Ein bescheidener Neujahreswunsch

Ab 2025 keine Traktor-Demonstrationen mehr

| 07. Januar 2025
IMAGO / Achille Abboud

Landwirte haben eine unangemessen hohe Demonstrationsmacht, weil sie mit ihren Treckern kommen können. Das wird auch noch steuerlich subventioniert. Diese unangemessene Bevorzugung kann man aber leicht ändern.

Natürlich gäbe es für das neue Jahr vieles an politischer Verbesserung zu wünschen. Aber realistisch im Sinne von ‚bei etwas guten Willen möglich‘ sind wenige. Hier will ich einen solchen formulieren. Anlass der Überlegung war ein Revue-passieren-lassen von 2024 in der Sylvesterzeit. Und dabei kamen auch die Bauernproteste zu Beginn des Jahres wieder in Erinnerung, die sogar etwas früher, nämlich Mitte Dezember 2023, ihren Anfang nahmen. Begonnen hatte das bekanntlich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im November, die Übertragung der Corona-Kreditermächtigungen auf andere Zwecke zu untersagen.

Aufgrund der misslichen Lage einer nun aufgetretenen milliardenschweren Deckungslücke schon im nächsten im Haushalt beschloss die Regierung eine Reihe von Sparmaßnahmen. Zwei davon betrafen auch die Landwirtschaft. Zum einen sollte der bisher steuerbefreite Agrardiesel jetzt der normalen Besteuerung unterworfen werden. Zum anderen plante man, dass auch die ausschließlich in der Landwirtschaft (hier immer einschließlich der Forstwirtschaft verstanden) benutzten Fahrzeuge in Zukunft die normale Kraftfahrzeugsteuer zu entrichten haben. Bis dato waren sie davon befreit.

Der Abbau beider Subventionen für diese Branche hätte dazu beitragen sollen, die sehr schwierige Haushaltslage des Bundes ein wenig zu entspannen. In der Summe waren die geplanten Kürzungen bescheiden: für 2024 rechnet man mit Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer von 485 Millionen, beim Agrardiesel von 440 Millionen Euro. Zusammen bleibt das also bei unter 1 Milliarde Euro. Zum Vergleich: der Umsatz der Branche liegt bei gut 65 Milliarden Euro. Und ein Durchschnittsbetrieb im Haupterwerb hatte, wie dann in Folge der Diskussion um die Proteste herauskam, einen Gewinn von immerhin 115.400 Euro erzielt, eine ordentliche Verbesserung gegenüber der Zeit zuvor.

Deshalb hatten viele wohl nicht mit der Wucht der Demonstrationen Ende 2023/Anfang 2024 gerechnet, wobei den Bauern natürlich half, dass Winter war und auf den Höfen jahreszeitlich wenig zu tun. Und immer waren Traktoren und andere Zugmaschinen bei den Aktionen dabei. Eine (nach eigener Aussage unvollständige) Auflistung nennt nur für 2023 folgende Demonstrationen:

  • 12.2023 Schweinfurt: 75 Traktoren
  • 12.2023 Berlin: 1.500 Traktoren
  • 12.2023 Freiburg: 300 Traktoren
  • 12.2023 Leipzig: 300 Traktoren
  • 12.2023 Chemnitz: ‚zahlreiche Traktoren‘ blockierten Innenstadtring
  • 12.2023 Bad Kreuznach: 400 Traktoren
  • 12.2023 Rheinhessen: 300 Traktoren blockierten 20 Autobahnauffahrten.

Die mediale Macht der Maschinen

Ohne ihre wuchtigen Trecker hätten die Landwirte sehr viel weniger Aufmerksamkeit erfahren. Zu der oben angeführten Zentralkundgebung in Berlin, zu der der Deutsche Bauernverband aufgerufen hatte, wurden neben den 1.500 Traktoren nur 6.600 Menschen gezählt. Für die Hauptstadt ist das zwar nicht schlecht, aber auch nicht aufregend viel. Eine Auswertung von ‚Frag den Staat‘ über das Berliner Demonstrationsgeschehen ergab etwa, dass im gleichen Jahr der dem Bauernverband sicher gar nicht genehme Aufzug ‚Wir haben es satt – Demonstration für eine soziale und ökologische Agrarpolitik und gesundes Essen für alle‘ mit laut der Polizei 10.000 Teilnehmern den Subventionsprotesten in Punkto Größe locker den Rang ablief.

Wenn im Folgenden für eine Erschwerung der Zulassung von Traktoren und ähnlichen Maschinen für politische Demonstrationen argumentiert wird, dann bedeutet das keine Stellungnahme dazu, ob die Beschwer der Bauern berechtigt war oder nicht. Sondern es ist ein Plädoyer für die Herstellung von Demonstrationsgerechtigkeit. Erzieherinnen oder Mindestlohnbezieher etwa könnten sich zu Tausenden und Zehntausenden versammeln. Ob sie damit ausführlich in die Nachrichten kommen, und ob Politiker geneigt sind, ihre Anliegen wohlwollend zu bedenken, ist wenig sicher. Wer dagegen mit schwerem Gerät anrückt, dem ist die mediale Aufmerksamkeit gewiss und die Durchsetzung zumindest eines Teils der Forderungen nicht unwahrscheinlich. Und die mit Traktorenmacht dürfen auch noch auf nachsichtige Behandlung durch Gerichte bei Verkehrsblockaden rechnen, ein großer Unterschied zur juristischen Behandlung der ‚Letzten Generation‘ bei vergleichbaren Vorgängen.

Grün und schwarz

Wie kann man diese demokratische Ungleichheit abbauen? Eigentlich geht das sehr einfach, indem man nämlich den Tatbestand nutzt, dass die Traktoren als politisches Druckinstrument weiter steuerlich bevorzugt werden (die Subvention beim Agrardiesel wird dagegen schrittweise abgebaut). Demonstrationen mit Treckern sind also im Kern öffentlich subventioniert. Technisch gesehen fahren sie mit grünen Kennzeichen und bleiben somit von der Kfz-Steuer befreit. Der Erhalt eines grünen Kennzeichens unterliegt aber im Prinzip strengen Regeln. So heißt es beim dafür zuständigen Zoll (Fettdruck durch diesen): „Steuerbefreit ist das Halten der nachfolgend aufgeführten Fahrzeugarten, sofern diese ausschließlich zu begünstigten land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden.“

Diese Zwecke beinhalten einige kleinere, vernünftige und wohldefinierte Erweiterungen, etwa Feuerwehreinsätze, Brauchtumsfahrten, Altmaterialsammlungen. Alles andere gehört aber nicht dazu. Wieder der Zoll: „Steuerbefreite land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge dürfen nicht zu privaten oder anderen nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden. Beispiele für nicht steuerbegünstigte Zwecke sind:

  • Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen zur Durchführung von privaten Einkäufen oder für private Gefälligkeitstransporte, z.B. Beförderung von Baumaterial für Nichtlandwirte.“

Mein bescheidener Neujahrswunsch ist, dass diese Liste von nicht-direkt-landwirtschaftlichen Aktivitäten in den entsprechenden Gesetzes- und Ausführungstexten explizit erweitert wird durch ‚Teilnahme an politischen Manifestationen wie Demonstrationen, Verkehrsblockaden etc.‘. Das hätte die Wirkung, dass die Bereitschaft, mit Treckern zu demonstrieren, rapide abnähme. Natürlich gäbe es vermutlich eine Handvoll von Landwirten, die auch das in Kauf nähmen bzw. einfach ein teureres schwarzes Nummernschild beantragten. Aber letztlich würden die allermeisten eine kühle Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen. Und kämen zu dem Ergebnis, dass das richtig teuer werden könnte:

  • Wer dabei erwischt wird, mit dem günstigen grünem Kennzeichen - und wie will man verhindern, dass man mit diesen langsamen Fahrzeugen fotografiert oder polizeilich protokolliert wird? – an einer dann explizit als nicht-landwirtschaftlich klassifizierte Aktivität teilzunehmen, muss für eine beschränkte Zeit Kfz-Steuer nachzahlen. Heute ist das ein Monat im Minimum, das könnte man aber auch beim Tatbestand der Teilnahme an politischen Veranstaltungen zeitlich ausdehnen. Außerdem wäre dann mit weiterem Aufwand für diese Periode das grüne in ein schwarzes Nummernschild zu tauschen.
  • Ein schwarzes Nummernschild bedeutet auch eine Hochstufung in der Versicherung. Diese wird unter anderem nach ‚Wagniskennziffern‘ berechnet. Und da haben grüne und schwarze Nummernschilder bei Traktoren etc. wegen der differenten Wahrscheinlichkeit, mit anderen Verkehrsteilnehmern zu kollidieren, unterschiedliche Ansätze.
  • Schließlich ist die Verwendung eines Fahrzeugs mit begünstigtem grünem Kennzeichen zu anderen Zwecken Steuerhinterziehung, mit entsprechenden Folgen wie Bußgelder, Punkten in Flensburg etc. Um dies zu unterstreichen, könnte die Verwendung einer landwirtschaftlichen Maschine zu politischen Zwecken künftig mit einer empfindlichen Mindestbusse von zum Beispiel 1.000 Euro angesetzt werden.

Nur ein Wunsch?

Natürlich läuft eine solche Überlegung gerade jetzt scheinbar direkt gegen den Zeitgeist. So will etwa die mit der Landwirtschaft eng verbandelte CDU/CSU sogar den beschlossenen schrittweisen Ausstieg aus der Agrardiesel-Subvention wieder rückgängig machen und es ist diese Parteiengruppierung, die voraussichtlich den nächsten Kanzler stellen wird. Aber: wenn etwas die nächste Regierung definieren wird, dann sind es extrem knappe Kassen. Und man wird auch den wenig sinkenden CO2-Ausstoß der Agrarbranche nicht ewig ignorieren können, will man Klimapolitik weiter realistisch betreiben.

Da wäre es vielleicht selbst für Konservative doch hilfreich, wenn nicht jede, selbst kleinere Einsparung oder andere sinnvolle Maßnahme im Agrarbereich, etwa zum Gewässerschutz, gleich mit Trecker-Demonstrationen beantwortet werden würden. Und legt man die Beschlussfassung und Umsetzung der hier vorgeschlagenen Verschärfungen beim grünen Kennzeichen intelligenterweise in das Sommerhalbjahr, wo die Landwirtschaft und ihre Maschinen alle Hände bzw. Motoren voll zu tun haben, dann hätte man ganz gute Chancen, dass diese Änderungen im Kleingedruckten diesmal wenig Aufstand auf den Straßen provozierten.