Banken-Kandare: Vier Vorschläge unter Vorbehalt
Gerd Grözingers Forderungen nach einer stärkeren Regulierung der Geschäftsbanken sind unterstützenswert. Leider aber ignoriert er wichtige Funktionsmechanismen des Geldsystems – so sind seine Vorschläge nur mit Vorbehalt zur genießen.
In seinem Artikel Mehr Banken-Kandare: Vier Vorschläge liefert Gerd Grözinger beachtenswerte Ideen, um das Geschäftsbankensystem zu reformieren. Allerdings beachtet er die Unterschiede der Buchgeld-Arten nicht: Zentralbank-Buchgeld gegen Geschäftsbanken-Buchgeld.
Die Bankenkrise 2008 war eine reine Geschäftsbanken-Krise in der Art des Zentralbanken-Buchgelds. Die Geschäftsbanken, die ihre Zahlungsflüsse untereinander meist mit gegenseitiger Verrechnung im sogenannten Interbanken-Markt lösen, verloren schlagartig das Vertrauen untereinander. Sie bestanden plötzlich auf einen Zahlungsausgleich mittels Zentralbank-Buchgeld (Reserven).
Da einige Geschäftsbanken (besonders die großen) plötzlich ihre „Schulden“ bei anderen Banken mit eben jenen Reserven ausgleichen sollten, wurde die Banken-Krise zu einer Staatsschulden-Krise. Denn nur der Staat mit seiner Zentralbank konnte diese Anforderungen jetzt noch befriedigen – oder das gesamte Zahlungssystem der Geschäftsbanken wäre geplatzt.
Was Grözinger und vielen anderen Protagonisten nicht bewusst zu sein scheint: Die Zentralbank kann in ihrer Währung den Geschäftsbanken beliebige Geldmengen per Buchungssatz zur Verfügung stellen. Oder ihnen eigentlich „wertlose“ Papiere zum Nennwert abkaufen und so die Bilanzen der Geschäftsbanken wieder bereinigen.
Gerd Grözinger nun schreibt:
„Aber auch die direkten finanziellen Kosten von 2007 und den Folgejahren waren beachtlich. So bezifferte Martin Hellwig vor einigen Jahren den Beitrag der Bürger in Deutschland zur Rettung von Banken auf über 70 Milliarden Euro plus weitere zu erwartende, in der Höhe letztlich noch unbekannte Verpflichtungen.“
Kein einziger Bürger hat auch nur einen Cent seines Geldvermögens für die oben beschriebene Bankenrettung gezahlt. Kein Bürger ist im Besitz von Buchgeld der Zentralbanken und so rein technisch in der Lage, die Reserven-Schulden der Geschäftsbanken zu bezahlen.
Wenn es erwartungsgemäß wieder zu einer Banken-Krise kommt, wird wieder nur der Staat, sprich die Zentralbank mit ihrer Geldschöpfungsfähigkeit als einzige Institution das „Kind aus dem Bade“ ziehen können.
Bankanleihen
Bankanleihen – wie übrigens alle übrigen Wertpapiere einschließlich Aktien – haben wenig bis gar nichts mit Zentralbank-Buchgeld (ausgewiesen in Euros) zu tun, welche die Wertpapiere angeblich abbilden. Dies kann man leicht an dem Volumen dieser Finanzmarkt-Währungs-Zahlen erkennen. Auf den Finanzmärkten wird ein Vielfaches dessen bewegt, was auf der Welt im Jahr real produziert und geleistet wird. Die Euro-Werte der Zentralbankbilanz sind ebenfalls nur ein Bruchteil der Finanzmarkt-Volumina.
Die Beschränkung dieses Problems auf Bankanleihen verniedlicht das eigentliche Volumen-Problem. Der Gefahren-Hinweis gehört an jedes Finanzmarkt-Geschäft.
Die Umdeutung der Bankanleihen in „Eigenkapital – Coco-Bonds“ wird das Volumen-Problem in keinster Weise lösen, da es sich hier um Buchgeld der Geschäftsbanken (=Giralgeld) handelt und nicht um Zentralbank-Buchgeld = Reserven handelt.
Die in der Bilanz der Geschäftsbanken auf der Passivseite stehenden Bankanleihen sind „Schulden“ und kein „Vermögen“. Die Umwidmung von Fremdschulden auf Eigenkapital (= Schulden gegenüber dem Eigentümer) ändert nichts an dem Vermögensproblem einer Geschäftsbank. Vermögen steht bekanntlich auf der Aktivseite der Bilanz – und nur diese Werte können ein Vermögensproblem lösen.
Diese „Schuldenumwidmung“ ist also keiner Abwehrmaßnahme, sondern einem fehlerhaftem Bilanzverständnis geschuldet.
Verluste für den Steuerzahler minimieren
Der Steuerzahler ist bei einer Bankenkrise in keiner Weise direkt betroffen. Wie bereits erläutert, kann eine Bankenkrise nur vom Staat – sprich der Zentralbank mit ihrer unendlichen Geldschöpfungsfähigkeit – in die Zukunft geschoben werden. Nur wenn die Zentralbank die Bankanleihen zum Beispiel direkt kauft, bekommt die Geschäftsbank Reserven gutgeschrieben. Alle anderen Wertpapiergeschäfte der Geschäftsbanken erfolgen mit Giralgeld, das von der Zentralbank nicht als Zahlungsmittel angenommen wird.
Der Vorschlag Grözingers, staatliche Unterstützung ausschließlich in direkter Aktienbeteiligung vorzunehmen, dürfte am massiven Widerstand der Finanzmärkte scheitern, da es praktisch in eine Verstaatlichung des Bankensystem münden würde.
Eigenkapital und Größe
Die Vorschläge zum Eigenkapital hingegen sind vernünftig und sollten angestrebt werden. Grözinger will eine risikogewichtete Einlagenanforderung bei Banken, die zusätzlich mit einem Faktor multipliziert werden soll, der sich an der Bilanzsumme orientiert. Die Bilanzsummen der Geschäftsbanken befinden sich in einem geradezu lächerlich geringen Verhältnis zum Eigenkapital. Das zentrale Problem liegt aber in den riesigen Eigengeschäften der Geschäftsbanken, die alle mit dem selbstgeschaffenen Giralgeld bezahlt werden. Hier kommt wieder der Finanzmarkt ins Spiel, der das eigentliche Problem im Bankensystem ist.
Sparer fair beteiligen
Ein frommer Wunsch, aber keine Lösung für das Bankenproblem und dem damit verbunden Geldmengen-Problem ist es, die Sparer an den Zinserträgen der Geschäftsbanken zu beteiligen. Denn es bleibt der grundlegende Unterschied zwischen dem Buchgeld der Zentralbanken und der Geschäftsbanken: Sparer erhalten Zinsen in Form von Giralgeld, also dem von Geschäftsbanken per Buchungssatz erzeugtem Geld, das aber nichts mit den Zinseinnahmen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank zu tun hat. Die Geschäftsbanken könnten – selbst wenn es eine gesetzliche Vorschrift zur Weitergabe von Zinsgewinnen gäbe – diese nicht mit den Buchgeld der Zentralbanken erfüllen.
Kein Bankkunde hat bis heute ein Konto bei der Zentralbank und er kann somit kein Buchgeld der Zentralbanken erhalten und damit seine Brötchen bezahlen. Hier ist immer noch die Geschäftsbank gefordert, ihre an den Bankkunden zu zahlenden Zinsen per Giralgeld-Schöpfung auszugleichen.
Entsprechend unsinnig ist es, von den Geschäftsbanken andere Anlageformen zu verlangen und dabei Staatsanleihen mit Unternehmens- und Verbraucherkrediten in einen Topf zu werfen. Für den Kauf von Staatsanleihen benötigen die Geschäftsbanken Zentralbank-Reserven, während sie für Kredite an Unternehmen und Verbraucher ihre eigene Geldschöpfungsfähigkeit in quasi beliebiger Größenordnung einsetzen können.
Fazit: Die Forderung, Geschäftsbanken stärker zu regulieren, ist durchaus berechtigt. Sie ist aber nur mit einer korrekten Analyse des Geldsystems zielführend. Die mit Giralgeld finanzierten Eigengeschäfte der Geschäftsbanken einzuschränken, wäre hierbei die wichtigste Regulierungsmaßnahme. Und auch die Kredit-Geldschöpfung sollte auf einen volkswirtschaftlich sinnvollen Einsatz der Giralgelder begrenzt werden.
Ebenso sinnvoll ist die Größenbegrenzung der Geschäftsbanken nach ihrer Bilanzsumme und die damit verbundene Wettbewerbsverstärkung.
Eine „geldschöpfende Institution“ hingegen über die Höhe ihres Eigenkapitals einzuschränken, ist erwiesenermaßen zwecklos. Das lässt sich an den seit Jahren vergeblichen Maßnahmen der Basel-Regulierung nachvollziehen. Offenbar ist der Wille, die Handlungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken ernsthaft einschränken, nicht sehr ausgeprägt. Es gilt wohl die alte Volksweisheit: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“!