Lohndumping unter dem Schutz des Europarechts
Der Europäische Gerichtshof kann es einfach nicht lassen. Er will sich nicht damit abfinden, dass die Politik das Prinzip der gleichen Behandlung gleicher Arbeit am gleichen Ort durchzusetzen versucht. Speziell passt ihm nicht, dass der europäische und die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber Unternehmen daran hindern, Lohndumping mittels „regime shopping“ zu betreiben. Und er tut was dagegen.
Bei der transnationalen Arbeitnehmerentsendung bringen entsandte Beschäftigte das Arbeitsrecht ihres Herkunftslands in das Empfängerland mit. Das birgt die Gefahr des strategischen regime shoppings. Dem Lohndumping wären Tür und Tor geöffnet, könnten sich Arbeitgeber aussuchen, welches Arbeitsrecht und welches Lohnniveau für welche Gruppen von Beschäftigten an einem Arbeitsort, etwa einer Baustelle, gelten sollen. Um diese Gefahr zu begrenzen, verabschiedete der europäische Gesetzgeber im Jahr 1996 die Entsenderichtlinie. In Artikel 3 (Absatz 1) listet sie Schutzbestimmungen wie beispielsweise Mindestlohnsätze sowie Höchstarbeitszeiten auf, bei denen nicht das Herkunftslandprinzip, sondern dass Bestimmungslandprinzip gelten muss. Hier ist das Empfängerland zur Anwendung seines Arbeitsrechts verpflichtet.
Zudem fügte der europäische Gesetzgeber der Entsenderichtlinie Auslegungshilfen zu, darunter den Erwägungsgrund 17, der aussagt, dass die Regelungen der Anwendung von aus Arbeitnehmersicht günstigeren (also strikteren) Schutzvorschriften nicht entgegenstehen dürfen. In einer Anzahl umstrittener Entscheidungen legte der EuGH die Entsenderichtlinie seit 2007 aber entgegen des Erwägungsgrunds aus und urteilte, dass die in Artikel 3 aufgelisteten Mindestbedingungen gleichzeitig die Höchstbedingungen sind, die vom Empfängerland auf Entsandte maximal übertragen werden dürfen.
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