Editorial

Sozialer Sprengstoff Miete

| 26. Juni 2025
IMAGO / Panama Pictures

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

Hamburg, München oder Berlin – geht es um horrende Mietpreise, sind Millionenstädte beliebte Beispiele. Dabei betrifft das Problem längst nicht mehr nur die größten deutschen Städte, sondern auch verhältnismäßig kleine. Oder wussten Sie, dass es sich in Freiburg und Heidelberg erst für durchschnittlich 19 Euro pro Quadratmeter mieten lässt? Diese Mietpreise waren nicht immer so hoch. Allein in den letzten 10 Jahren stiegen die Mietpreise deutschlandweit um fast 50 Prozent an, so der Immobilienpreisindex des Forschungs- und Beratungsinstituts empirica.

Die Mietpreisinflation hat nicht nur diverse zivilgesellschaftliche Institutionen auf den Plan gerufen – am öffentlichkeitswirksamsten wohl Deutsche Wohnen und Co enteignen – sondern auch den Staat. Folgende Passage hat es sogar in den Koalitionsvertrag von SPD und Union geschafft: „In angespannten Wohnungsmärkten werden Indexmieten bei der Wohnraumvermietung, möblierte und Kurzzeitvermietungen einer erweiterten Regulierung unterworfen.“ Beachtlich ist hier, dass die Regierung explizit möblierte Mietwohnungen adressiert.

Das hat auch seine Berechtigung. Wie unser Autor Gerd Grözinger herausstellt, hat man es bei möblierten Wohnungen im großen Stil mit Wucher von "Miethaien" zu tun, die Wohnungen als Kapitalanlage betrachten. Das Immobilienvergleichsportal Immoscout24 problematisiert: "Möblierte Mietwohnungen machen in den Top5 Metropolen knapp ein Drittel des Gesamtangebots aus und werden im Schnitt für 10 Euro mehr pro Quadratmeter angeboten." Das geht auf Kosten des Angebots unmöblierter Wohnungen, so Grözinger.

Dabei wäre es vor allem angebracht, das Angebot an Wohnfläche auszuweiten, urteilt der Immobilien- und Finanzmarktanalyst Max Schneider in einem Kommentar. Ein Mietendeckel würde nicht das zentrale Problem adressieren, dass Wohnraum knapp ist. Vielmehr bräuchte es einen "klaren, strategisch eingebetteten Zugriff auf den Wohnungsbestand und die Produktion", so Schneider.

Das muss aber auch heißen: spekulationsgetriebenem Mietwucher den Kampf anzusagen. Dieser lässt sich nicht allein durch die Ausweitung des Immobilienangebots beheben. Denn der Wohnungsmarkt ist kein Markt der freien Konkurrenz. Auf ihm dominieren zunehmend Oligopole wie Vonovia und Co. mit Preissetzungsmacht – fatal, handelt es sich bei einem "Dach über dem Kopf" doch um ein grundlegendes Bedürfnis. 

Alle Artikel dieser Ausgaben:

  • Christine Lagarde träumt von einem „globalen Euro“ Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, sinniert von einem Euro mit „globaler Bedeutung“. Aus mehreren Gründen ist das Wunschdenken – und für Europa auch gar nicht wünschenswert. Thomas Fazi
  • Wohnungsnot und Miethaie In Ballungsgebieten werden immer mehr Wohnungen dem normalen Markt entzogen und möbliert teuer angeboten. Warum nicht deren Anzahl in Zukunft strikt begrenzen und Lizenzen dafür auktionieren? Gerd Grözinger
  • Instrument ohne Architektur: Wie die Idee des Mietendeckels an der Realität zerbricht Trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gegen den Berliner Mietendeckel setzen aktuelle Vorstöße der Linkspartei und der Grünen auf weitergehende Preisbegrenzungen. Das Scheitern ist programmiert. Max Schneider
  • DAX-Konzerne: Geld verschwenden und Zukunft verbauen Trotz lauter Klagen über hohe Kosten und Krise sprudeln bei DAX-Konzernen Milliarden – für Aktionäre statt für Löhne und Investitionen. Doch es gibt auch Positivbeispiele aus dem Drogeriemarkt. Manfred Lieb und Daniel Deimling
  • Streit um die BBG: Die Empörung der Gutsituierten SPD-Politiker haben sich für eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgesprochen. Darüber empört sich die Spiegel-Kolumnistin Ursula Weidenfeld und zeigt dabei ihre Inkompetenz. Hartmut Reiners
  • Warum Kryptowährungen unser Geld nicht ersetzen werden Das GENIUS-Gesetz der Trump-Regierung macht den US-Finanzsektor noch spekulativer als er ohnehin schon ist. Aber bis Kryptowährungen vom Casino-Investment zum Zahlungsmittel werden, muss mehr passieren. Dirk Bezemer
  • Grüner Stahl – Schlüsselbranche mit Wachstumsschwäche Der luxemburgische Stahlkonzern ArcelorMittal will seine Pläne für grüne Stahlproduktion in Deutschland fürs Erste nicht weiterverfolgen – trotz einer zugesicherten staatlichen Förderung von 1,27 Milliarden Euro. Im schwierigen konjunkturellen Umfeld gehen Energiewende und Wirtschaft noch nicht im selben Takt. Lukas Poths
  • Die Nominalitis der FAZ Die Richtlinien für den Bundeshaushalt 2025 stehen, ebenso wie alarmierende Kommentare zu einer vermeintlich ausufernden Staatsverschuldung. Wenig überraschend mit dabei: die FAZ. Fundiert ist die Kritik deshalb noch lange nicht. Malte Kornfeld
  • US-Zollpolitik: Was kann die Saldenmechanik? Kann oder soll die Saldenmechanik ökonomischen Phänomene erklären? Nein, aber das ist auch gar nicht ihre Aufgabe. Ein Blick auf das chronische Leistungsbilanzdefizit der USA. Joachim Nanninga