John Maynard Keynes

Auf lange Sicht sind wir alle tot?

| 15. Mai 2025
IMAGO / United Archives International

Die gängigen Lesarten seines Ausspruchs „Auf lange Sicht sind wir alle tot“ haben Keynes‘ Denken völlig verkannt. Keynes ging es nicht darum, die Auseinandersetzung mit der Zukunft und ihren Möglichkeiten zu diskreditieren, sondern um eine Kritik von Zukunftsvorstellungen, die lediglich die Gegenwart extrapolieren.

„Auf lange Sicht sind wir alle tot.“ Einst als geistreiche Bemerkung verstanden, wird dieser Satz von John Maynard Keynes heute oft als Slogan gelesen, der die Quintessenz des gesamten Werks beinhaltet. Interessanterweise gehen die Deutungen des Zitats dabei weit auseinander. Häufig verraten sie mehr über die Interpreten als über Keynes selbst.

Beispielsweise ziehen insbesondere Keynes‘ konservative Kritiker den Ausspruch immer wieder als Beleg für dessen mutmaßliche Gleichgültigkeit gegenüber der Zukunft heran. Dies mündet in unterschiedlichen Varianten des Vorwurfs, keynesianische Schulden- und Ausgabenpolitik ginge zulasten künftiger Generationen. Dabei sind verächtliche Anspielungen auf die sexuelle Orientierung des kinderlosen Ökonomen in der Regel nicht weit.

Andere lesen aus dem Satz einen Aufruf, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Keynes erscheint in dieser Lesart als Krisenretter, der uns mahnt, unsere Herausforderungen in der Gegenwart anzugehen. In diesem Zusammenhang behaupteten sogar einige seiner geneigtesten Leser, darunter sein Biograf Robert Skidelsky, dass Keynes „kaum Interesse“ an der Zukunft gezeigt habe. Wie Skidelsky in seiner gefeierten Biografie schrieb: „Keynes‘ Gleichgültigkeit gegenüber Langzeitperspektiven kulminiert in seiner berühmten Bemerkung: ‚Auf lange Sicht sind wir alle tot.‘“[1]  

Mir geht es nicht um den Nachweis, dass Keynes sich sehr wohl für die Zukunft interessiert hat. Das sollte offenkundig sein. Stattdessen möchte ich ausgehend von seinem missverstandenen Bonmot Grundzüge seines politischen Denkens über die Zeit vorstellen. Die sprichwörtliche lange Sicht auf die Dinge ist heute nicht zuletzt im Kontext der Klimapolitik wieder einmal höchst umkämpft, wobei der Keynesianismus hier einerseits als Inbegriff der Großen Beschleunigung, andererseits – in Gestalt des Grünen Keynesianismus – aber auch als Retter in der Not gilt. 

Beginnen wir mit der scheinbaren Ungereimtheit zwischen Keynes‘ Bemerkung über die unlebendige Zukunft und einem anderen, weitaus weniger bekannten Zitat von ihm: „Auf lange Sicht ist beinahe alles möglich“. Dies schrieb Keynes in seinem Artikel How Much Does Finance Matter?, der 1942 in der BBC-Zeitschrift The Listener erschien und der den Wiederaufbau Großbritanniens nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert. „Habt keine Angst vor großen und mutigen Vorhaben. Wir brauchen weitreichende, bedeutende Pläne, dürfen die Sache aber nicht überstürzen.“[2] Es kommt nicht von ungefähr, dass dieser Text eine weitere berühmte Sentenz enthält, der zufolge wir „alles, was wir tatsächlich tun können, uns auch leisten können.“

Zwischen der Behauptung unendlicher Zukunftsmöglichkeiten und der bekannteren Äußerung scheint ein Widerspruch zu bestehen. Zumindest ist nicht hinreichend klar, wie diese beiden Aussagen über die Zukunft zusammenpassen. So schließt Zachary Carter seine Keynes-Biographie, indem er die beiden Sätze einfach aneinanderreiht[3]

„Trotz allem finden wir immer wieder zu Keynes zurück – und das nicht nur, weil Haushaltsdefizite anhaltendes Wachstum ermöglichen, oder die Zinsrate von der Liquiditätspräferenz bestimmt wird, sondern weil wir im Hier und Jetzt der Zukunft ins Auge blicken müssen. Auf lange Sicht sind wir alle tot. Aber auf lange Sicht ist beinahe alles möglich.“ 

Doch wie ist das Verhältnis dieser beiden Sätze genau zu verstehen? Wie kann auf lange Sicht überhaupt irgendetwas möglich sein, wenn wir alle tot sind? Hat Keynes seine Meinung in der Zwischenzeit geändert? Müssen wir Zukunft vielleicht im Plural denken? Und wer ist mit diesem „wir“ eigentlich gemeint? 

Angst und Hoffnung 

Geoff Mann hat den „Keynesianismus“ kürzlich in einem brillanten Buch als eine besondere Ausprägung des Liberalismus zur Rettung der Zivilisation rekonstruiert.[4] Im Zuge dessen hat er eine der interessantesten Interpretationen von Keynes‘ Äußerungen über die lange Sicht vorgelegt.

Charakteristisch für den Keynesianismus ist demnach eine eigentümliche Kombination von „existenzieller Angst“ und „grenzenlosem Optimismus“.[5] „Dafür ist es entscheidend“, so Mann resümierend, „das Verhältnis von Glückseligkeit und Katastrophe zu begreifen.“[6] Wie Mann herausstellt, treibt gerade das scheinbar grenzenlose Potenzial der Zivilisation das Entsetzen über ihren möglichen Zusammenbruch hervor, was eine liberale Dialektik von Angst und Hoffnung freisetzt. Diese Koexistenz von Angst und Erwartung zeigt sich am prägnantesten in einer geschärften Aufmerksamkeit für die Krisen der Gegenwart, wie Mann erläutert[7]:

„Man könnte mithin über den liberalen Kapitalismus sagen, dass er zwar auf lange Sicht tot, auf kurze aber keynesianisch sei. In den Krisenmomenten des liberalen Kapitalismus kehrt der Keynesianismus notwendig zurück, da er ein Gespür dafür hat, die Krise zu erkennen und als eine Lage oder Zustand zu fassen, die keinesfalls tatenlos hingenommen werden darf.“

Der Geist des Keynesianismus wird hier ausgezeichnet getroffen. Doch indem Mann von Keynes zum Keynesianismus übergeht, verschiebt er den Akzent bewusst von der Unsicherheit zur Sorge, von Fragen der Temporalität zu solchen der Psychologie. Manns Analyse des keynesianischen Bewusstseins, das Rationalitätsgläubigkeit und Zukunftsangst in sich vereint, legt den Fokus auf die affektive Gestimmtheit der politischen Ökonomie und schließt damit auf ergiebige Weise an Raymond Williams‘ Konzept der „Gefühlsstrukturen“ an.

Bekanntermaßen interessierte sich Keynes sehr für Psychologie und insbesondere für Sigmund Freud, der eine tiefe Spur in seinem ökonomischen Werk hinterlassen hat. Gleichwohl bietet die Psychologie weder den einzigen, noch den notwendigerweise fruchtbarsten Zugang zu diesen Fragen. Daher schlage ich im Folgenden eine zeittheoretische Perspektive vor. 

Zweckmäßigkeit und zeitliche Opfer

Keynes’ Aussagen zur Zukunft liegt eine langjährige Beschäftigung mit dem Denken Edmund Burkes zugrunde. Diese Auseinandersetzung reicht biografisch weit zurück. Keynes war bereits stolzer Besitzer einer Burke-Werkausgabe, als er sein Studium am Cambridger King’s College antrat. Als Student gab er dann bei einem Debattierwettbewerb Burkes Rede über die East India Bill in einem historischen Kostüm zum Besten. 

Das greifbarste Resultat von Keynes’ Burke-Studien war eine hundertseitige Abhandlung mit dem Titel The Political Doctrines of Edmund Burke (1904), die bis zum heutigen Tage unveröffentlicht geblieben ist.[8] In seiner Abhandlung zeigt Keynes, dass Burke trotz augenscheinlich wechselnder politischer Positionen im Kern eine „konsistente und kohärente politische Theorie“ vertrat. Der Text war in einem von Burke selbst inspirierten Stil abgefasst, der für viele spätere Arbeiten Keynes‘ kennzeichnend werden sollte. Aufrichtige Bewunderung und energische Kritik durchringen sich in diesem Versuch, Burkes philosophische und politische Prinzipien in ihren historischen Entstehungs- und Anwendungskontexten nachzuvollziehen.    

Besonders eingenommen war Keynes von Burkes Überzeugung, Politik sei ein Mittel zur Verwirklichung höherer Zwecke. Konkret schlug sich dies in Keynes‘ hoher Gewichtung der Zweckmäßigkeit oder Zweckdienlichkeit aus – er verwendet in seiner Abhandlung abwechselnd die Formulierungen expediency und expedience. „Unter den Maximen und Grundsätzen der Regierungskunst“, resümierte Keynes ein für ihn essentielles politisches Anliegen Burkes, „muss die Zweckmäßigkeit an erster Stelle stehen.“

Entscheidend ist daran, dass Keynes‘ philosophische Wertschätzung der politischen Zweckmäßigkeit ihn zutiefst skeptisch gegenüber der Vorstellung werden ließ, dass die Aussicht auf ein ungewisses Wohl in der Zukunft die Inkaufnahme gegenwärtiger Übel rechtfertigt. Bezugnehmend auf Burkes Argumentation in dessen Appeal from the New to the Old Whigs (1791) erläuterte Keynes, dass Burke „durchgehend darauf besteht, dass es die oberste Pflicht der Regierungen und Politiker sei, für das gegenwärtige Wohl der ihnen anvertrauten Gemeinschaft zu arbeiten, anstatt für die Zukunft übermäßig ins Risiko zu gehen; das ist nicht ihre Aufgabe, denn sie übersteigt ihre Kräfte.“

Keynes hielt Burkes Scheu, nachteilige Maßnahmen für die Gegenwart im Namen zukünftiger Vorteile zu ergreifen, für ein empfehlenswertes politisches Prinzip. „Unsere Vorhersagekraft ist so schwach, unser Wissen über entfernte Handlungskonsequenzen so unsicher, dass es selten ratsam ist, einen aktuellen Nutzen für einen fragwürdigen Vorteil in der Zukunft aufzugeben.“ Es war somit nur in Ausnahmefällen legitim, bestehenden Wohlstand für das angebliche Heil einer weit entfernten Zukunft opfern. 

Diese Skepsis gegenüber zwischenzeitlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen beruhte auf zwei allgemeineren Überlegungen. Erstens und grundlegend seien alle Folgen für die Zukunft unabsehbar und jeder Versuch, Fortschritte durch Opfer herbeizuführen, mit einem beträchtlichem Risiko verbunden. Der Vorbehalt gegenüber zwischenzeitlichen Trade-offs stützte sich somit nicht auf das moralphilosophische Argument, zukünftige Generationen seien weniger wert, sondern vielmehr auf die eigentümliche Unvorhersehbarkeit der Zukunft. Es gelte schlichtweg, dass „wir nie so viel wissen können, dass das Risiko dazu im Verhältnis steht.“

Der zweite, eng damit verbundene Punkt, betrifft die Transitionskosten. Keynes zufolge „reicht es nicht aus, dass der angestrebte Zustand vorteilhafter als der bisherige ist; er muss es auch in einem Ausmaß sein, dass er für die Übergangswehen entschädigt.“ Auch wenn Burke diesen Grundsatz in Keynes‘ Augen bisweilen „überstrapaziert“ hat, „besitzt er durchaus einen wahren Kern.“ Festgehalten werden kann somit, dass Keynes im Rahmen seiner Burke-Abhandlung das erste Mal der vermeintlichen Vergeblichkeit der langen Sicht auf die Dinge nachging, die sich rund zwanzig Jahre später in seinem berühmten Ausspruch niederschlagen sollte.

Gegen die Naturalisierung der Zukunft

Werfen wir nun einen Blick auf das Textumfeld von Keynes‘ Spruch „Auf lange Sicht sind wir alle tot“. Die Wendung taucht zuerst in seinem Buch A Tract on Monetary Reform auf, das im Dezember 1923 erschienen ist. Genauer gesagt fallen die Worte im dritten Kapitel über „Die Theorie vom Geld und den Wechselkursen“ im Rahmen einer technischen Diskussion über die Quantitätstheorie des Geldes, die einen direkten Zusammenhang zwischen der umlaufenden Geldmenge und dem Preisniveau behauptet. Keynes beginnt mit einer Definition der Quantitätstheorie und formuliert anschließend ein Gedankenexperiment mit einer Verdopplung der Menge umlaufender Zahlungsmittel (n)[9]:

„[D]ie [Quantitäts-]Theorie [ist] öfters unter der weiteren Voraussetzung vertreten worden, daß eine Veränderung in der Menge der Währung an sich die Größen k, r und k‘ nicht beeinflussen könne – das heißt, mathematisch ausgedrückt, daß n eine unabhängige Variable in Bezug auf diese Größen sei. Daraus würde folgen, daß eine willkürliche Verdopplung von n, – da ja eben angenommen wird, daß sie von sich aus kr und k‘ unbeinflußt lasse, – die Wirkung haben müßte, p doppelt so groß zu machen, wie es sonst gewesen wäre. Die Quantitätstheorie wird oft in dieser oder ähnlicher Form aufgestellt.“

An dieser Stelle unterbricht Keynes seine trockenen und technischen Erläuterungen plötzlich, um in einem anklagenden, poetischen Tonfall fortzufahren. „Nun ist das ‚auf lange Sicht‘ wahrscheinlich richtig“, kommentiert er die Behauptungen der Quantitätstheoretiker[10]:

„Aber die lange Sicht ist ein schlechter Führer in Bezug auf die laufenden Dinge. Auf lange Sicht sind wir alle tot. Die Ökonomen machen es sich zu leicht und entwerten damit ihre Aufgabe, wenn sie in stürmischen Zeiten uns nur sagen können, daß, nachdem der Sturm lange vorüber ist, der Ozean wieder ruhig sein wird.“

Achten wir genau darauf, was hier passiert. Keynes übernimmt die burkesche Kritik an den revolutionären französischen Heilslehren des 18. Jahrhunderts und verwandelt sie in ein theoretisches Argument gegen die Gleichgewichtsanalysen der neoklassischen Ökonomie. Keynes gab dieser Kritik in den Folgejahren eine explizit politische Stoßrichtung und wandte sich so gegen den Austeritätskurs, der aus jenen neoklassischen Analysen abgeleitet wurde.

Keynes wies mit Vergnügen darauf hin, dass die orthodoxen Ökonomen (zu denen vor nicht allzu langer Zeit er selbst auch gehörte), die in der Zwischenkriegszeit Sparmaßnahmen auf der Grundlage der langfristigen Extrapolationen der neoklassischen Ökonomie forderten, ironischerweise die französischen Revolutionäre widerspiegelten, indem sie gegenwärtige Opfer im Namen vermeintlicher Vorteile in der Zukunft forderten. Die wirtschaftliche Sparsamkeit opferte die Gegenwart auf dem Altar einer ungewissen Zukunft. Paradoxerweise basierte also die Wirtschaftspolitik der Konservativen Partei laut Keynes auf einer jakobinischen Geschichtsphilosophie.

Doch damit nicht genug. Man beachte auch, dass Keynes sich in diesem Abschnitt auf einen bestimmten imaginären Zeitraum bezieht: „this long run“. Im folgenden Satz ist „in the long run“ bezeichnenderweise kursiv gesetzt, womit Keynes eine Distanz zu diesem Zeitraum anzeigt. Es geht hier also nicht um irgendein oder langfristiges Denken überhaupt, sondern um eine bestimmte Haltung gegenüber der Zukunft. Entscheidend ist, dass die Zukunft für Keynes nicht auf „diese lange Sicht“ reduziert werden kann.

Seine Kritik richtete sich also nur gegen die spezifische Zukunftsvorstellung der neoklassischen Ökonomie, die sowohl von der Gegenwart als auch von der noch offenen Zukunft abstrahierte. Dieser Reduktionismus verdanke sich einer Naturalisierung aufgrund der spezifisch neoklassischen Annahme, auf lange Sicht werde die Wirtschaft endlich ihren „natürlichen“ Gleichgewichtszustand finden. 

Keynes formulierte dagegen drei Einwände. Der erste und wichtigste lautet, dass die „lange Sicht“ der neoklassischen Ökonomie zeitlich zu unbestimmt ist. Es sei nicht auszumachen, ob es dabei um zwölf Monate oder sieben Jahre geht. Es habe vielmehr den Anschein, als sei der Begriff absichtlich vage, um solchen Fragen auszuweichen. Zweitens verfahre die fragwürdige Suche der Neoklassik nach einem dauerhaften natürlichen Gleichgewicht in der Zukunft methodisch zu abstrakt. Keynes kam immer wieder auf diesen Punkt zurück, indem er etwa Thomas Malthus‘ ökonomische Theoriebildung im Ausgang von der „wirklichen Welt“ den Vorzug gegenüber David Ricardos abstrakterem Ansatz gab.[11] Da die Zukunft der Menschheit von hochgradig unvorhersehbaren Entwicklungen abhinge, führe es mit Sicherheit in die Irre, eine gerade Linie von der Gegenwart in die Zukunft zu ziehen.

Drittens folgerte Keynes, dass die neoklassische Ökonomie mit ihrer abstrakten Langzeitsicht eine Zukunft ohne Politik entwerfe. Selbst wenn ein Gleichgewichtszustand möglich wäre – was Keynes schließlich bezweifeln sollte – und irgendwann einmal sogar verwirklicht würde: „diese lange Sicht“ legt eine sträfliche Ignoranz gegenüber den damit verbundenen Transitionskosten, der entsprechenden Lastenverteilung und den Folgen für die politische Legitimität an den Tag.         

Welchen Sinn hat die beruhigende Aussicht auf ein Gleichgewicht am fernen Horizont, wenn das Schiff der Gesellschaft lange entzweibrechen wird, bevor es die rettende Küste erreicht? Das neoklassische Mantra des langfristigen Gleichgewichts zeugt somit von einer gewissen Passivität, die der Politik entsagt und sich den Naturkräften unterwirft. Keynes sah darin nicht nur eine mangelhafte Analyse, sondern auch ein Zeichen politischer Abgestumpftheit. 

Er verabschiedete sich darum von der naturalisierenden Suche nach langfristigen Gleichgewichten, um dem offenen Charakter der Zukunft Rechnung zu tragen. Die Anerkennung politischer Zukunftsmöglichkeiten stellte alle linearen Vorstellungen von „der langen Sicht“ oder „der Zukunft“ im Singular infrage. Gerade weil diese unbekannten Zukünfte nicht aus Naturvorgängen, sondern aus politischen Debatten und Auseinandersetzungen hervorgingen, sei es außerdem entscheidend, sich im Hier und Jetzt mit Fragen der politischen Legitimität zu befassen. Dies ist jedoch gerade kein Beleg für eine kurzsichtige Gegenwartsobsession, sondern zeugt von der Erkenntnis, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft politisch ineinander verschränkt sind.

Zukunftsmöglichkeiten

Keynes’ Kritik an der neoklassischen Zukunftsvorstellung hatte eine Reihe unmittelbarer Konsequenzen. Zunächst machte sie erforderlich, deutlich mehr als bislang über den Zusammenhang von gegenwärtigen Handlungen und noch nicht existierenden Zukunftsmöglichkeiten nachzudenken. Die Zurückweisung einer naturalisierten Zukunftsvorstellung machte zudem auch eine Beschäftigung mit den nunmehr geweiteten Möglichkeitsspielräumen in der Zukunft nötig.

Keynes’ Interesse an alternativen Zukunftsvorstellungen manifestierte sich dann in seinem prominenten Essay aus dem Jahr 1930: Economic Possibilities for our Grandchildren (dt. Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder). Bekanntlich hat Keynes in diesem Essay das Bild einer fernen Zukunft entworfen, wie sie etwa 100 Jahre nach der Abfassungszeit desselben sein würde. Dies ermöglichte Keynes darüber zu spekulieren, wie veränderte ökonomische Bedingungen sich auf die Lebensweise der Menschen auswirken könnten. Er fragte sich, welche moralischen und politischen Herausforderungen damit einhergehen würden, wenn die Menschen in der Zukunft wesentlich mehr Freizeit genießen konnten. 

Bisweilen wird Keynes‘ Vision einer Gesellschaft des materiellen Überflusses auf den Versuch reduziert, während der Great Depression Zuversicht zu stiften. Die verbreitete fachökonomische Lesart konzentriert sich derweil auf Keynes‘ vermeintlich grandios gescheiterte Prophezeiung, ein steigendes Produktivitätsniveau führe notwendigerweise zu einer stetigen Ausdehnung der Freizeit.[12]

Für Geoff Mann hingegen sieht Keynes‘ Vision wie eine nicht ernstzunehmende, aber dennoch gescheiterte Vorhersage aus. Er interpretiert sie als eine Spielart des „bürgerlichen Utopismus“.[13] So identifiziert Mann im Keynesianismus nicht nur einen Fortschrittsbegriff, der die Zukunft als bruchlose Fortsetzung der Gegenwart begreift, er befürchtet auch, dass die Aussicht auf eine entfernte Utopie die gegenwärtigen Klassenverhältnisse befrieden solle. Am Ende läuft der zugrundeliegende keynesianische Instinkt darauf hinaus, „die Zukunft durch eine Verewigung der Gegenwart aufzuheben“, wie Antonio Negri einmal schrieb.[14]

Wie Negri und Mann selbst teilweise einräumen, trifft diese Kritik jedoch eher auf den Keynesianismus zu als auf Keynes. Das Bekenntnis des Nachkriegs-Keynesianismus zu immerwährendem Wachstum in Verbindung mit modernisierungstheoretischen Überzeugungen kann in der Tat als eine lineare Konzeption von Fortschritt verstanden werden, die dazu diente, eine defizitäre Gegenwart zu stabilisieren.

Allerdings ist Keynes’ Essay weder eine Vorhersage, noch bietet er eine lineare Extrapolation. Stattdessen handelt es sich um ein explizit spekulatives Vorhaben zur Weitung unserer Vorstellungskraft. Schließlich projizierte Keynes nicht einfach den Kapitalismus in die Zukunft, sondern entwarf eine Welt, in der die Liebe zum Geld – diese „halb-kriminelle, halb-pathologische … ziemlich widerliche Krankheit“[15]  – endlich überwunden werden könnte. Der Kapitalismus spielt zwar eine wesentliche Rolle für die Herbeiführung dieses Szenarios, schafft sich dabei aber letztlich selbst ab.

Entscheidend ist, dass Keynes diese Zukunft jenseits der ökonomischen Knappheit nicht einfach als Zustand materiellen Überflusses, sondern als soziale, ethische und politische Errungenschaft konzipiert, die auf einer Überwindung der Geldgier und einer Wiederentdeckung der Lebenskunst beruht. Keynes projiziert hier nicht einfach die Gegenwart unkritisch in die Zukunft, sondern verweist auf politische Gestaltungsräume, die unsere politische Vorstellungskraft und Phantasie anregen.

Experimente und Pragmatismus

Der Modus sozialen Wandels, dem Keynes als Antwort auf diese Herausforderung vorschwebte, war das Konzept des offenen Experimentierens. Wenn künftige Möglichkeiten nicht einfach das Ergebnis einer linearen Vorstellung von Fortschritt sind, die sich passiv entfaltet, müssen sie durch offene institutionelle Experimente geschaffen und kultiviert werden. Keynes ergänzte damit Burkes Beharren auf politischer Zweckmäßigkeit durch eine Hinwendung zum Experimentalismus anstelle von der Tradition.

Diese Aufgeschlossenheit gegenüber neuen, unerprobten Ideen, die nur auf den ersten Blick der oben skizzierten burkeschen Überzeugung widerspricht, ging auf Keynes‘ Erfahrungen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und dessen Nachwehen zurück. Keynes erkannte, dass weder der klassische Liberalismus des 19. Jahrhunderts noch der orthodoxe Marxismus Prinzipien für eine „anwendbare politische Theorie“[16] bereitstellten, die den Entwicklungen gewachsen war. Aus dieser politischen Sackgasse könne nur die Bereitschaft zu Experimenten im Geiste der Zweckmäßigkeit herausführen. 

Dabei ging es keineswegs um ein Experimentieren im technokratischen Sinne, das lediglich passende Mittel für vorgegebene Zwecke sucht. Ebenso wenig schwebte Keynes ein wissenschaftliches Experimentieren vor, das nach objektiven, universell anwendbaren Erkenntnissen strebt. Sein Verständnis von Rationalität und experimenteller Praxis rückt ihn näher an den Bloomsbury-Kreis und Freud als an die Naturwissenschaften. Das Experimentieren war für ihn folglich kein reines Erkenntnismittel, sondern eine horizonterweiternde Tätigkeit von eigenem Wert. Was es brauchte, war ein neuartiges Experimentieren, „indem sowohl die Lebenskunst als auch die zweckdienlichen Aktivitäten unterstützt und ausprobiert werden.“[17]  

Trotz vieler Ungewissheiten hielt Keynes an dem Wunsch nach Fortschritt fest, forderte dafür aber Experimente auf individueller und institutioneller Ebene. Für ihn bedeutete dies nichts anderes, als neue Formen des kollektiven Zusammenlebens und der gesellschaftlichen Kooperation unterhalb der staatlichen Ebene auszuprobieren und zu kultivieren. „Der wahre Sozialismus der Zukunft“, erklärte er 1924, „wird, wie ich glaube, aus einer unendlichen Vielfalt von Experimenten hervorgehen, die darauf abzielen, die jeweils angemessenen Sphären des Individuums und des Sozialen sowie die Bedingungen für eine fruchtbare Allianz zwischen diesen beiden Schwesterinstinkten zu entdecken.“[18] Wie Keynes in Economic Possibilities for our Grandchildren argumentierte, muss der Pessimismus der Konservativen und Reaktionäre gerade deshalb zurückgewiesen werden, weil ihre Auffassung von der Fragilität des wirtschaftlichen und sozialen Lebens wenig Raum für echte institutionelle Experimente zuließ.

Auch wenn Keynes viele institutionelle Aspekte dieses Konzepts des Experimentierens unberücksichtigt ließ, dachte er doch über einige der Voraussetzungen nach, die ein solches Experimentieren durchführbar und sicher machen könnten. Zunächst wies er darauf hin, dass offenes Experimentieren notwendigerweise die Möglichkeit „freier und schonungsloser Kritik“ voraussetzt.[19]

Neben einer solchen Offenheit für Kritik sah Keynes außerdem vor, dass ein Großteil der Experimente, die ihm vorschwebten, in „halbautonomen Einrichtungen“ innerhalb und unterhalb des Staates stattfinden würden.[20] Diese würden „halb-öffentlich“ sein, nicht dem Handel oder dem Profit gewidmet, sondern der Frage, wie öffentliche Räume gemeinsam genutzt und öffentliche Güter gemeinsam kultiviert werden könnten.

Hiermit grenzte Keynes sich von den Planwirtschaftsdebatten der Zwischenkriegszeit bewusst ab. Stattdessen bot er alternative Konzepte dezentraler oder unabhängiger Verwaltungseinheiten an, die für die Entwicklung neuer Instrumente der indirekten Wirtschaftssteuerung – einschließlich dessen, was wir heute makroökonomische Wirtschaftspolitik nennen – unerlässlich sein würden. Dies brachte Keynes in ein ambivalentes Verhältnis zur Demokratie. Doch wie er 1939 in einem Interview mit Kingsley Martin über „Demokratie und Effizienz“ betonte, war das Experimentieren nicht nur mit der Demokratie vereinbar, sondern das Wesen des demokratischen Experiments selbst erforderte einen Geist des ständigen institutionellen Experimentierens.[21]

Keynes’ Regime der Temporalität

Wie könnte ein Fortschrittskonzept aussehen, das nicht linear und teleologisch verfasst ist? Keynes war der Ansicht, dass Liberale diese Frage mindestens ebenso umtreiben müsste wie Marxistinnen und Sozialdemokraten. In den 1920er Jahren arbeitete er folglich konsequent an einer Erneuerung von Liberalismus und Sozialismus jenseits ihrer geschichtsphilosophischen Fortschrittskonzepte. Die Zäsur des Ersten Weltkriegs hatte für Keynes gezeigt, dass „Fortschritt ein verschmutzter Glaube ist, schwarz von Kohlestaub und Schießpulver“, wie er 1923 im Manchester Guardian schrieb.[22] Dies bedeutete nicht, dass bestehende Konzepte des Fortschritts einfach verworfen werden konnten, sie konnten aber auch nicht einfach übernommen oder akzeptiert werden. „Wir sind heute gläubig und ungläubig, Überzeugung und Zweifel vermengen sich miteinander.“[23] Fortschritt war eine riskante und widersprüchliche Angelegenheit geworden und der Revisionsbedarf entsprechend groß.

In einem Artikel über Trotsky, der im März 1926 erschien, argumentierte Keynes, dass die Anwendung von bloßer Gewalt bemerkenswert machtlos sei und schloss mit einem Plädoyer für neue historische Orientierungsmarken: „Uns fehlt zunehmend ein stimmiger Entwurf des Fortschritts, ein konkretes Ideal.“[24] Daher brauche es nicht nur ein neues politisches Programm, sondern auch ein neues Geschichtsverständnis, das sich von linearen und einheitlichen Fortschrittskonzeptionen löse, die gewissermaßen der religiösen Vorsehung verhaftet bleiben. Stattdessen gelte es, sich der unauflösbaren Ungewissheit einer offenen Zukunft zu stellen, ohne die Möglichkeit des Fortschritts preiszugeben.

Keynes‘ eigener Temporalitätsbegriff, der die Ablehnung zeitlicher Trade-offs mit einem Bekenntnis zu Experimenten verbindet, stellt eine Ergänzung, aber auch eine Herausforderung für andere zeittheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dar. Hier lohnt sich der Vergleich zu Reinhart Koselleck, der in seinen einflussreichen Darstellungen der Historizität die Entstehung der modernen historischen Zeit in die räumliche Metapher einer sich vergrößernden Kluft zwischen „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ gestellt hat. 

Doch wohingegen Koselleck in erster Linie versuchte, die vorherrschenden gesellschaftlichen Formen der Beziehung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft historisch zu erfassen, lässt sich Keynes‘ Konzept der Temporalität in keines der „Regime der Historizität“ (François Hartog) des neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhunderts einordnen.[25] Es passt weder zur Vorsehungslogik der progressiven Tradition, noch zu der auf permanentem Wachstum gegründeten Zeitvorstellung des Nachkriegs-Keynesianismus, und auch nicht zum postmodernen Präsentismus, der Hartog zufolge im ausgehenden 20. Jahrhundert tonangebend war.

Stattdessen lotet Keynes die produktive Spannung zwischen dem Raum des Zweckmäßigen und den vielfältigen Horizonten des Experimentierens aus, um in Kosellecks räumlicher Terminologie zu bleiben. Was Keynes‘ Vorstellung von der Gegenwart begründet, ist also nicht ein starrer Begriff von Tradition oder Erfahrung, sondern die Frage, wie unter politischem Legitimitätsdruck zweckmäßig gehandelt werden kann. Was seinen Horizont öffnet, ist keine lineare Fortschrittserwartung, sondern eine Vorstellung des offenen Experimentierens, das Ungewissheit in Kauf nimmt.

Indem Keynes verdeutlichte, dass so etwas wie „die Zukunft“ nicht existiert, sondern immer nur eine Pluralität vielfältiger, noch ungestalteter Möglichkeiten, wies er auf die zentrale Bedeutung der Politik einer solchen zukünftigen Zeit hin. Keynes‘ Entnaturalisierung der „Zukunft“, wie sie oft von Ökonomen, aber auch häufig von Investoren selbst angeboten wird, wirkt hier doppelt. Auf einer ersten Ebene fungiert sie natürlich als Kritik an diesen spezifischen Vorstellungen der Zukunft. Indem er die Idee der Langzeitperspektive als bloße Extrapolation zurückwies, bot Keynes aber auch eine veränderte Auffassung von Temporalität an, die dazu beiträgt, eine Politik konkurrierender Zukunftsvorstellungen sichtbar zu machen.

Keynes erlangte ein Bewusstsein für die Macht divergierender Zukunftsvorstellungen durch seine Wertschätzung der Ungewissheit. Spekulative Zukunftsvorstellungen sind insofern performativ, als sie sich auf das Handeln der Menschen in der Gegenwart auswirken. Wie Keynes im entscheidenden zwölften Kapitel der General Theory of Employment, Interest and Money (1936; dt. Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes) argumentierte, sind unsere Einschätzungen selbst der nahen Zukunft so unausweichlich durch Ungewissheit getrübt, dass sie keine zuverlässige, geschweige denn kalkulierbare Grundlage für unser Handeln in der Gegenwart bilden können. Und doch müssen wir handeln.

Die Schlussfolgerung, die Keynes aus dieser Darstellung zog, bestand nicht darin, Zukunftserwartungen abzutun, sondern im Gegenteil darauf zu bestehen, dass widersprüchliche Annahmen über den künftigen Zustand der Welt sehr wirkungsvoll sind, da sie einige Zukunftsszenarien wahrscheinlicher machen als andere. Wie er im Vorwort zur General Theory zusammenfasste, sind „wechselnde Ansichten über die Zukunft in der Lage, die Höhe der Beschäftigung zu beeinflussen“.[26] Erwartungen haben somit eine wichtige reflexive und performative Dimension und können zu einer selbsterfüllenden oder selbstzerstörerischen Prophezeiung werden, oftmals auf tragische Weise.

Keynes richtete seine kritische Aufmerksamkeit also auf Gewohnheiten, in die wir oft zurückfallen, wenn wir die Kluft überwinden müssen, die zwischen der Dringlichkeit zu Handeln und der Ungewissheit vor der Zukunft besteht – nicht zuletzt auf die Annahme, dass die Zukunft der Vergangenheit ähneln wird. Anstatt diese Denkgewohnheiten zu rechtfertigen, wies Keynes auf die Notwendigkeit pragmatischer Experimente und einer experimentellen Haltung hin, die alternative Zukunftsmöglichkeiten in der Gegenwart fördern kann.

Schluss

Die gängigen Lesarten seines Ausspruchs „Auf lange Sicht sind wir alle tot“ haben Keynes‘ Konzept der Temporalität völlig verkannt. Keynes ging es nicht darum, die Auseinandersetzung mit der Zukunft und ihren Möglichkeiten zu diskreditieren. Sein Ziel war vielmehr leere Beschwörungen der „langen Sicht auf die Dinge“, die lediglich die Gegenwart extrapolierten, zu kritisieren. „Die Zukunft“ als Kollektivsingular ist nicht nur ein schlechter Ratgeber in aktuellen Angelegenheiten, sondern unterminiert auch echte Zukunftsmöglichkeiten auf perverse Weise.

Gerade die Performativität miteinander konkurrierender Zukunftsvorstellungen erfordert entschlossenes Handeln in der Gegenwart. Weit davon entfernt, seinen Blick kurzsichtig auf die Gegenwart zu fixieren, hat Keynes jedoch ein Konzept von Temporalität entwickelt, das die Verflechtung von Gegenwart und Zukunft hervorhebt.

Die Wiederentdeckung von Keynes’ Denken über die zeitliche Dimension politischen Handelns ist auch ein vielversprechender Ausgangspunkt, um sein komplexes und scheinbar widersprüchliches Verhältnis zum Kapitalismus zu entschlüsseln, das in seinen unveröffentlichten Skizzen zwischen drei zeitlich konnotierten Haltepunkten des „Idealen“, des „Wirklichen“ und des „Möglichen“ aufgespannt ist.

Seine Bevorzugung des Experiments gegenüber der Kalkulation war ein Mittel, um die kurze und lange Sicht auf die Dinge zusammenzubringen, ohne die Zukunft zu nivellieren. Dabei hoffte Keynes, dass eine experimentellere Haltung uns dazu befähigt, Zukünfte zu eröffnen, die über das Bekannte und sogar über das Vorstellbare hinausgehen. Er hoffte auf Möglichkeiten, die auf experimentellem Wege zu entdecken und zu entfalten wären, und nicht einfach das Bestehende fortführen.[27]

Keynes‘ Politik der Temporalität ist somit kein Ausdruck eines Präsentismus, sie hätte uns durchaus in der gegenwärtigen Klimakrise noch etwas zu sagen. Es stimmt allerdings, dass Keynes‘ experimentelle Haltung die moderne Idee eines offenen Horizonts endloser Möglichkeiten zur Voraussetzung hatte.

Gleichwohl veranschaulicht Keynes‘ Beschäftigung mit dem performativen Charakter politischer Zeitvorstellungen bei radikaler Ungewissheit eines: Es braucht dringend neue Impulse, um die verbleibenden Zukunftsmöglichkeiten unserer unvollkommenen Gegenwart experimentell zu eröffnen. 

Übersetzung aus dem Englischen von Maximilian Hauer. Die deutsche, ungekürzte Fassung ist zuerst auf Politik & Ökonomie erschienen.

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[1] Robert Skidelsky, Keynes. The Return of the Master, New York 2009, S. 392.
[2] John Maynard Keynes, »How Much Does Finance Matter?«, in: Collected Writings [CW], Band 27, S. 264-270.
[3] Zachary D. Carter, The Price of Peace. Money, Democracy, and the Life of John Maynard Keynes, New York 2020, S. 534.
[4] Siehe auch Adam Tooze, »Tempestuous Seasons«, in: London Review of Books, September 2018 sowie ders., »Framing Crashed (6): The Politics of Keynesianism« [Blogbeitrag], 9. September 2018.
[5] Ebd., S. 14, 16.
[6] Geoff Mann, In the Long Run We Are All Dead. Keynesianism, Political Economy, and Revolution, London / New York 2019, S. 15.
[7] Ebd., S. 25f.
[8] Ich stelle derzeit einen Band mit Keynes’ gesammelten politischen Schriften für die Buchreihe Cambridge Texts in the History of Political Thought zusammen, der hier Abhilfe schaffen wird.
[9] John Maynard Keynes, Ein Traktat über die Währungsreform, übers. v. Ernst Kocherthaler, 2. Auflage, Berlin 1997, S. 82, Hervorhebungen im Original. In diesem Abschnitt steht n für die Menge der umlaufenden Zahlungsmittel, k für Verbrauchseinheiten, k‘ für das Scheckguthaben von Bevölkerung und Geschäftswelt bei den Banken, r für die Bargeldreserve der Banken (ein Bruchteil ihrer schwebenden Verpflichtungen k‘), p für das Preisniveau.
[10] Ebd., S. 83, Hervorhebungen im Original.
[11] Ders., »Thomas Robert Malthus«, in: CW 10, S. 88.
[12] Siehe etwa Lorenzo Pecchi / Gustavo Piga: Revisiting Keynes. Economic Possibilities for Our Grandchildren, Cambridge (MA) 2010.
[13] Mann, In the Long Run, S. 373.
[14] Antonio Negri, »Keynes and the Capitalist Theory of the State post-1929,« in Revolution Retrieved. Red Notes (1988 [1968]): 5-21.
[15] John Maynard Keynes, »Wirtschaftliche Möglichkeiten unserer Enkelkinder«, in: Norbert Reuter: Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität. Wirtschaftspolitische Leitbilder zwischen Gestern und Morgen, 2. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Marburg 2007, S. 143
[16] Ders. »National Self-Sufficiency«, in: CW 21, S. 235.
[17] Ders., »Wirtschaftliche Möglichkeiten unserer Enkelkinder«, S. 146.
[18] CW 19, 222
[19] »Nationale Selbstgenügsamkeit«, KW 21, 193
[20] »The End of Laissez Faire«, CW 9, 288
[21] CW 21, 497.
[22] Ders., »The Underlying Principles«, in: CW 17, S. 448.
[23] Ders.
[24] Ders., »Trotsky on England«, in: CW 10, S. 67.
[25] François Hartog, Régimes d’historicité: Présentisme et expériences du temps (Le Seuil, 2003).
[26] Ders., Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, übers. v. Fritz Waeger, 3. Auflage, Berlin 1966, S. VI.
[27] Sein pragmatischer Umgang mit der Ungewissheit verbindet Keynes mit neueren Arbeiten über »experimentelle Governance« und »demokratischen Experimentalismus« von Charles Sabel und Kollegen.