Makroskop
Kommentar

Don’t Make Economy Crazy Again

| 18. November 2025
IMAGO / Panama Pictures / Horst Galuschka

In seinem einschlägigen Podcast erklärt Welt-Herausgeber Ulf Poschardt, wie die Wirtschaft wieder zum Boomen gebracht werden könne. Wie lässt sich das einordnen?

„Make economy great again: Wie Deutschlands Wirtschaft wieder boomt“: Der Welt-Podcast (vom 14. Oktober) mit Springer-Journalist Ulf Poschardt und dem liberalen Ökonom Daniel Stelter beginnt mit großen Worten. Die Männer wissen wohl, wie es läuft. Der folgende Einspieler liefert auch direkt die inhaltliche Stoßrichtung: Deutschland müsse wieder wettbewerbsfähig werden. Und das könne man nicht durch eine Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance erreichen.

Neben der Schuldenbremse nehmen erwartungsgemäß vor allem die Arbeitsmoral und das Bürgergeld den Kern der Debatte ein, wie Deutschlands Wirtschaft wieder zum Boomen gebracht werden könne. Während Stelter größtenteils für die Präsentation der ökonomischen Facetten zuständig ist, agitiert Poschardt kulturkämpferisch gegen eine vorgebliche Diktatur der progressiven Eliten.

In den knapp 50 hitzigen Minuten polemisieren Poschardt und Stelter gegen einen von links-grün erzeugten Untergang und erklären mit altbekannten Narrativen des wirtschaftsliberalen Lagers, wie die Welt zu retten sei. Liefert das die Lösung hin zum nächsten großen Boom? Haben Poschardt und Stelter das Rezept gefunden, wie wieder Milch und Honig durch die Flüsse dieses Landes fließen?

Etikettenschwindel und Arbeitsmoral

Die wirtschaftliche Lage ist laut einschlägigen Umfragen das Sorgenthema Nummer eins der Bürgerinnen und Bürger. Bis zum Sommer wollte Friedrich Merz „durch weitreichende Entscheidungen einen Stimmungsumschwung erreichen“. Das sei deutlich verfehlt, so Poschardt und Stelter. Der Kanzler habe sein Wahlversprechen der eisernen Schuldenbremse gebrochen und der SPD finanziellen Spielraum ermöglicht, ohne dafür echte Reformen als Gegenleistung zu erhalten.

Noch mit den Mehrheiten des alten Bundestages beschloss Merz ein Sondervermögen für Infrastruktur und die teilweise Ausnahme von Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse. Beides ist jedoch keine alleinige Forderung der SPD, sondern kommt auch der Politik des Kanzlers zugute. Während die Infrastrukturinvestitionen selbst aus Kreisen der Wirtschaft gefordert wurden, plädierte auch Merz wiederholt für verstärkte Rüstungsausgaben.

Ein klassischer Hauptaufreger der beiden: der „Etikettenschwindel“ beim Bürgergeld. Die wiedereingeführten Sanktionen à la Hartz IV seien zwar symbolisch wichtig, lösten aber nicht das Hauptproblem der mangelnden Arbeitsmoral. Für den Hintergrund: Bei mangelnder Kooperation mit dem Jobcenter können die Leistungen nun fast komplett gestrichen werden und zuvor erarbeitete Ersparnisse werden stärker angerechnet.

Poschardt betont, das Bürgergeld werde ausgenutzt. Dass der Anteil der „Totalverweigerer“ verschwindend gering ist, dass der Leistungsbezug selbst im sanktionsärmeren Bürgergeld nicht gestiegen ist und dass die Ausgaben für Bürgergeld vernachlässigbar klein sind? Anscheinend nicht relevant, passt ja auch nicht ins Bild. Alle, die sich dagegenstellen? Laut Poschardt „arme Loser“.

Worklife Blending statt verwahrlostem Berlin

Wo die Reise hinsichtlich der Arbeitsmoral hingehen soll, erklären Poschardt und Stelter am Beispiel des Unternehmers Andreas Herb. Mit seinen 100-Stunden-Wochen verkörpere Herb Fleiß, Hingabe und Zuversicht. Worklife Blending, also das Verschwimmen von Arbeit und Freizeit, laute die Devise.

Wären nur alle wie Andreas Herb. Wir hätten keine Probleme mehr – außer eines Burnouts vielleicht.

Wie es nicht gehe, zeige sich in Berlin. Der „verwahrloste Zustand des Reichstages und der Bannmeile“ könne als Zeichen dafür gedeutet werden, dass Deutschland sich gehen lasse und die Selbstachtung verloren hätte. Wie nach dem Aufräumen des Schreibtisches habe man in einem Umfeld, in dem Ordnung und Sauberkeit herrscht, mehr Lust, seinen Beitrag zu leisten. Die logische Schlussfolgerung: Das Land muss aufgeräumt werden!

Wer hat Schuld an der angeblichen wirtschaftlichen Misere des geliebten Landes? Richtig: die Grünen. Nach politischen "Geisterfahrten" (wie dem Verbrenner-Aus) würden weiter Forderungen gestellt, ohne Selbstkritik zu üben oder Verantwortung für die angerichteten Trümmer zu übernehmen.

Gut, dass es Poschardt und seine Jungs gibt: Andere Publizisten, wie Jan Fleischhauer oder Richard David Precht, und er, die aus progressiven Familien stammten und die zugehörigen Prinzipien hinter sich gelassen hätten, seien die "heroischen Verräter", die es brauche, um Veränderungen herbeizuführen.

Mal angenommen

Mal angenommen, wir würden alle wie Andreas Herb. Mal angenommen, das Bürgergeld würde abgeschafft und wir würden uns aus Angst um die reine Existenz in den nächstbesten unpassenden Job stürzen, zu hochmotivierten, heroischen Arbeitstieren mutieren und die Produktion dieses Landes ins Unermessliche steigern.

Was nun aber, wenn das Ausland die in unserer auf Export getrimmten Volkswirtschaft produzierten Güter gar nicht mehr so stark nachfragt und lieber in China kauft? Was, wenn Unternehmen aus Unsicherheit nicht investieren, wenn der private Konsum durch „wettbewerbsfähig“ gedrückte Löhne stagniert und wenn die durch die Schuldenbremse strangulierte Fiskalpolitik all das nicht ausgleichen kann? Was, wenn die Nachfrage nach unseren Gütern nicht da ist?

Und was wäre, wenn uns das egal ist? Wenn wir unsere Volkswirtschaft einfach bis auf die Knochen heruntersparen, wenn alle sich totarbeiten und der restliche Wohlstand unser aller Arbeit sich bei einigen wenigen akkumuliert. Hauptsache, das Bürgergeld fällt und die Schuldenbremse steht. Make economy great again? So bitte nicht.