Es grüßt die WC-Ente
Die Kapitalmarktunion soll im Interesse Europas sein, heißt es. Tatsächlich aber stammt sie aus der Feder der Großbanken.
Angenommen, Sie möchten Marketing einsetzen, um ein Produkt zu verkaufen – sagen wir, einen Toilettenreiniger wie „WC-Ente“ aus dem Hause des US-amerikanischen Reinigungsmittelherstellers S. C. Johnson & Son.
Sie können dann zeigen, was Ihr Produkt leistet (Argumente anführen), oder einen weißen Kittel anziehen und das Produkt empfehlen (Autorität einsetzen), in der Hoffnung, dass der Betrachter nicht merkt, wer sich in dem Kittel befindet. Der Mantel suggeriert „Wissenschaft, Objektivität, in Ihrem Interesse“ statt „Unternehmen, Gewinn, in unserem Interesse“. Man kann es versuchen. Was man auf keinen Fall tun sollte, ist zu rufen: „Wir von WC-Ente empfehlen WC-Ente!“
Diesen Fehler hat die Lobby hinter der Kapitalmarktunion (KMU) nicht gemacht. Sie hat den weißen Kittel angezogen und sich an die Regeln gehalten. Aber ist die KMU nicht doch ein Fall wie WC-Ente?
In den Niederlanden prüft derzeit der Ständige Finanzausschuss der Zweiten Kammer die Vorschläge zur Schaffung der europäischen Kapitalmarktunion.
In einer solchen KMU könnten Finanzunternehmen leichter und in größerem Umfang grenzüberschreitend handeln, da Transaktionskosten gesenkt werden, Regulierungsvorschriften wegfallen und neue Produkte wie verbriefte Kredite leichter und schneller zugelassen werden.
Der weiße Kittel zeigt sich darin, dass das Projekt als „europäische“ Initiative im Interesse der europäischen Wirtschaft vermarktet wird: Kleine und mittelständische Unternehmen und Start-ups könnten sich leichter finanzieren. Darüber hinaus herrscht auch unter Parlamentariern, Politikern und sogar Akademikern die weit verbreitete Meinung, dass die Kapitalmarktunion von „Brüssel“, also von der Europäischen Kommission oder dem Parlament, erfunden wurden, genau wie die Bankenunion (nicht umsonst ähnelt der Name stark).
Tatsächlich wird die KMU bereits seit den 1990er Jahren von Finanzunternehmen vorangetrieben. Je nach politischer Großwetterlage in Brüssel werden immer wieder andere Gründe für ihre Notwendigkeit angeführt. Der vorletzte Name war „Sustainable Investment Union“, jetzt heißt sie „Savings and Investment Union“ und wurde schließlich von der Kommission angenommen.
Treibende Kraft dahinter ist die „Next CMU High-Level Expert Group“. Diese Experten sind Spitzenleute des niederländischen Pensionsfonds ABP, die Technologiebörse Nasdaq, Derivatehändler und eine Reihe von Banken. Natürlich empfehlen sie die KMU wärmstens. Mit ihr können sie mehr Produkte in größeren Mengen verkaufen und somit mehr Gewinn erzielen. Sozusagen ein Selbstbedienungsladen.
Die Gruppe ließ 2019 „nach umfassender Konsultation“ einen Bericht über die Kapitalmarktunion erstellen, den die EU-Kommission 2020 übernahm. Dieser bildet die Grundlage für das, was die niederländischen Parlamentarier derzeit prüfen. Die eigentliche Ausarbeitung erfolgte aber 2019 durch die Vertreter dreier europäischer Interessengruppen: Finanzanalysten, Aktienbörsen und Kapitalmärkte. Es grüßt die WC-Ente.
Aber es wird noch besser: Im Anhang des Berichts ist zu lesen, dass im Rahmen dieser Konsultation weitere 54 Finanzunternehmen und wieder andere Interessengruppen hinzugezogen wurden – darunter Better Finance, die Brüsseler Lobbygruppe der europäischen Aktionäre, und New Financial, ein britischer Lobbyclub mit Mitgliedern wie Blackrock, Deutsche Bank, Barclays und Citi. Wieder WC-Ente.
Und die Wissenschaft? Konsultiert wurden lediglich eine Universität und eine Business School in Frankfurt, dem Sitz der EZB und der Hauptstadt des Finanzwesens in Europa. Bei allem Respekt: In diesen Institutionen wurde noch nie etwas Unabhängiges und Kritisches über den Finanzsektor veröffentlicht.
Außerdem wurden Gespräche mit Zentralbanken und anderen EU-Institutionen geführt, die für die Finanzpolitik zuständig sind. Das ist vielleicht nicht das Produkt WC-Ente, bewegt sich aber dennoch in der Branche der Toilettenreiniger.
Aber kann eine Lobby, die ihre eigenen Interessen vertritt, nicht auch gute Ideen liefern? Sicher! Aber es ist seit über einem Jahrhundert bekannt, dass kleine und mittelständische Unternehmen, Kleinbauern und Start-ups von großen Banken und Kapitalmärkten nur unzureichend finanziert werden können. Dass dies spezielle Institutionen erfordert, wie einst die Raiffeisenbank oder in jüngerer Zeit Invest.nl. Es waren stets Regierungen, die Entwicklungsbanken und Plattformen für innovative, schnell wachsende Unternehmen geschaffen haben.
Die Kapitalmarktunion ist genau das, was solche Unternehmen nicht brauchen. Ihre Kredite lassen sich nicht gut standardisieren und verkaufen. Dass Europa auch ohne die Kapitalmarktunion genügend finanzielle Liquidität für dringende Ziele organisieren kann, haben die Eurokrise und die Corona-Pandemie gezeigt. Die Kapitalmarktunion ist vor allem eine Lösung für den Finanzsektor.
Der weiße Kittel kann damit ausgezogen werden. Es handelt sich nicht um „Wissenschaft, objektiv, in Ihrem Interesse“, sondern ganz klar um „Unternehmen, Gewinn, in unserem Interesse“. Für die niederländischen Parlamentarier, die den Bericht lesen werden, könnte es hilfreich sein, wenn auf der Titelseite eine gelbe Ente abgebildet wäre.