Der lange Atem
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen in einer neuen Woche. Seit Carl von Clausewitz wissen wir: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Doch welche Mittel hat die EU, um die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter erfolgreich zu unterstützen? Nicht nur gerät die ausgeblutete ukrainische Armee mehr und mehr in die Defensive. Auch in den EU-Ländern bröckelt der Zusammenhalt – das zeigen nicht zuletzt die Differenzen zwischen Paris und Berlin sowie der Streit um die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus.
Die Sanktionen gegen Russland sind vor allem für Deutschland ein Desaster: Insgesamt 110 Milliarden Euro musste die Bundesregierung seitdem für Kohle, Öl und Gas mehraufwenden. Energiebeschaffung und die Energiepreise sind zu einer geopolitischen Schlüsselfrage, die deutsche Wirtschaft zum Sorgenkind Europas geworden. Doch auch für andere ehemals stark von russischem Gas abhängige Länder waren die sanktionsbedingten Ausfälle eine deutliche Wachstumsbremse und ein Preistreiber mit sozialem Sprengstoff.
Das breit angelegte Rüstungsprogramm der EU-Kommission, die Brüsseler „Zeitenwende“, zeichnet sich – wie viele Projekte der EU-Kommission – durch widersprüchliche Interessen und Ziele aus. Und als wäre das alles nicht schon genug, konstatiert der Politikwissenschaftler Carlo Massala in einem Nachwort zur besagten „Zeitenwende“, dass die Durchsetzungsfähigkeit des Westens mit den USA an der Spitze beständig sinke.
Diese und weitere Themen finden Sie in unserer neuen Ausgabe:
- Wie der Wirtschaftskrieg zum Desaster wurde Die Sanktionen schaden Deutschland mehr als Russland. Der Boykott russischer Energieimporte ist nicht nur lückenhaft. Insgesamt 110 Milliarden Euro musste die Bundesregierung seitdem für Kohle, Öl und Gas mehraufwenden. Franz Garnreiter
- Verlorene Jahre oder anhaltende Stabilität? Die EU-Staaten driften wirtschaftlich immer weiter auseinander. Die europäische Wirtschafts- und Umweltpolitik steht in der neuen Legislaturperiode vor entsprechend großen Aufgaben. Roland Pauli
- Machtkampf um Rüstung und Verteidigung Die EU-Kommission hat erstmals ein breit angelegtes Rüstungsprogramm vorgelegt. Es soll Europa unabhängiger von den USA machen und der Kriegswirtschaft in Russland etwas entgegensetzen. Doch die Ziele sind widersprüchlich, die Mittel fragwürdig. Sogar die rechtliche Basis ist umstritten. Eric Bonse
- "Weltunordnung": Die Natur von Macht Wie die realistische Theorie auf die internationale Politik blickt: Von Illusionen, Macht und Ordnungen in Carlo Masalas Buch „Weltunordnung“. Werner Polster
- Updates zur Konjunktur – 3 Immer deutlicher wird: Die deutsche Wirtschaft kommt auch 2024 nicht in Tritt. Offen bleibt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die Redaktion
- Im Paket die Revolution des Geldsystems Der französische Ökonom Bruno Théret will die Währungsunion demokratisieren und den Einfluss des Finanzmarktes auf die Geldpolitik verringern. Helfen soll eine Komplementwährung. Franz Schneider
- Mit K.-o.-Tropfen zur globalen Gerechtigkeit Rawls gilt als bedeutendster Vertreter des Liberalismus im 20. Jahrhundert. Obwohl er selbst gegen den Kosmopolitismus argumentierte, hat sein Schüler Charles Beitz dessen Gesellschaftsvertrag auf die gesamte Menschheit ausgedehnt. Armin Groh
- Misswirtschaft durch Privatisierung Die Wirtschaftspresse fordert im Einklang mit FDP und CDU die Privatisierung von Sozialleistungen. Sie wollen „Misswirtschaft“ im Sozialstaat eindämmen, fördern aber Ressourcenverschwendung. Hartmut Reiners