EDITORIAL

Des Kaisers Adjutant

| 05. Juli 2024
midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Wenn Leitmedien vom Ukraine-Krieg, dem Nahostkonflikt oder Spannungen mit China berichten, liegt der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit meist auf den großen Politikern. Joseph Biden, Vladimir Putin oder Xi Jinping sind die Protagonisten weltweiter (Handels-)Kriege und geopolitischer Spannungen.

Doch was wären diese großen Männer (und manchmal auch Frauen) ohne ihren Beraterstab? Um ein Land zu regieren, Kriege zu führen und Sanktionen zu verhängen, braucht es geistreiche Köpfe, die den Herrschern dieser Welt Arbeit abnehmen. Wahrscheinlich aus Gründen der Öffentlichkeitswirksamkeit liegt das Augenmerk auf dem Kaiser und weniger auf seinem Adjutanten.

Doch will der Westen etwa die „Mentalität und den Geist Russlands verstehen“, dann hilft es kaum, das manichäische Bild eines geistesgestörten, bösen und wahnsinnigen Putins zu zeichnen. Wesentlich fruchtbarer wäre es, sich mit den geistigen Wegweisern der russischen Politik zu beschäftigen, etwa Putins und Lawrows engem Vertrauten Sergey Karagow. Dies tut Thomas Fazi, der überraschend versöhnliche Töne Karagows in Bezug auf das Verhältnis zum Westen herausfiltert.

Unsere Autorin Ulrike Simon hat sich hingegen mit einem geopolitischen Vordenker des Westens auseinandergesetzt: Die Ideen des ehemaligen Sicherheitsberaters für strategische Kommunikation der Obama-Regierung, Ben Rhodes, stehen dem hegemonialen Streben der US-Politik nahezu diametral entgegen. Die USA müsse „die Denkweise des amerikanischen Primats aufgeben“ und sich vom "Maximalismus und der westlich-zentrierten Sichtweise abwenden“, so Rhodes in einem Artikel für die Foreign Affairs.

Letztlich ist es entscheidend, wie groß der Einfluss von (Ex-)Beratern auf die politische Elite und die Politik der Großmächte im Allgemeinen ist. Doch wandelt sich das geistige Fundament, sind die Herrschenden davon niemals unbeeinflusst.

Diese und weitere Artikel lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe:

  • Updates zur Konjunktur  8 Kaum wurde der Aufschwung verkündet, erhält die deutsche Wirtschaft schon wieder einen Dämpfer. Wirklich gut sind die Aussichten auch weiterhin nicht. Die Redaktion
  • Keine Probleme mit Ausbildungsstellen? Hohe Ausbildungslosigkeit, immer wieder beschworener „Fachkräftemangel“: Hat die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt? Mitnichten – der Berufsbildungsbericht 2024 verbreitet beste Stimmung. Kay Beiderwieden
  • Wohnungsmieten – Wie in den Markt eingreifen? Politische Eingriffe in den Markt sind dort notwendig, wo der unregulierte Wohnungsmarkt mit Kosten verbunden ist, die für nennenswerte Teile der Bevölkerung nicht bezahlbar sind. Doch welche Eingriffe machen Sinn, welche nicht? Ullrich Werling
  • Landraub mit grünem Etikett Die Preise für Ackerland haben sich seit 2008 weltweit verdoppelt. Bäuerliche Familienbetriebe und andere arme ländliche Gemeinschaften geraten unter Druck. Diese Landnahmen verschlimmern Ungleichheit, Armut und Ernährungsunsicherheit. Jomo Kwame Sundaram
  • Jupiters unheiliger Zorn Mit den Neuwahlen hat Frankreichs selbstherrlicher Präsident Macron nicht nur Frankreich, sondern auch die EU in die Krise gestürzt. Droht ein Brexit à la française? Eric Bonse
  • Kooperation in einer vermachteten Welt Die renommierten Ökonomen Joseph Stiglitz und Dani Rodrik haben eine Vision von einer besseren Welt für Entwicklungsländer und Industrienationen. Der Weg ist steinig, denn sich auf das Eigeninteresse der Global Player zu verlassen, ist wenig aussichtsreich. Malte Kornfeld
  • „Man kann nicht mit dem siebten Oktober beginnen“ Dem Gaza-Krieg gehen viele Geschehnisse voraus, sagt der Diplomat Alastair Crooke. Ein Gespräch über den israelischen Rechtsruck, den erstarkenden Islamismus, Verwerfungen zwischen Washington und Tel Avi und die Perspektiven der Region. Die Redaktion
  • Die USA müssen neue Wege gehen Die US-amerikanische Außenpolitik ist seit Jahrzehnten nicht vom Weltmachtstreben zu trennen. Einst führender Sicherheitsberater von Ex-Präsident Obama, appelliert Ben Rhodes nun für eine Abkehr vom Maximalismus der Vereinigten Staaten. Sein Wort hat nach wie vor Gewicht. Ulrike Simon
  • Im Innern des russischen Geistes Wer die Mentalität und den „Geist“ Russlands verstehen will, sollte die Arbeit des einflussreichsten geopolitischen Denkers des Landes kennen – Sergey Karaganow. Thomas Fazi