Editorial

Es könnte alles schlimmer sein

| 26. Januar 2021
istock.com/Ruslan Lytvyn

Liebe Leserinnen und Leser,

es könnte immer alles schlimmer sein. Und es wäre schlimmer gekommen, viel schlimmer, wenn die Staaten in der Corona-Pandemie nicht mit massiven Ausgaben und Konjunkturpaketen gegensteuern würden. Allein das neue Hilfspaket, das der künftige Präsident Joe Biden jüngst in den USA ankündigte, umfasst Sage und Schreibe 1,9 Billionen Dollar.

Auch die EZB hat reagiert und ihr Anleihekaufprogramm um weitere 500 Milliarden Euro aufgestockt. Das Volumen der Geldspritze für die gebeutelte europäische Wirtschaft wird damit von 1,35 auf 1,85 Billionen Euro ausgeweitet. Damit dürfte die EZB auch im kommenden Jahr faktisch die gesamten Haushaltsdefizite der Euro-Länder finanzieren.

»Eine (Schein)-Welt steht Kopf«

»Eine (Schein)-Welt steht Kopf«, der Titel von Joachim Nanninga trifft es: Die Geschichten über die Gefahren der Staatsverschuldungen sind Teil eines Weltbildes, das angesichts dieser astronomisch anmutenden Zahlen aus den Fugen gerät. Und tatsächlich sind die ökonomischen Erschütterungen infolge der Pandemie mit der starken Ausweitung der Staatsverschuldung begleitet von einer Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung in arm und reich. Doch dabei handelt es sich um einen Vorgang in der Gegenwart, nicht um eine Kostentransformation von einer Generation zur nächsten.

Doch Apologeten, deren Lehren an Glaubwürdigkeit verlieren, können umso lauter werden. Und die Mahnungen ob steigender Staatsschulden – allein die Staatsverschuldung Deutschlands summierte sich im Jahr 2019 auf 1.188,6 Milliarden Euro – und üppiger Geldspritzen von Zentralbanken reißen nicht ab. Man fürchtet die »Unendlichkeit des Geldes«, wie etwa Paul Steinhardt in seinem »Genial daneben« zu berichten weiß. Sicher, auf der Bilanz der EZB befinden sich inzwischen fast ein Viertel der Staatsschulden der Euroländer und eine Bilanzsumme in Höhe von 6,53 Billionen Euro sind kein Pappenstiel. Richtig ist auch, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein muss. Denn tatsächlich verfügt die EZB über unendlich viel Geld.

Was aber ist schlecht daran, wenn die EZB die Haushaltdefizite der Euro-Länder finanziert? Was ist nicht in Ordnung, wenn im Zusammenhang mit der Finanzierung von Staatsausgaben, die »Finanzmärkte sediert bleiben«? Die problematischen Aspekte der unkonventionellen Geldpolitik der EZB liegen ganz woanders, also von den Mahnern vermutet, findet Steinhardt.

Die Inflation, die einfach nicht kommt

Sicher jedenfalls ist, eine Inflation droht uns nicht. Das zeigt nicht nur die aktuelle Preisentwicklung, die sich schon seit Monaten weit unter der Zielinflationslinie der EZB befindet. Wie könnte es auch anders sein, wenn zum Beispiel die Kurzarbeit die Reallöhne in Deutschland seit zwei Quartalen sinken lässt? Nein, auch in der Geschichte, in der einige Parallelen zur heutigen Politik der EZB zu finden sind, lassen sich Hinweise finden, die die Inflationstheorie der herrschenden Wirtschaftslehre in Frage stellen, wie Joachim Geffers zeigt.

Dass »mehr Geld« nicht notwendig zu einer Inflation führt, belegt etwa die Finanzierung des Aufbaus der Kriegswirtschaft durch die Nazis. Da sie den Staatshaushalt nicht über zusätzliche Schuldenaufnahme belasten wollten, schufen sie einen Schattenhaushalt. Über eine eigens dafür gegründete Kreditanstalt (Mefo) gaben sie Einlöseversprechen für Wechsel, die von den Herstellern der Kriegsgeräte ausgestellt wurden.

Diese Schuldverschreibungen des Staates wurden üppig verzinst und die Unternehmen hatten nur bedingt Interesse, diese in staatliches Geld zu konvertieren, weil ihnen die staatliche Garantie reichte. Die Schuldverschreibungen fungierten aber dennoch als weit verbreitetes Zahlungsmittel. Mit den Mefo-Wechseln kam es also zu einer immensen Ausweitung der Geldmenge, aber zu keiner Inflation.

Warum dieser Exkurs zur Finanzpolitik der Nazis? Natürlich soll die Geldschöpfung der Nazis zum Aufbau der Kriegswirtschaft nicht als leuchtendes Beispiel für die Eurozone dienen. Er zeigt nur, dass die indirekte Finanzierung von Staatshaushalten durch die EZB keineswegs notwendig in einer Hyperinflation münden wird. 

Um wieder mit den USA zu schließen: Trotz der enormen schuldenfinanzierten staatlichen Ausgaben kommt es auch hier zu keiner Inflation, obwohl die Geldmengenerhöhung zumindest seit der Wirtschaftskrise 2008 dazu geführt hat, dass diese sich längst vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt hat.