Kompetenzen zurück an die Mitgliedstaaten – welche eigentlich?
Der Vorsitzende der Europäischen Kommission fordert zu einer "ehrlichen und umfassende Debatte" zur Zukunft der EU auf. Ein Debattenbeitrag von Martin Höpner.
Mit dem am 1. März vorgelegten „Weißbuch zur Zukunft Europas“ (hier) vermeidet die Europäische Kommission eine Festlegung auf ein Reformkonzept und umschifft so die Gefahr, im Vorfeld des EU-Gipfels in Rom und der 60-Jahr-Feiern zu den Römischen Verträgen Angriffsfläche zu zeigen. Strategische Absicht hin oder her – inhaltlich kann man das neue Weißbuch und die darin vorgenommene Unterscheidung von Entwicklungsszenarien nur begrüßen.
So deutlich haben wir das von der Kommission noch nicht gehört: „Mehr Europa“ ist nicht alternativlos. Szenarien, die die Rückverlagerung ausgewählter Befugnisse an die Mitgliedstaaten umfassen (im Weißbuch: die Szenarien 2 und 4), gehören genauso auf die Agenda der dringend notwendigen Debatte wie die Optionen „Weiter wie bisher“ (Szenario 1) und „Viel mehr gemeinsames Handeln“ (Szenario 5). Dasselbe gilt für die Möglichkeit, mehr gemeinsames Handeln je nach Themenfeld auf ausgewählte Ländergruppen zu beschränken (Szenario 3). In einer Debatte, in der Alternativen zur umfassenden Zentralisierung der EU mit tabuisierenden Zuschreibungen der Marke „Nationalismus“ belegt werden – wer sich etwa an den gewerkschaftlichen oder sozialdemokratischen EU-Debatten beteiligt, weiß, wovon ich spreche –, ist das ein großer Fortschritt.
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