Soziales

Gefährdet der EuGH die Arzneimittelversorgung?

| 27. Oktober 2016

Der EuGH hält die deutsche Preisbindung für Arzneimittel für einen Verstoß gegen das EU-Recht. Die Apotheker sind entsetzt und auch die gesundheitspolitische Sprecherin der "Linken" befürchtet Schlimmes für Patienten. Mit der Realität des Arzeimittelmarktes hat das alles aber nichts zu tun.

Die deutschen Apotheker sind in Aufruhr. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 19. Oktober 2016 geurteilt, dass „die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gegen das Unionsrecht verstößt“ (siehe hier). Hintergrund ist ein Rabattvertrag der „Deutschen Parkinson Vereinigung“ mit der niederländischen Versand-Apotheke „DocMorris“ für Parkinson-Medikamente. Dagegen hatte die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ beim Landesgericht Düsseldorf erfolgreich mit der Begründung geklagt, der Vertrag verstoße gegen die für rezeptpflichtige Arzneimittel geltende Preisbindung. Über das OLG Düsseldorf landete der Streit beim EuGH. Die Apotheker-Vereinigung ABDA reagierte auf dessen Urteil „entsetzt“ (hier), weil es die nationalen Gesundheitssysteme gefährde. Diese dramatische Einschätzung teilt sogar die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Kathrin Vogler. Sie sieht die Arzneimittelsicherheit und flächendeckende wohnortnahe Versorgung bedroht und fordert sogar das Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln (hier).

Ein solches Verbot ist Unsinn, weil es die flächendeckende Arzneimittelversorgung nicht sichern, sondern eher gefährden würde. Diese seit 2004 ermöglichte Vertriebsform ist vor allem für weniger mobile Bürgerinnen und Bürgern sowie für die Arzneimittelversorgung in ländlichen Regionen von Nutzen. Den deutschen Versandapotheken hat der EuGH aber ein faules Ei ins Nest gelegt, weil sie durch sein Urteil gegenüber ausländischen Konkurrenten wie „DocMorris“  wegen der in Deutschland nach wie vor geltenden Preisbindung benachteiligt werden. Der EuGH hat also nicht für gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Arzneimittelmarkt gesorgt, sondern sogar neue Wettbewerbsverzerrungen produziert. Sein Urteil ist ein Versuch, nationale Preisregulierungen in einem Markt auszuhebeln, der aus guten Gründen nicht der Steuerung durch die EU-Behörden unterworfen wurde. Diese Anmaßung ist der eigentliche Skandal dieses Urteils. Man darf gespannt sein, wie die Bundesregierung darauf reagiert.

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