen von Importen – gänzlich den fossilen Quellen zuzurechnen.
Durch die E-Autos ist die Stromnachfrage 2023 um 2,4 Terrawattstunden gestiegen. Mehr Strom aus fossil befeuerten Kraftwerken bedeutet auch, dass dadurch mehr CO2-Emissionen entstanden sind.
Um diese Mehremission zu beziffern, muss für 2023 der CO2-Emissionsfaktor für den fossilen Strom berechnet werden. Fallen für die Stromerzeugung die oben genannten 179 Millionen Tonnen CO2 an und werden 169,38 Terrawattstunden aus fossilen Quellen erzeugt, kommt man auf etwas mehr als ein Kilo CO2 pro Kilowattstunde (1,056 Kilo die Kilowattstunde). Für die Strommenge von 2,4 Terrawattstunden sind folglich in den fossilen Kraftwerken rund 2,4 Millionen Tonnen CO2 (2,4 Terrawattstunden x ein Kilogramm pro Kilowattstunde) entstanden. Diese 2,4 Millionen Tonnen sind die kumulierten Emissionen einer Million E-Autos.
Zum Vergleich die CO2-Emissionen einer Million Verbrenner. Bei einer jährlichen Fahrstrecke von 12.000 Kilometern werden durchschnittlich sieben Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer verbraucht. Dabei entstehen Emissionen von etwa drei Kilogramm CO2 pro Liter. Also 21 Kilogramm pro 100 Kilometer. Zur einfacheren Nachvollziehbarkeit hier auf zwanzig abgerundet. Damit kommt man auf einen durchschnittlichen Gesamtausstoß von 2,4 Tonnen CO2 im Jahr pro Fahrzeug und einen Gesamtausstoß von 2,4 Millionen Tonnen CO2 für eine Million Fahrzeuge pro Jahr.
Umstellung auf E-Autos hat die Emissionen nicht gesenkt
Die Berechnungen zeigen, dass im Untersuchungszeitraum 2023 durch die Umstellung auf Elektromobilität das Ziel der Einsparung von Kohlendioxid nicht erreicht wurde. Eine Million E-Autos haben so viel CO2 emittiert wie eine Million Verbrenner. Für die Höhe der CO2-Emissionen war es egal, ob eine Million Pkw mit Verbrenner- oder mit Elektromotoren betrieben wurde. Mehr noch: Wegen der Batterie entstehen bei der Herstellung von E-Auto höhere Emissionen als beim Verbrenner. Mit diesem „CO2-Rucksack“ würde der Vergleich für das E-Auto sogar eindeutig negativ ausfallen.
Das Ergebnis widerspricht also der Hoffnung, die mit dem E-Auto verbunden wird. So lange das Stromsystem so ist, wie es ist, bringt ein Wechsel vom Verbrenner zum E-Auto dem Klima keinerlei Vorteil.[1]
Kein generelles Argument gegen das E-Auto
Dennoch ist das Ergebnis kein generelles Argument gegen das E-Auto. Denn die Sache wird anders aussehen, sobald die Stromversorgung durch Erneuerbare Energien erfolgt. Diese ist in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen und erreicht mittlerweile einen Anteil von über fünfzig Prozent an der deutschen Stromversorgung. Bei einer für 2045 anvisierten klimaneutralen Stromversorgung wäre der Pkw-Verkehr auf Basis von E-Autos zwangsläufig emissionsfrei oder zumindest emissionsreduzierter.
Die Dekarbonisierung der Volkswirtschaft wird sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken. Ob und wann die anspruchsvolle Zielsetzung tatsächlich erreicht werden wird, ist in hohem Maße unsicher. Gegenwärtig sind Deutschland und die Welt von emissionsfreiem Strom noch weit entfernt. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen und wird auch zukünftig weiterwachsen. Das zusätzlich steigende Angebot an EE-Strom kann für zwei prinzipiell unterschiedliche Zwecke verwendet werden: um weitere E-Autos zu betreiben, oder ihn ins Leitungsnetz einzuspeisen und so fossilen Strom zu verdrängen.
Subventionen für E-Autos oder Erneuerbare Energien?
Entsprechend gibt es zwei staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Option eins: Man kurbelt den Absatz von E-Autos an (und erhöht so den Stromverbrauch). Oder Option zwei: Man fördert die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien.
Angesichts der Tatsache, dass eine Dekarbonisierung der Volkswirtschaft eine Vervielfachung des Stromangebots erforderlich macht, ist die zweite Maßnahme die sinnvollere Option. Eine einfache Tatsache, die oft vergessen wird: E-Autos verbrauchen Strom, Windräder erzeugen Strom.
Angesichts der gegenwärtigen Absatzflaute will die Bundesregierung den Absatz von Elektroautos ankurbeln. Insofern ist die aktuell geplante E-Auto-Förderung der Bundesregierung – die Anschaffung von elektrischen Firmen- und Dienstwagen soll in den kommenden Jahren mit fast 2,9 Milliarden Euro begünstigt werden – eine Maßnahme zur Stützung der notleidenden Automobilindustrie. Letztlich wird diese Staatshilfe der Branche in Form von Steuervergünstigungen und verbesserten Abschreibemöglichkeiten nicht helfen.
Die Berechnungen zeigen, dass die E-Autos die CO2-Emissionen in 2023 nicht gesenkt haben. Es gibt aber auch keinen Grund anzunehmen, dass die von der Bundesregierung aktuell geplanten Subventionen des E-Autos zu CO2-Einsparungen führen werden. Die Entscheidung für die Subvention der E-Autos ist das Ergebnis von Lobbyarbeit, für die eine stichhaltige ökologische Begründung fehlt. Jedes Elektroauto, das in den nächsten Jahren zugelassen wird, verzögert den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, weil sie erneuerbaren Strom davon abhält, fossilen Strom zu ersetzen.[2]
Deshalb ist es nicht zielführend, einzelne Stromverbraucher (wie das E-Auto) zu subventionieren, sondern es sollte die Erzeugung und Verteilung von Erneuerbarer Energie gefördert werden. Dazu gehören insbesondere Ausbau und Erweiterung des EU ETS (EU Emissions Trading System), aber auch Maßnahmen wie der Bau der Nord-Süd-Stromtrasse, Wasserstoff-Erzeugung mit Wind und Sonne (vorwiegend im sonnen- und windreichen Ausland), Ammoniak, Methanol, Energiespeicherung und ähnliche Technologien. Erst wenn Strom aus erneuerbaren Energien im Überfluss bereitsteht, kann es aus ökologischen Gründen sinnvoll sein, E-Autos durch den Staat zu fördern.
Durch den Fokus auf das E-Auto gerät außerdem aus dem Blick, dass die Anzahl an Autos immer weiter wächst – und damit den Verbrauch weiter erhöht. Anfang 2019 gab es 47 Millionen, Anfang 2024 49 Millionen Pkw. Somit hat sich innerhalb von fünf Jahren der Pkw-Bestand in Deutschland um zwei Millionen Fahrzeuge erhöht. Dass es sinnvoll ist, noch mehr Autos abzusetzen, die darüber hinaus nicht einmal einen emissionssparenden Effekt haben, kann man anhand der dargelegten Zahlen nicht behaupten.
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