Warum Chinas saubere Energie keine US-Zölle fürchten muss
Chinas Solar- und Elektrotechnologien sind wenig anfällig für die Zölle der Trump-Regierung. Sie könnten sogar die globale Energiewende beschleunigen.
Alternative Energietechnologien sind dank der starken Nachfrage im In- und Ausland zu einer wichtigen Wachstumsquelle chinesischer Exporte geworden. Das gilt insbesondere für die „neuen Drei“: Solarenergie, Batterien und Elektrofahrzeuge. Doch mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trumps ist es damit vorbei – oder doch nicht?
Die mediale und politische Aufmerksamkeit richtet sich zurzeit auf die möglichen Zölle der USA und der EU auf Chinas sogenannte Cleantech-Exporte, die – so die Annahme – der Branche einen schweren Schlag versetzen könnten. Was diese Prognose allerdings ausklammert: die Hälfte aller chinesischen Exporte von Solar- und Windkraftanlagen sowie Elektrofahrzeugen gehen heute in den globalen Süden, wie aus den Daten von UN Comtrade hervorgeht. Mit anderen Worten: Schwellen- und Entwicklungsländer haben den größten Teil des jüngsten Wachstums des chinesischen Exportvolumens verursacht.
2024 übertraf der Wert der exportierten Elektrofahrzeuge aus China in den globalen Süden erstmals den Wert der Exporte in die EU. Während die chinesischen Exporte in die Industrieländer zurückgingen, wuchsen die Exporte in die Schwellenländer stark. Und bereits seit 2015 sind die Länder des globalen Südens der größte Importeur chinesischer Solar- und Windkraftanlagen. Der Abstand zur EU vergrößerte sich 2023, als das Volumen der Solarimporte aus China im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft um 70 Prozent anstieg.
USA: Für Chinas „Cleantech“ nur eine Fußnote
Solarenergie und andere alternative Energien haben sich in den letzten zehn Jahren weltweit verbreitet. Zwischen 2010 und 2015 wurden 70 Prozent der Solar- und 50 Prozent der weltweiten Windkraftanlagen noch in den entwickelten Volkswirtschaften installiert. Bis 2023 waren diese Anteile auf knapp über 20 Prozent gesunken.
Die USA machen heute nur noch 7 Prozent des Weltmarktes für neu installierte Solarkraftwerke aus. Die Europäische Union und die USA zusammen kommen auf weniger als 20 Prozent.
Da die USA schon seit langem Zölle auf Importe aus China erheben, stammt der größte Teil des Angebots aus „Cleantech“ ohnehin bereits von anderen Herstellern. Verglichen mit den 15 Prozent der Gesamtexporte Chinas sind die Exporte von Solar- und Windkraftanlagen sowie Elektrofahrzeugen in die USA niedrig: sie betragen nur 4 Prozent.
Das bedeutet, dass Chinas „Cleantech“-Exporte viel weniger von den USA im Besonderen und den westlichen Märkten im Allgemeinen abhängig sind als die chinesische Exportindustrie insgesamt. In einem Markt, in dem das Verkaufsvolumen in diesem Jahr um 30 Prozent wächst, sind die USA eine Fußnote.
Während der Großteil der Exporte von Solar-, Wind- und Elektrofahrzeugen bereits in den globalen Süden geht, dominieren die USA und die EU den Import von Batterien. Dabei handelt es sich um Vorleistungen für die Fahrzeugproduktion und andere Fertigungsstätten. Sie mit hohen Zöllen ins Visier zu nehmen, würde der lokalen Fertigung in den Vereinigten Staaten und Europa schaden.
Exporte in den globalen Süden boomen
Diese sinkende Abhängigkeit von den Industrieländern ist also darauf zurückzuführen, dass der chinesische Boom der „Cleantech“-Produktion den schnellen Einsatz von Solar-, Wind- und Elektrofahrzeugen in den Entwicklungsländern beschleunigt hat. Rund 47 Prozent der chinesischen Exporte dieser Produkte gingen im Jahr 2024 in den globalen Süden – ein Rekord und zum ersten Mal nahe an den Exporten in die Industrieländer.
Anders gelesen: Von 2021 bis 2024 waren 70 Prozent des Wachstums der chinesischen Exporte von Solar-, Wind- und Elektrofahrzeugen auf die Schwellen- und Entwicklungsländer zurückzuführen, wobei sieben der zehn wichtigsten Wachstumsmärkte im globalen Süden liegen.
Beispiele sind der Solarboom in Südafrika und Pakistan sowie das starke Wachstum in Brasilien und Thailand. Letztere gehören zugleich zu den fünf größten Importeuren von Elektrofahrzeugen. Die fünf größten Importeure von Windkrafttechnologie aus China sind allesamt Entwicklungsländer – Südafrika, Ägypten, Chile, Brasilien und Usbekistan. Genauso die fünf größten Wachstumsmärkte für Solarenergie: Saudi-Arabien, Pakistan, Indien, Indonesien und wieder Usbekistan.
Analysten gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt. Schwellen- und Entwicklungsländer werden bis 2030 einen Marktanteil von 70 Prozent bei Solar-PV und 60 Prozent bei Wind und Batteriespeichern haben, so der World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur.
Die Märkte in den USA und anderen Industrieländern sind bei Elektrofahrzeugen aufgrund des hohen Besitzes von Privatfahrzeugen von größerer Bedeutung. In Szenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sinkt jedoch der Anteil der USA und der EU an den weltweiten Investitionen in den elektrifizierten Verkehr von fast 50 Prozent im Jahr 2022 auf 36 Prozent im Jahr 2035, wobei zwei Drittel des Marktwachstums von außerhalb dieser beiden Regionen kommen. Sollte die Politik von Donald Trump die Elektrifizierung des Verkehrssektors in den USA verlangsamen, wird die Bedeutung dieser Märkte weiter schwinden.
Chinas zunehmende Bemühungen um eine Ausweitung der Kreditvergabe und Zusammenarbeit im Bereich der alternativen Energie werden auch die Nachfrage aus dem globalen Süden ankurbeln. Beispiele dafür sind die kürzlich angekündigten neuen Abkommen über erneuerbare Energie mit Indonesien, die verstärkte Finanzierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien wie in Afrika und Zentralasien und der steigende Anteil erneuerbarer Energien an Projekten im Rahmen der Belt and Road Initiative.
Entkopplung: Nur begrenzte Auswirkungen auf Chinas „Cleantech“-Industrie
Die chinesische Dominanz bei alternativen Energien hat einige große Volkswirtschaften dazu veranlasst, zu versuchen, ihre Lieferketten zu diversifizieren oder davon abzukoppeln. Die USA und Indien haben sich dazu verpflichtet, ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Aber diese beiden Märkte haben noch einen sehr langen Weg vor sich, um ihre eigene Nachfrage zu befriedigen, ohne auf das ostasiatische Land angewiesen zu sein.
So reicht beispielsweise die Produktionskapazität für Solaranlagen in der Welt außerhalb Chinas kaum aus, um den US-Markt zu bedienen. Heißt, für andere Käufer gibt es kaum Möglichkeiten, auf nicht-chinesische Lieferungen umzusteigen. Indien baut eine beträchtliche Menge an Produktionskapazitäten für Solarzellen und -module aus, aber der Kapazitätszuwachs beim wichtigsten vorgelagerten Input, Polysilizium, ist wesentlich bescheidener.
Selbst wenn die USA und Indien ihre eigenen Lieferketten für Solarenergie aufbauen, werden die Auswirkungen auf Chinas „Cleantech“-Industrie begrenzt sein. Die Strategie der beiden Länder beruht auf hohen Zöllen, um die heimische Produktion zu schützen. Das bedeutet aber, dass ihre Produzenten nicht in der Lage sein werden, im Ausland zu konkurrieren.
Anders als die USA und Indien schwankt die EU zwischen widersprüchlichen Impulsen. Die EU braucht alternative Energietechnologien, um die Klimaziele zu erreichen, die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu verringern und die Energiepreise zu senken. Zwar ist auch die EU besorgt über die Abhängigkeit von China, aber weder hat sie den industriepolitischen Rahmen, um das Problem anzugehen, noch kann sie mit den Volumen der US-Investitionen mithalten.
Die Insolvenz des schwedischen Batterieherstellers Northvolt, der als Europas Batterie-Champion für Elektrofahrzeuge galt, hätte das nicht deutlicher machen können. Die Industrie- und Lieferkettenpolitik, die erforderlich ist, um die Abhängigkeit der EU von „Cleantech“-Importen aus China zu verringern, könnte sich noch entwickeln. Aber die EU kann es sich kaum leisten, den Einsatz alternativer Energie während des langen Zeitraums zu verlangsamen, den eine solche Politik benötigen würde, um Ergebnisse zu erzielen.
Während andere große Volkswirtschaften auf Diversifizierung setzen, kann Peking wenig klagen. Es hat seinen eigenen heimischen „Cleantech“-Markt – bei weitem den größten der Welt – weitgehend abgeschirmt.
Interessant ist, wie das geschehen ist. Zölle erhöhen die Kosten für die anvisierten Technologien und haben daher das Potenzial, die Energiewende zu verlangsamen. China hat zwar Handelsbarrieren eingesetzt, aber der Schwerpunkt lag auf der Unterstützung und Subventionierung des inländischen Angebots an „Cleantech“, wodurch die Preise gesenkt und die Einführung nicht nur in China, sondern weltweit beschleunigt wurden.
China hat ein starkes Eigeninteresse an der globalen Energiewende
Angesichts der geringen Bedeutung des US-Marktes für Chinas alternative Energieindustrie bestünde das einzige wirkliche Risiko für die Branche, wenn es der Trump-Regierung gelänge, die globalen Klimaschutzmaßnahmen zu verlangsamen. Zwar sind die USA direkt nach dem Amtsantritt Trumps aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Doch wird die Einführung neuer Energie eher von der Wirtschaft als von altruistischen globalen Zielen bestimmt.
Und angesichts der wichtigen Rolle, die neue Energietechnologien für die Wirtschaft und die Exporte Chinas spielen, hat das Land ein starkes Interesse daran, dass sich die globale Energiewende weiter beschleunigt. Dies wird sich in der bilateralen Kreditvergabe und Diplomatie zeigen und könnte das Land auch dazu veranlassen, in den multilateralen Klimaverhandlungen eine zukunftsorientiertere Position einzunehmen.
Der Artikel erschien ursprünglich auf dialogue.earth und wurde ins Deutsche übersetzt.