Warum der Liberalismus illiberal und intolerant geworden ist
Der Illiberalismus wird gemeinhin mit rechtsgerichteten autoritären oder populistischen Bewegungen in Verbindung gebracht. Doch zuweilen nimmt der Liberalismus selbst eine illiberale Wendung.
Aktivismus statt Forschung und Debatte, Zensur und Diffamierung - die anti-universalistischen Impulse, die die Identitätspolitik antreiben und das angloamerikanische Hochschulwesen vor sich hertreiben, sind in den letzten Jahren immer stärker geworden. Nun hat das um sich greifende Phänomen einige liberale Akademiker und Kommentatoren dazu genötigt, sich mit einer gänzlich anderen Form des Illiberalismus zu beschäftigen als jene, die man sonst gerne benennt: statt mit einem Illiberalismus rechtsautoritäter Prägung hat man es mit einem "schleichenden Illiberalismus" von der anderen Seite zu tun, der sich mehr und mehr auf dem Universitätsgelände ausbreitet. Doch obwohl auch dieses Phänomen zu Recht als illiberal wahrgenommen wird, zögerte man bisher, seine Beziehung zu den zeitgenössischen Formen des Liberalismus zu erläutern.
Die verblüffende Tatsache, dass Personen, die sich selbst als Liberale verstehen, zunehmend der Unterdrückung abweichender Standpunkte zustimmen, deutet darauf hin, dass der Illiberalismus keineswegs auf die autoritäre oder populistische Rechte beschränkt ist. Die Historikerin Helena Rosenblatt weist in ihrer Erörterung der Geschichte des Illiberalismus darauf hin, dass diejenigen, die diese Entwicklung begrüßen, wahrscheinlich selbst Feinde des Liberalismus sind, weil sie "behaupten, dass der Liberalismus selbst illiberal ist oder zumindest illiberale Haltungen und Praktiken hervorbringt".
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