Investieren und gleichzeitig konsolidieren?
Im zweiten Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 tun sich Union und SPD schwer damit, investive und konsumtive Ausgaben zusammenzudenken.
Die neue Bundesregierung befindet sich in einer eigentümlichen Phase – man könnte sagen: in einem Interregnum. Nach dem Ende der Ampelregierung musste sie Anfang des Jahres an eine angebrochene Legislaturperiode anknüpfen. Die Ampel hatte es nicht geschafft, rechtzeitig zur vorgezogenen Bundestagswahl einen vollständigen und beschlussreifen Haushaltsentwurf für 2025 durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Also musste das Parlament noch Anfang des Jahres einen vorläufigen Haushalt beschließen.
Ein vorläufiger Haushalt schränkt die Bundesregierung erheblich in ihrer finanzpolitischen Souveränität ein: Wie die Bundesregierung auf ihrer Website schreibt, muss sie bereits bestehenden Verpflichtungen zwar nachkommen – wie beispielsweise bereits festgelegte Zahlungen für BAföG, Kindergeld oder Rente – aber neue Ausgaben kann sie nur eingeschränkt tätigen. Letztere sind nur rechtens, wenn sie "sachlich und zeitlich unabweisbar" sind.
Als Lars Klingbeil diese Woche den zweiten Regierungsentwurf für den neuen Bundeshaushalt bekanntgab, mag dies auf so manchen Regierungsabgeordneten daher wie ein Befreiungsschlag gewirkt haben. Denn erstmals nannten Union und SPD finanzielle Eckwerte.
So erhöht die Bundesregierung ihre Ausgaben im Vergleich zu 2024 deutlich, zumindest auf der investiven Seite: Alle Bundesinvestitionen zusammenbetrachtet – also aus dem Kernhaushalt und dem Nebenhaushalt Klima- und Transformationsfonds (KTF) – kam der Bund 2024 auf 74,5 Milliarden Euro.
2025 ergänzt ein neuer Schattenhaushalt die Gelder aus dem KTF: das Sondervermögen Infrastruktur. 62,7 Milliarden Euro aus dem Kernhaushalt, 25,7 Milliarden aus dem KTF und 27,2 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur ergeben 115,6 Milliarden Euro für Investitionen insgesamt. Das ist eine nominale Ausgabensteigerung von über 50 Prozent. Vom investiven Gesamtvolumen macht das neue Sondervermögen fast ein Viertel aus.
Investitionen fließen vor allem in die marode Infrastruktur des Landes: Der Bahn werden 22 Milliarden bereitgestellt, für Kindertagesbetreuung und digitale Bildung gibt es insgesamt 6,5 Milliarden Euro, im Baubereich sind 11,25 Milliarden Euro vorgesehen und mindestens 4 Milliarden fließen in Digitalisierung, unter anderem der Verwaltung und für den Breitbandausbau.
Daneben plant die Bundesregierung die Sicherheits- und Verteidigungsausgaben in Einklang mit dem NATO-Ziel auf 2,4 Prozent des BIP zu steigern (2024: 1,9 Prozent) und bis 2029 weiter zu erhöhen, bis sie schließlich die 3,5 Prozent NATO-Quote erreichen würde. Finanziert werden die Ausgaben sowohl aus dem regulären Etat als auch aus dem Sondervermögen Bundeswehr von 2022.
Doch die Regierung plant nicht nur Mehrausgaben, sondern auch Minderausgaben. Auch wenn sie sich (bisher) noch verhalten äußert, klar ist: Die Verwaltungsausgaben sollen um 8 Prozent gekürzt werden und Personalausgaben in nicht kommunizierter Höhe. Buchungstechnisch werden Verwaltung teilweise, Personal komplett als Konsumausgaben gelistet.
Das ist widersprüchlich: Werden gleichzeitig investive Ausgaben erhöht und konsumtive Ausgaben gekürzt, droht Personalnot. Denn wer soll die neuen Züge fahren oder in den neugebauten Kindertagesstätten unterrichten? Von welchem Geld sollen neben Personalausgaben andere laufende Kosten bezahlt werden, die durch den Bau neuer Infrastruktur ansteigen, wie beispielswiese Mehrausgaben für pädagogisches Material oder Reparaturen an Zügen?
Ungewiss bleibt also, ob es der Bundesregierung gelingen wird, "in die Zukunft zu investieren und zugleich zu konsolidieren." Einen ersten Anhaltspunkt gibt das ifo-Institut: In seiner Sommer-Konjunkturprognose hat es Mitte Juni die preisbereinigte Wachstumsprognose für 2025 von 0,2 auf 0,3 Prozentpunkte angehoben, wofür steuerlicher Anreize wie beschleunigte Abschreibungen, die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie, der Stromsteuer und der Netzentgelte sowie eine höhere Pendlerpauschale hauptverantwortlich seien – würden sie denn umgesetzt. Doch noch keine der genannten Maßnahmen ist bisher beschlossene Sache – die Stromsteuersenkung ist sogar erst einmal vom Tisch.
Das ifo-Institut geht davon aus, dass 2025 nur geringfügig vom Sondervermögen Infrastruktur eingesetzt wird. Dass nun entgegen dieser Prognose die Investitionen um mehr als die Hälfte gesteigert werden, ist eine positive Nachricht. Denn das könnte das Ausbleiben der Steuersenkungen zumindest teilweise kompensieren – vorausgesetzt, es kommt nicht durch wegbrechende Konsumausgaben zu sensiblen Personalkürzungen.