Editorial

Europa auf Abwegen

| 23. Juni 2022
istock.com/DancingMan

 Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen im Wahnsinn einer neuen Woche. In unserer neuen Ausgabe sind wir mit folgenden Themen für Sie da:

  • It’s geopolitics, stupid! Mit dem Kandidatenstatus für die Ukraine legt die EU eine geopolitische Wende hin, die alte Erweiterungspolitik wird ad acta gelegt. Doch damit ist kein einziges Problem gelöst, im Gegenteil: Brüssel verstrickt sich in neue, noch tiefere Widersprüche.
  • Das Kapital darf nicht erneut gewinnen: Wie in den siebziger Jahren versucht man, die steigenden Preise auf übermäßige Lohnerhöhungen, hohe Staatsausgaben und eine lockere Geldpolitik zu schieben. Eine Erzählung, die kein zweites Mal obsiegen darf.
  • Arbeit als Luxusgut? Die Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität sinken, die Arbeitsmärkte leeren sich: das könnte den Preis für die Arbeit bald nach oben treiben. Doch genau darin liegt auch die Chance auf eine nachhaltigere Wirtschaftsstruktur.
  • Sorgen um die Sorgearbeit: Sorgearbeit fristet in der öffentlichen Debatte ein Schattendasein, obwohl die Demographie eine andere Sprache spricht. Ein Gedankenspiel für eine humane Gesellschaft in einem Staat, dem es an Geld eigentlich nicht mangelt.
  • Mythos Preiseffekt: Die Preise steigen, doch wir haben begonnen, mehr und nicht weniger vom teuren Öl zu verbrauchen. Das zeigt, auf klimaschonende Preiseffekte kann man sich nicht verlassen.
  • Sanktionspolitischer Flop: Um nicht Russlands Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren, hat sich die EU auf einen Öl-Boykott geeinigt, so der mediale Tenor. Doch immer deutlicher wird, dass die Maßnahme nicht nur keine Wirkung zeigt, sondern erhebliche wirtschaftliche Gefahren für Europa heraufbeschwört.
  • Wertegeleitete Kohlesubvention: Versprochen haben uns die Grünen eine „wertegeleitete internationale Politik“ und einen „beschleunigten Kohleausstieg“ mit „Versorgungssicherheit“. Was wir bekommen ist ein Krieg, eine Kohlesubvention und die Aussicht auf einen kalten Winter.
  • Keine Angst vor Verhandlungen: „Die Trommelschläge des Kriegs müssen Worten des Friedens weichen“, fordert eine internationale Arbeitsgruppe um Jeffrey Sachs und Romano Prodi, die eine Erklärung für einen Frieden in der Ukraine verfasst hat.
  • R2P – Zauberwort der Interventionen: Militärische Einsätze in anderen Ländern werden oft mit dem Schutz der dort ansässigen eigenen Staatsbevölkerung legitimiert. Die Liste der sogenannten "responsibility to protect" Einsätze ist lang – und auch die Russen berufen sich in der Ukraine darauf.