Geldmenge M1

Ebbe und Flut in der Geldwanne

| 18. Juli 2023

Die Kritik, dass Banken den Zins zum Kredit nicht mitschöpfen, ist zu kurz gegriffen. Denn die Frage, wie die Kosten einer Bank gedeckt werden sollten, ist für die Gesellschaft relevant.

Zentralbanken, haben als vorrangiges Ziel die Gewährleistung der Preisstabilität. Die Geldmenge – der Geldbestand der Nichtbanken – ist eine wichtige ökonomische Größe, die Hinweise auf die zukünftige Preisentwicklung liefert.

Das eng gefasste Geldmengenaggregat des Eurosystems heißt M1, es umfasst sowohl den Bargeldumlauf außerhalb des Bankensystems als auch täglich fällige Einlagen von Nichtbanken bei monetären Finanzinstituten.

Die Vermehrung der Geldmenge wird als Geldschöpfung bezeichnet. Hier gilt: Im Gegensatz zu den Zentralbanken können die Geschäftsbanken nur Buchgeld schaffen. Geschäftsbanken-Buchgeld entsteht, wenn eine Geschäftsbank einer Nichtbank, zum Beispiel einem Unternehmen, einen Betrag als Sichteinlage gutschreibt. Umgekehrt wird es vernichtet, wenn sie das Unternehmenskonto mit einen Betrag zu ihren Gunsten belastet.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Nichtbanken Beträge von laufenden Konten auf Konten mit längerer Laufzeit umbuchen lassen können. Damit ziehen sie von M1 nach M2 oder M3. Die Beträge sind in diesem Fall nicht vernichtet, sondern kehren nach Vertragsende in M1 zurück.

Wendet man diese Taxonomie der Auswirkungen auf die Menge der Zahlungsmittel in Händen von Nichtbanken auf die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz einer Bank an, lässt sich abschätzen, welche Auswirkungen der Geschäftsbetrieb einer Bank auf M1 hat.

Abbildung 1

Zuschreibungen, Abschreibungen oder Wertberichtigungen sind zwar für das Jahresergebnis relevant, sie berühren aber keine Konten von Nichtbanken.

Ohne die Differenzierung der Posten in Bank und Nichtbank als Gegenüber, ergeben sich beispielsweise für eine Bank, bei der das wahrscheinlich kaum eine Rolle spielt, die folgenden Werte für 2022:

Abbildung 2

Die veröffentlichten statistischen Daten der Bundesbank[1],[2] geben leider die Differenzierung nicht her. Eine Anfrage 2020 bei der Bundesbank mit diesem Ergebnis

„Die oben genannten Überlegungen mit geschätzten Aufteilungen von Aufwand und Ertrag auf Banken und Nichtbanken führen zu dem Ergebnis, dass deutsche Banken 2018 den Betrag von 7,3 Milliarden € dauerhaft aus der Geldmenge M1 abgezogen haben. Das ist die Größenordnung von einem Promille der Bilanzsumme von 7.776,0 Milliarden € bzw. 1,7% der Zahlungsmittel des Publikums.“

wurde so beantwortet:

„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Deutsche Bundesbank keine Publikationen Dritter kommentiert oder korrigiert. Wir bitten Sie außerdem, in Ihrem pdf bei den Quellenverweisen zu den beiden Bundesbank-Publikationen deutlicher zu machen, dass Sie die von uns veröffentlichten Daten lediglich als Grundlage für Ihre eigenen Berechnungen verwendet haben. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Deutsche Bundesbank Ihre Darstellung inhaltlich teilt.“

Im Sinne der Transparenz des Bankwesens wäre es wünschenswert, wenn Banken verpflichtet werden, eine Aufstellung der Auswirkungen des Betriebs auf die Menge der Zahlungsmittel des Publikums zu leisten, auch wenn das Ergebnis zu Tage brächte, dass Banken das Privileg zur Geldschöpfung zu ihren Gunsten handhaben.

Die einfache Kritik, dass Banken den Zins zum Kredit nicht mitschöpfen, ist offensichtlich zu kurz gegriffen. Auch wenn die obigen Zahlen nach einem Blick in die Bücher korrigiert werden müssen, zeigen sie doch: die Frage, wie die Kosten einer Bank gedeckt werden sollten, ist für die Gesellschaft relevant.

Banken können es ihren Kreditnehmern ermöglichen, Werte für das Gemeinwohl aber auch für ihr privates Wohl zu schaffen. In beiden Fällen sorgen sie für ihr eigenes Wohl mit. Das Maß, in dem sie das tun, sollte die entstehenden Kosten decken und sicherstellen, dass ihre Aufgaben für die Gesellschaft – der Zahlungsverkehr und die Kreditvergabe an die Realwirtschaft – gesichert sind.

Den Zahlungsverkehr wickeln die Banken mit einer Technik ab, die etwa 250 Jahre im Einsatz ist: dem Londoner Bank-, Check- und Clearinghouse-System.[3] Es handelt sich dabei um die Verarbeitung von Informationen über offene Zahlungen zwischen Akteuren und den Möglichkeiten der gegenseitigen Verrechnung, bevor ein Zahlungsausgleich erfolgt.

Diese Technik kann ohne Banklizenz und ohne Banken zur Anwendung kommen. Damit wird die Diversität im Geldwesen und in der Folge seine Resilienz gestärkt. Ein wünschenswerter Zustand, dem nur die Unkenntnis im Wege steht. Die zugrundeliegende Mathematik ist trivial simpel. Sie kann parallel zum üblichen Zahlungswesen angewendet werden. Sie ersetzt nicht die Führung von Büchern und ist nicht geeignet, Steuern „zu sparen“.

Die Aussicht, damit auf längere Sicht das Erpressungspotential von schlingernden Banken wegen ihrer Systemrelevanz im Zahlungsverkehr herabzusetzen ist verlockend. Bis dahin kann es helfen, den Einsatz von Zahlungsmitteln auf das minimal nötige Maß herunterzufahren.

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[1] Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2022
[2] Deutsche Bundesbank, Bankenstatistiken Mai 2023
[3] Seyd, Ernst: Das London Bank-, Check- und Clearinghouse-System nebst Winken für seine Einführung in Deutschland. Leipzig : 1874