Interview

Steve Keen: „Ich erwarte einen ‚Klima-Minsky-Moment‘.“

| 16. Januar 2025
IMAGO / Xinhua

Am 20. Januar wird Donald Trump der 47. Präsident der USA. Seine wirtschaftspolitischen Ankündigungen sorgen weltweit für Irritationen und Unsicherheit. Steve Keen spricht über die Ursachen und möglichen Folgen des trump‘schen Triumphs in der größten Volkswirtschaft der Welt.

Herr Professor Keen, viele sagen, dass der Sieg Donald Trumps eine Gegenreaktion auf das liberale Establishment war, das sich mehr mit woker Identitätspolitik als mit den Nöten der breiten Masse beschäftigt habe. Wirtschaftliche Indikatoren wie der Gini-Index zeigen, dass in den USA die Ungleichheit seit langem steigt. Auch wenn es 2022 und 2023 unter Biden einen leichten Rückgang gab, hat sich die Situation der meisten Amerikaner kaum verbessert. Was glauben Sie, sind die Hauptgründe für Trumps Wiederwahl?

Das Establishment untergräbt die Interessen der amerikanischen Arbeitnehmer schon seit 40 Jahren. Als China in den 1980er-Jahren seine Industrialisierung begann, wurden amerikanische Unternehmen ermutigt, ihre Produktion dorthin zu verlagern. Die Gewinnspannen waren enorm, weil die Löhne in China drastisch niedriger waren – chinesische Arbeiter erhielten 15 Dollar pro Woche statt 15 Dollar pro Stunde. Diese Verlagerung führte auch zu einem Technologietransfer, da US-Unternehmen, die in China aktiv waren, ihre Technologien mit lokalen Partnern teilen mussten. Für die Unternehmen war dies trotz des Verlustes an Eigentumsrechten attraktiv, da sie die Arbeitskosten massiv senken konnten.

… auf Kosten der amerikanischen Arbeiter.

Die amerikanische Arbeiterklasse hat dieser Prozess schwer getroffen. Die Reallöhne stagnieren seit Mitte der 1970er-Jahre, und stabile Arbeitsplätze in der Industrie wurden durch unsichere Tätigkeiten in der Gig-Economy ersetzt. Gleichzeitig wandten sich die Demokraten – traditionell die Partei der Arbeiter – der Wall Street zu. Sie vernachlässigten die Belange der Arbeiterklasse, setzten auf Unternehmensinteressen und argumentierten, dass günstigere Waren aus China allen zugutekämen. Doch viele Familien, besonders jene mit niedrigem Einkommen, hatten Mühe, mit den steigenden Lebenshaltungskosten Schritt zu halten.

Hinzu kam, dass die Demokraten den Kontakt zur Arbeiterklasse verloren. Sie wirkten oft abgehoben und vertrauten auf Prominente und elitäre Stimmen wie Britney Spears, die etwa behauptete, Kamala Harris würde eine großartige Präsidentin abgeben. Dies unterstrich für viele, wie weit die Partei von den realen Sorgen der Menschen entfernt schien.

Was Trump zugutekam.

Ja, Trump nutzte diese Frustration und positionierte sich als Vertreter der Arbeiterklasse. Ich halte ihn zwar für einen Hochstapler mit einer fragwürdigen Bilanz als Unternehmer, aber er verstand es, die Wut der Menschen für sich zu nutzen. Schon 2016 warfen die Wähler symbolisch eine „menschliche Handgranate“ nach Washington, um das Establishment zu erschüttern. 2024 war das Muster ähnlich: Die Inflation übertraf die Löhne, und trotz niedriger Arbeitslosigkeit lasteten die steigenden Preise schwer auf den Menschen. Die Demokraten konzentrierten sich darauf, Trumps Vorstrafenregister anzugreifen, was ihn in den Augen vieler noch mehr wie einen Anti-Establishment-Rebellen erscheinen ließ.

Trump hat den Hedgefondsmanager Scott Bessent als Finanzminister nominiert, der als pragmatische Stimme gilt und Trumps Wirtschaftspolitik möglicherweise mäßigen könnte. Glauben Sie, dass Trump seine Haltung zu Handelskriegen und Zöllen ändern wird?

Es ist durchaus möglich, dass Trump weiterhin auf Zölle setzt, wie er es schon in seiner ersten Amtszeit tat. Die breite Ablehnung von Zöllen gründet vor allem auf herkömmlichen wirtschaftlichen Theorien, die Freihandel und Spezialisierung nahezu religiös verherrlichen. Diese Theorien gehen jedoch oft von unrealistischen Annahmen aus – etwa, dass Ressourcen wie Arbeit oder Kapital problemlos von einem Sektor in einen anderen verlagert werden können – und schlussendlich in ihrer „produktivsten“ Verwendung enden. Diese Sichtweise ignoriert die tatsächlichen Kosten und Schwierigkeiten solcher Verlagerungen.

Haben Sie Beispiele?

Kapital ist meist branchenspezifisch, und die Verlagerung teuer und komplex – man kann nicht auf magische Weise einen Hochofen in eine Halbleiterfabrik umwandeln. Ebenso können Arbeitnehmer nicht einfach umgeschult und nahtlos in neuen Branchen eingesetzt werden. Das herkömmliche wirtschaftliche Denken ignoriert diese Zwänge, aber sie sind entscheidend. Wenn Industrien aufgrund gesunkener Zölle dem Wettbewerb ausgesetzt sind, schrumpfen die betroffenen Sektoren häufig, wobei die Investitionen versiegen und die Ausrüstung praktisch wertlos wird.

Mit anderen Worten, Trump liegt nicht völlig falsch, wenn er auf Zölle setzt?

Wenn Zölle Unternehmen dazu veranlassen, im Inland zu investieren – etwa indem sie die Produktion in die USA zurückholen, anstatt sie nach China oder in andere Länder auszulagern –, können sie positive Effekte haben, ja. Historisch setzten viele erfolgreiche Volkswirtschaften zunächst auf Handelsbarrieren, um ihre Industrien aufzubauen, bevor sie sich dem Freihandel öffneten. Auch die USA verfolgten im 18. und 19. Jahrhundert diese Strategie.

„Trumps Rhetorik, die amerikanische Industrie wiederzubeleben, spricht insbesondere diejenigen an, die sich von der Globalisierung im Stich gelassen fühlen.“

Trumps Rhetorik, die amerikanische Industrie wiederzubeleben, spricht insbesondere diejenigen an, die sich von der Globalisierung im Stich gelassen fühlen. Aber Zölle allein reichen nicht. Sie müssen konkrete Investitionen in die heimische Wirtschaft auslösen.

Kann Trumps Politik dem "Rust Belt" tatsächlich helfen und die Industrieproduktion wieder ankurbeln?

Trumps Maßnahmen könnten Branchen wie die Stahl- und Halbleiterindustrie durchaus stärken, doch die Ergebnisse werden wahrscheinlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die Kapazitäten der US-Stahlproduktion sind heute viel geringer als in der Blütezeit des Rust Belts. Zwar ist eine funktionierende Stahlindustrie wichtig für die Wirtschaft, aber aufgrund der Automatisierung wird sie bei weitem nicht mehr so viele Arbeitsplätze schaffen wie früher. In den letzten 40 Jahren hat sich der Bedarf an Arbeitskräften im verarbeitenden Gewerbe drastisch verringert. Auch wenn die Arbeitslosigkeit also nicht wesentlich zurückgehen wird, könnte zumindest die lokale technologische Entwicklung profitieren.

Ein großes Hindernis ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften in den USA. Tim Cook von Apple hat einmal gesagt, dass alle qualifizierten Werkzeugingenieure Amerikas in einen Sitzungssaal passen würden, während man in China ein Stadion bräuchte. Dieser Rückgang ist auf die Vernachlässigung von Ausbildungsprogrammen und Lehrstellen zurückzuführen, was den Wiederaufbau der Industrien erschwert.

„Angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel wird eine lokale Produktion immer wichtiger.“

Neue Technologien wie die additive Fertigung (zum Beispiel 3D-Drucker) könnten diese Herausforderungen teilweise mildern. Außerdem sind die USA in Sektoren wie Elektrofahrzeuge und Raumfahrt bereits führend und haben ihre Fähigkeit zur Innovation in neuen Bereichen unter Beweis gestellt. Angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel wird eine lokale Produktion immer wichtiger, da lange Lieferketten anfällig sind – das hat uns die COVID-19-Pandemie deutlich vor Augen geführt.

Trumps Ziele, die heimische Industrie zu stärken, sind sinnvoll. Aber die entscheidende Frage bleibt, ob er diese Vision tatsächlich umsetzen kann.

Auch Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Mittelständler und Industrieunternehmen investieren vermehrt im Ausland, besonders in den USA und China. Angesichts Deutschlands starker Exportorientierung – 10 Prozent der deutschen Exporte gingen 2023 in die USA, bei den EU-Exporten betrug dieser Anteil sogar knapp 20 Prozent –, wie wird sich eine zweite Amtszeit Trumps auf Deutschland und Europa auswirken?

Deutschland steckt in einer schwierigen Lage, die vor allem durch die hohen Energiekosten verschärft wird. Einige sogenannte Experten hatten prognostiziert, dass die Abschaltung der russischen Energieversorgung kaum Auswirkungen auf das BIP haben würde, aber die Realität hat das Gegenteil bewiesen. Die Energiesituation hat die Industrie stark belastet und die bestehenden Probleme verschärft.

Vor allem die deutsche Autoindustrie ist betroffen – Volkswagen schließt erstmals Werke.

Die Automobilindustrie, lange das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, ist tatsächlich zunehmend bedroht. Früher galt Deutschland, gemeinsam mit Italien, als führend in der Herstellung leistungsstarker Fahrzeuge. Doch die USA haben mit Tesla und China mit Marken wie BYD bei Elektrofahrzeugen enorme Fortschritte gemacht. Deutsche Industrievertreter waren kürzlich bei einem Besuch in China von der Qualität chinesischer Fahrzeuge überwältigt und mussten eingestehen: "Wir haben den Anschluss verloren."

Welche Rolle spielt hierbei die EU als Wirtschaftszone?

Abgesehen von industriellen Fragen hat der Vertrag von Maastricht der Eurozone strenge fiskalische Beschränkungen auferlegt, insbesondere mit dem „Wachstums- und Stabilitätspakt“, was ironischerweise genau zum Gegenteil geführt hat. Das Festhalten Deutschlands an diesen starren Regeln hat seine wirtschaftliche Flexibilität weiter untergraben. Das Land, das lange Zeit von Exportüberschüssen und niedrigen Löhnen profitiert hat, muss nun feststellen, dass dieses Modell nicht mehr funktioniert.

„Deutschland und Europa stehen ohne grundlegende Reformen vor einem schleichenden industriellen Niedergang.“

Andere Länder wie Italien, die früher von einer Währungsabwertung profitierten, um die Inflation auszugleichen und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte zu erhalten, wurden zusätzlich durch den Euro stark benachteiligt. Ohne die Möglichkeit, die Wechselkurse anzupassen oder größere Haushaltsdefizite zu machen, stecken diese Volkswirtschaften fest und sind nicht in der Lage, ihre frühere Dynamik wiederzuerlangen. Deutschland und Europa stehen ohne grundlegende Reformen vor einem schleichenden industriellen Niedergang. Die Einführung nationaler Währungen oder ein zentrales europäisches Finanzministerium könnten Lösungen sein, aber angesichts der politischen Uneinigkeit in Europa erscheinen diese Schritte unwahrscheinlich.

Die mögliche Rückkehr von Trump und seine Zölle könnte die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen weiter belasten und Europa weiter schwächen.

Was haben die Vereinigten Staaten besser gemacht? Um 2000 herum war das Pro-Kopf-Einkommen in den USA, Deutschland, Italien und Spanien noch vergleichbar. Heute ist es in den USA fast doppelt so hoch.

Der Hauptunterschied liegt darin, dass die USA eine nationale Währung und einen einheitlichen Binnenmarkt haben. Der gemeinsame Europäische Markt sollte etwas Ähnliches erreichen, um europäischen Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene zu ermöglichen. Diese Idee war grundsätzlich sinnvoll, doch die Einführung des Euro und die Beschränkungen des Maastrichter Vertrags haben sie untergraben. Diese Maßnahmen haben die Fähigkeit zur Schaffung von staatlichem Geld eingeschränkt, wodurch das Wirtschaftswachstum zunehmend auf private Verschuldung angewiesen war.

Spanien ist ein gutes Beispiel: Zunächst erlebte das Land unter dem Euro einen Aufschwung, da die Staatsverschuldung niedrig war und die private Kreditaufnahme – vor allem für den Wohnungsbau – stark anstieg. Diese Kreditblase trieb das Wachstum an, brach aber während der Finanzkrise zusammen und zeigte, wie fragil es ist, nur auf private Kredite zu setzen.

„Die Wahrheit ist, dass die USA schneller gewachsen sind, weil sie im Gegensatz zu den EU-Staaten Währungssouverän sind.“

Im Gegensatz dazu konnten die USA trotz Krisen wie 2007 oder der COVID-19-Pandemie die Wirtschaft mit frischem Geld zu stützen. Europa hingegen war durch das Eurosystem eingeschränkt und konnte diese Flexibilität nicht nutzen.

Die größere geldpolitische Freiheit in den USA hat auch zur Innovation beigetragen. Europa war früher eine treibende Kraft bei Innovationen – Deutschland und Italien bei hochentwickelten Industriegütern, Frankreich im Bereich Energie und Transport. Heute hat sich diese Rolle auf die USA und China verlagert, während Europa zurückfällt. Die Wahrheit ist, dass die USA schneller gewachsen sind, weil sie im Gegensatz zu den EU-Staaten Währungssouverän sind.

Sie haben die Rolle der Staatsausgaben bereits angesprochen. Was halten Sie von den Plänen zum Defizitabbau und der Einrichtung eines „Department for Government Efficiency“ (DOGE), mit dem die Republikaner durch drastische Kürzungen bei den Staatsbediensteten Milliarden einsparen wollen?

Das Hauptproblem bei Trumps Plänen zum Defizitabbau liegt in einem falschen Verständnis der Geldschöpfung – und das könnte katastrophal sein. Die Vorstellung, die Regierung müsse sich Geld von anderen Sektoren leihen, basiert auf einer fehlerhaften Annahme, dass Staatsausgaben nur durch Ersparnisse gedeckt werden können, als ob Banken nur Vermittler wären. In Wirklichkeit schaffen Banken Geld, indem sie Kredite vergeben, und staatliche Defizite sind ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft.

Würde die Regierung wie vorgeschlagen 2 Billionen Dollar streichen – etwa 10 Prozent des US-BIP –, hätte das verheerende Folgen. Das BIP würde um mindestens 7 Prozent sinken, die Nachfrage zusammenbrechen und die Wirtschaft stagnieren. Ohne staatliche Defizite wäre die Wirtschaft rein auf private Verschuldung angewiesen, was zu Instabilität führen würde.

Ist also nichts dran an der Kritik an einem aufgeblähten und ineffizienten Staatssektor?

Es gibt natürlich Spielraum für die Beseitigung von Ineffizienzen im öffentlichen Sektor. Das habe ich auch in meiner Zeit in der australischen Regierung gesehen. Doch die Annahme, dass ein Abbau des Defizits die finanzielle Stabilität sicherstellt, ist völlig falsch. Wenn die Regierung Anleihen ausgibt und Zinsen zahlt, fördert sie damit die Wirtschaft, indem sie der Wirtschaft Geld zuführt. Auch wenn ich der Meinung bin, dass Wall Street davon zu viel Geld erhält und Reformen notwendig sind, wäre es wirtschaftlich katastrophal, Defizite zu kürzen, aus Angst vor einem „Staatsbankrott“.

Auch ein anderes Risiko ist ebenso erwähnenswert: Durch den „Red Sweep“ hat Trump viele Befugnisse und Macht erlangt. Würde er eine radikale Kürzung der Staatsausgaben durchführen, könnte das dazu führen, dass hochrangige Bürokraten, die kurz vor der Pensionierung stehen, sofort gehen. Dadurch würde der Regierung wertvolles institutionelles Wissen verloren gehen und weniger erfahrene Mitarbeiter blieben zurück.

„Die Annahme, dass ein Abbau des Defizits die finanzielle Stabilität sicherstellt, ist völlig falsch.“

Wir haben ähnliche Auswirkungen in der Privatwirtschaft bei feindlichen Übernahmen gesehen, wo leitende Angestellte das Unternehmen verlassen und was zuvor als aufgeblähte Organisation galt, schnell dysfunktional wird. Ein Beispiel: Die Abschaffung von Agenturen wie der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die für Wettervorhersagen zuständig ist, könnte katastrophale Folgen haben. Ohne die NOAA würden Warnungen vor Hurrikanen ausbleiben, was vor allem Staaten wie North Carolina enorm schaden würde.

Das größere Problem ist, dass die Versuche, die Regierung „effizienter“ zu machen, ungewollt ihre Funktionsfähigkeit gefährden könnten. Und während Trumps Berater wie Elon Musk möglicherweise hoffen, seine Kürzungsstrategie von Twitter zu wiederholen, sind Regierungssysteme mit viel stärkeren rechtlichen und institutionellen Hindernissen konfrontiert. Wenn Trump und das DOGE extreme Kürzungen durchsetzen, könnte das genau die Krise auslösen, die sie zu vermeiden hoffen.

Apropos Wall Street – Neoliberale argumentieren oft, dass der riesige Finanzsektor Kapital effizient verteilt und so Innovation und Wohlstand fördert. Was ist Ihre Meinung dazu?

Der Finanzsektor ist viel zu groß geworden und hat sich von seinem ursprünglichen Zweck entfernt – nämlich Kapital für produktive Investitionen bereitzustellen. Vor einem Jahrhundert bezeichnete Marx die Finanzelite als „roving Cavaliers of credit“ – parasitäre Akteure, die zeitweise den industriellen Sektor beherrschen, ohne die Produktion zu verstehen oder zu fördern. Diese Kritik ist heute noch aktueller als damals.

Anstatt der Realwirtschaft zu dienen, hat sich der Finanzsektor zunehmend zu einem Spekulationskasino entwickelt. Ein Beispiel ist die Subprime-Hypothekenkrise 2007: Die Wall Street blähte eine riesige Blase auf, die mit ihrem Platzen schließlich die gesamte Weltwirtschaft ins Wanken brachte. Noch schlimmer: Die Regierung rettete den Finanzsektor und sicherte damit dessen Dominanz, während die private Verschuldung weiter anstieg.

„Die übermäßige Abhängigkeit von privater Verschuldung ist einer der Hauptgründe, warum die Weltwirtschaft nach wie vor so anfällig ist.“

Diese übermäßige Abhängigkeit von privater Verschuldung ist einer der Hauptgründe, warum die Weltwirtschaft nach wie vor so anfällig ist. In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften liegt die private Verschuldung heute bei etwa 150 Prozent des BIP. In den 1950er und 60er Jahren, als die private Verschuldung deutlich geringer war, war das System wesentlich stabiler und konnte das Wachstum effektiv ankurbeln. Heute jedoch führt das Streben des Finanzsektors nach kurzfristigen Gewinnen zu dauerhafter Instabilität.

Um dieses Problem zu lösen, müsste der Finanzsektor drastisch verkleinert und die private Verschuldung auf ein Drittel des aktuellen Niveaus reduziert werden. Doch angesichts der Macht der Finanzinstitute sind solche Reformen kaum durchsetzbar. So stecken wir in einer „Kasinowirtschaft“ fest.

Sie hatten bereits die Finanzkrise von 2008 korrekt vorhergesagt. Wo stehen wir jetzt im Minsky-Zyklus?

Ich glaube nicht, dass die nächste große Krise direkt aus dem Finanzsektor kommen wird. Stattdessen erwarte ich einen „Klima-Minsky-Moment“ im nächsten Jahrzehnt, der durch die massive Unterschätzung der Klimarisiken ausgelöst wird. Ökonomen wie William Nordhaus haben diese Risiken mit fehlerhaften Modellen abgewertet und dadurch die Vermögenswerte aufgebläht. Wenn der Finanzsektor die weitreichende Bedrohung durch den Klimawandel erst einmal realisiert, werden diese Vermögenswerte zusammenbrechen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wahrscheinlich noch in diesem Jahrzehnt, bis Ereignisse wie extreme Hitzewellen, massive Ernteausfälle oder zerstörerische Stürme uns mit der Realität konfrontieren. Versicherungsgesellschaften könnten in solchen Fällen die Deckung ganzer Regionen zurückziehen, was den Wert von Immobilien in Florida oder von Industrien in Taiwan zerstören würde.

Was durch die hohe private Verschuldung besonders brisant wäre…

Ja, wenn der Wert von Vermögenswerten sinkt, werden viele Unternehmen und Haushalte zahlungsunfähig, da sie ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Die Regierungen werden gezwungen sein, mit massiver Geldschöpfung einzugreifen, um einen vollständigen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern.

„… das wird die größte Finanzkrise der Geschichte des Kapitalismus sein.“

Die Folgen dieser Krise werden beispiellos sein. Kapital, welches zerstört wird oder nicht mehr benutzt werden kann, verliert seinen Wert, ganze Sektoren müssen umstrukturiert werden – das wird die größte Finanzkrise der Geschichte des Kapitalismus sein – diesmal nicht aufgrund interner Instabilität, sondern weil das Finanzsystem die Folgen des Klimawandels ignoriert hat. Trumps Fokus auf fossile Brennstoffe und der Ausstieg aus dem Pariser Abkommen verschärfen das Problem.

Eine letzte Frage: Gibt es laufende Projekte von Ihnen? Wie und wo kann man Sie finden?

Ich bin nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch Softwareentwickler und habe ein Softwarepaket namens Ravel entwickelt. Es ist eine Alternative zu herkömmlichen Tabellenkalkulationen und eine leistungsfähigere Möglichkeit, Daten zu analysieren – vor allem für jene, die Pivot-Tabellen einschüchternd finden. Ursprünglich habe ich es entwickelt, um das Geldsystem zu modellieren, und diese Fähigkeit hat es immer noch. Jetzt stelle ich es über mein Patreon zur Verfügung. Ich ermutige jeden, Ravel auszuprobieren, da es die Art und Weise, wie wir Daten analysieren, wirklich revolutioniert.

Steve Keen ist auf Substack unter und Patreon zu finden, wo er Podcasts, Videos und Artikel als Open Access unter freiwilliger finanzieller Unterstützung anbietet.