Wie die USA den Handelskrieg verloren
Wie wirken Trumps Zölle wirklich? Nobelpreisträger Paul Krugman zeigt: Der Preisdruck blieb begrenzt, die Industrie schwach. Langfristig haben die USA global viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit verspielt.
Ende Oktober zog der US-amerikanische Starökonom, Nobelpreisträger und New York Times-Kolumnist Paul Krugman in seinem Blog-Artikel How we Lost the Trade War eine vorläufige Bilanz der Trumpschen Zollpolitik. Nach der anfänglichen Schocktherapie musste der amerikanische Präsident aus vielerlei Gründen wieder einen Rückzieher machen. Der vorläufige Höhepunkt der Trump-Zölle scheint erreicht zu sein.
Aber auch wenn das Schlimmste vorüber ist, geht Krugman davon aus, dass Trumps Zölle der US-Wirtschaft und globalen Wirtschaftsordnung in dreierlei Hinsicht nachhaltigen Schaden zugefügt haben: höherer Preise für amerikanische Produzenten und Verbraucher, wirtschaftlicher Unsicherheit und eines weltweiten Glaubwürdigkeitverlusts Amerikas.
Zölle und Inflation
Den Zöllen attestiert Krugman eine inflationäre Wirkung. Amtliche Prognosen erwarten für 2025 einen Preisanstieg der Konsumentenpreise (unter Ausschluss der volatilen Lebensmittel- und Energiepreise) um 2,4 Prozent. Jüngere Statistiken sprechen gar von drei Prozent.
Nach den detaillierten Berechnungen des Portals Pricing-Lab erhöhten sich die Verbraucherpreise aufgrund der Zölle um ca. 0,7 Prozent. Damit traten die nach manchen Modellberechnungen erwarteten höheren Effekte (bis ca. 1,3 Prozent) nicht ein.
Sind sinkende Preise für Importgüter dafür die Erklärung? Um die Kosten der Zölle zu kompensieren, hätten diese laut Krugman um über 10 Prozent fallen müssen. Tatsächlich sind sie 2020 aber leicht angestiegen. Es war also bisher nicht das Ausland, dass die Schutzzölle aufgefangen hat. Stattdessen hielten sich die Unternehmen – zunächst – mit Preissteigerungen zurück und absorbierten so vorerst die Zoll-Kosten. Dieser Effekt hat aber nur eine begrenzte Wirkung.
Der Hauptgrund für die moderateren Preissteigerungen ist, dass die Zölle oft geringer ausfallen als auf dem Papier angekündigt. Trumps Zoll-System ist komplex und sieht für unterschiedliche Länder und Güter unterschiedliche Schutzzölle vor. Damit eröffnen sich viele Möglichkeiten, um zu erreichen, dass geringere Gebühren anfallen.
Manche sind legal, zum Beispiel wenn kanadische Unternehmen nun häufiger die vorher kaum lohnenden bürokratischen Hürden bewältigen, damit ihre Waren unter das Freihandelsabkommen mit den USA fallen. Andere bewegen sich in einer Grauzone, etwa wenn Güter zunächst in Länder verschifft werden, die weniger Zölle zahlen müssen. So manche Ware wird umdeklariert, damit sie in eine andere Zoll-Kategorie fällt. Dass da nicht selten direkter Betrug im Spiel ist, lässt sich kaum verhindern.
Am Ende des Tages, so Krugman, sei die Diskrepanz zwischen gesetzlichen und effektiven Zolltarifen für die Verbraucher eine gute Nachricht. Denn so vermindere sich der Kostendruck auf die Unternehmen, der auch künftig weitere übermäßige Preiserhöhungen verhindern werde.
Unsicherheit und Arbeitsmarkt
Trumps Zölle führten aber bisher auch nicht dazu, dass sich die Industrieproduktion wie erhofft in der Breite wiederbelebte. Teilweise, weil sich infolge der Zölle auch die Preise für manche Rohstoffe erhöht haben, zum Beispiel für Stahl oder Aluminium. Auf der anderen Seite blieben die von einigen befürchteten großen Massenentlassungen aus.
Stattdessen herrscht eine No-Hire-Wirtschaft: Die Unternehmen stellen in der gegenwärtigen Lage nur wenig Personal neu ein, was besonders jungen Arbeitnehmern schadet und deren Lohnzuwächse dämpft. Und wieder ist es vor allem die wirtschaftliche Unsicherheit, die für diese träge Arbeitsmarktdynamik verantwortlich gemacht wird. Fatal für die Lebensperspektiven junger Menschen und die Lebenshaltungskosten.
Doch auch hier könnte das Schlimmste bereits überstanden sein, glaubt Krugman. Die Asien-Reise von Trump habe zu einigen Verträgen geführt, deren vor allem symbolische Bedeutung für das Ende der Unsicherheit kaum zu unterschätzen wäre.
Vertrauenskrise der internationalen Wirtschaftsordnung
Krugman sieht das eigentliche Problem der trumpschen Zollpolitik im enormen Verlust der Glaubwürdigkeit der USA, was die Erosion der internationalen Wirtschaftsordnung zur Folge habe. Trumps bilaterale Deals könnten diese tieferen Schäden nicht beheben: Denn erstens war seine Handelspolitik nicht nur illegal, sondern verletzte auch bisherige US-Abkommen mit anderen Ländern.
Zweitens wirkt die Bilanz dieser Politik wie ein Beleg für Amerikas Schwäche und Chinas Stärke im Ringen der beiden Supermächte. China macht zwar kleine Zugeständnisse etwa durch den Kauf von Sojabohnen, das aber kann das offensichtliche Kräfteverhältnis nicht mehr verschleiern: China konterte Trumps Zolldrohung mühelos, indem es einfach die Exporte seltener Erden und anderer Industrieinputs zu reduzieren begann. Trump musste einen Rückzieher machen, China behielt die Oberhand. Inzwischen kursiert in den USA das Akronym TACO: Trump always chickens out – Trump kneift jedes Mal.
Krugman: „Jetzt weiß die Welt, dass China mehr zu bieten hat“
Entsprechend ernüchtert fällt auch das Fazit von Krugman aus: „Ich bin davon überzeugt, dass China derzeit eindeutig den geopolitischen Konflikt mit den Vereinigten Staaten gewinnt. Früher konnte Amerika auf die Unterstützung seiner demokratischen Verbündeten zählen. Jetzt hat es sie vor den Kopf gestoßen und sich damit den Ruf erworben, Vereinbarungen willkürlich zu brechen. Früher hatte Amerika einen konkurrenzlosen wirtschaftlichen Vorsprung. Jetzt weiß die Welt, dass China mehr zu bieten hat.“