US-Haushalt

It’s Politics, Stupid!

| 16. Juli 2025
@midjourney

Warum Trumps Kampf gegen die Staatsverschuldung eher politisch denn ökonomisch motiviert ist.

In einem aktuellen Beitrag auf seinem Blog „Relevante Ökonomik“ kritisiert der Ökonom Heiner Flassbeck die Angstmacherei vor der erwarteten Ausweitung der US-Staatsverschuldung durch Donald Trumps „One Big Beautiful“-Reconciliation-Gesetz:

„Die Furcht vor einem Crash wegen der US-Staatsschulden ist vollkommen abwegig. Der amerikanische Staat tut nur das, was alle von ihm erwarten, nämlich dafür zu sorgen, dass die Volkswirtschaft auf einem positiven Entwicklungspfad bleibt und Vollbeschäftigung erreicht wird.“

In einem früheren Artikel wies ich darauf hin, dass Trump in einem Gespräch mit dem Podcaster Joe Rogan vor den US-Wahlen einräumte, die Staatsverschuldung müsse am nationalen Vermögen und nicht am BIP gemessen werden – es sei daher absurd, von einem Bankrott zu sprechen.

Dennoch zeigen Trumps politische Handlungen nach den Wahlen klar: Er ist nicht nur zutiefst besorgt über den nationalen Schuldenstand – er ist auch fest entschlossen, ihn erheblich zu reduzieren. Hier einige Beispiele aus den letzten Tagen:

Erstens hat Trump angekündigt, fünf Patriot-Luftabwehrsysteme an die Ukraine zu liefern – unter der Bedingung, dass sie von NATO-Verbündeten gekauft werden. Dan Caldwell, ehemaliger Senior Advisor im Verteidigungsministerium unter Pete Hegseth, der nach einem unautorisierten Leak gehen musste, kommentierte das am 14. Juli folgendermaßen:

„Die Europäer kaufen das Zeug, das wir ohnehin geschickt hätten. Das hilft uns, unsere Schulden nicht weiter aufzublähen, und langfristig entlastet es auch die Lieferketten mehr, als wenn wir alles direkt versenden.“

Zweitens wurde im Senat ein Rescission-Paket – ein Vorschlag des Präsidenten zur Streichung bereits genehmigter Bundesmittel – in Höhe von 9 Milliarden US-Dollar (8 Milliarden für Auslandshilfe, 1 Milliarde für die nichtkommerzielle TV-Senderkette Public Broadcasting Service) abgesegnet. Das ist zwar ein winziger Betrag im Vergleich zur fast 37 Billionen Dollar hohen Staatsverschuldung, aber ein Signal für die Zukunft. Der Plan wurde vom Präsidenten persönlich durchgepeitscht. Trump setzt nun enormes politisches Kapital ein und droht jedem Abgeordneten, der dagegen stimmt, seine Unterstützung bei den Midterms zu entziehen.

Drittens ist im Weißen Haus aktuell ein noch mächtigeres – und juristisch umstrittenes – Instrument in der Diskussion: „Impoundments“, also das Zurückhalten bereits vom Kongress genehmigter Mittel. Laut Washington Post verlangsamt, stoppt oder verzögert das Office of Management and Budget (OMB) bereits Auszahlungen – wenngleich das Ausmaß „dunkel“ bleibe.

So habe OMB-Direktor Russ Vought die „Haushaltsfalken“ unter den Republikanern im Repräsentantenhaus überzeugt, dem „One Big Beautiful Bill“ zuzustimmen, indem er „Rescissions“ – und wenn nötig auch „Impoundments“ – versprach. Angestachelt durch jüngste Supreme-Court-Entscheidungen zugunsten von Trumps Exekutivbefugnissen fordert sein Mentor Steve Bannon nun, auf Rescissions zu verzichten und stattdessen Impoundments durchzusetzen – in der Erwartung, der Supreme Court werde deren Verfassungsmäßigkeit bestätigen.

Viertens wiederholt Trump in Reden und schriftlichen Statements immer wieder die über 100 Milliarden US-Dollar an externen Einnahmen aus Zöllen seit seiner Amtsübernahme. Peter Navarro, Trumps hochrangiger Handels- und Produktionsberater, legte dazu kürzlich sogar eine entsprechende Grafik in einem Bloomberg-Interview vor.

Fünftens entschied der Supreme Court wie erwähnt, dass weitreichende Änderungen in der Bundesverwaltung unter die Artikel-II-Befugnisse des Präsidenten fallen. Dadurch konnte Trump konsequent große Teile seiner Verwaltung umbauen. Rund 1.350 Stellen wurden bereits im Außenministerium gestrichen, ein ähnliches Ausmaß ist im Bildungsministerium geplant – und weitere Entlassungen stehen bevor. Dazu schrieb die Journalistin Amanda Head am 15. Juli:

„Was einige noch für eine luftige Fantasie der Haushaltskonservativen hielten: Präsident Donald Trump weckt nun Hoffnungen, mit steigenden Zolleinnahmen, Streichungen im Rescission-Stil und neuen Gerichtsentscheidungen, die die Regierung verschlanken, den Weg zu einem längst ersehnten ausgeglichenen Haushalt einzuschlagen.“

In einem exklusiven Interview mit ihr am folgenden Tag ergänzte Trump:

„Wir nehmen enorme Geldsummen ein. Du hast gesehen, dass wir letzten Monat einen Überschuss von 25 Milliarden Dollar hatten. Und die Zölle haben im Vergleich zu dem, was noch kommen wird, eigentlich noch gar nicht richtig angefangen.“

Politische Ökonomie? Ökonomische Politik!

Wenn Trump tatsächlich so wenig am volkswirtschaftlichen Aspekt der Staatsverschuldung gelegen ist – warum unternimmt er dann so viel, um sie zu senken? Die Antwort liegt nicht in der politischen Ökonomie, sondern in der ökonomischen Politik. Die feindlich gesinnte Presse lauert wie ein hungriges Raubtier – und wartet auf einen Kurssturz der Aktienmärkte, um alles den Zöllen anzulasten (manchmal beeinflusst sie den Börsenkurs auch durch manipulative Berichterstattung).

Besonders der Anleihemarkt reagiert sensibel auf Schuldendynamiken. Zwar ist der Aktienmarkt nicht die Wirtschaft „und schon gar kein Spiegelbild der US-Industrie oder des Wohlstands der Arbeiter“, wie der Ökonom Mihir Torsekar anmerkte. Dennoch sind Trumps politische Gegner – gestützt von den großen Medien – zu mächtig, um ignoriert zu werden.

Wenn die Verschuldung weiter wächst und der Anleihemarkt negativ reagiert, könnte die Grand Old Party (GOP) 2026 ihre Mehrheit in beiden Kammern verlieren und Trump zur „Lame Duck“ werden – ähnlich wie Emmanuel Macron in Frankreich.

Trump und Vance sind schwächer, als sie vorgeben

Entgegen der landläufigen Meinung haben Trump, J. D. Vance und MAGA kaum echte Verbündete im Kongress. Bannon sagte kürzlich zur Lage im Repräsentantenhaus:

„Im Haus – bei der America-First-Bewegung (…), also denen, die wirklich hart gegen Interventionisten vorgehen – sind das wahrscheinlich nur ein Dutzend Hände voll. Sobald Trump nicht da ist, um den Hammer fallen zu lassen, kehren sie zum wirtschaftlichen Neoliberalismus und außenpolitischen Neokonservatismus zurück.“

Batya Ungar-Sargon, eine selbsternannte „linke MAGA“-Autorin, schrieb am 9. Juli:

„Die GOP scheint im Muskelgedächtnis zu agieren, ignoriert aber, dass ihre Basis nicht länger die Reichen, sondern die Arbeiterklasse ist. Die Basis hat sich längst geändert – die Partei in vielerlei Hinsicht nicht. Republikaner im Haus und Senat setzen weiterhin auf Steuererleichterungen für Reiche (hochgradig unpopulär) und behandeln Gesundheit wie eine Handelsware.“

Tatsächlich waren es die Republikaner außerhalb des MAGA-Lagers, die im One Big Beautiful Bill höhere Verteidigungsausgaben und Steuergeschenke für Reiche durchsetzten sowie Kürzungen im Gesundheitsbereich veranlassten – alles entgegen der MAGA-Agenda. Der Senat kassierte sowohl die Sondersteuer auf Solarprojekte mit Komponenten aus gegnerischen Staaten als auch die Besteuerung der Gewinne ausländischer Anteilseigner. Ein vom Präsidenten befürworteter Anstieg des Spitzensteuersatzes von 37 auf 39,6 Prozent wurde vom Senat abgelehnt.

Da Trump und Vance dringend Mittel benötigen – einerseits für Abschiebungen illegaler Einwanderer sowie den Ausbau des Grenzzauns, andererseits für steuerliche Entlastungen von niedrigen Einkommen (Maßnahmen, die die für eine Reindustrialisierung unerlässliche Nachfrage schaffen sollen) – stehen sie politisch mit dem Rücken zur Wand. Hinzu kommt der Druck, die Schuldenobergrenze anzuheben – ihre Optionen waren begrenzt. Also mussten sie viele der „giftigen Pillen“ schlucken, die ihnen das Establishment verabreichte.

Zudem fehlt ihnen die Kontrolle über die gesamte Exekutive: Abgesehen von einer kritischen Federal Reserve bleibt auch das Central Command der US-Army hochgradig unabhängig; die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste, Tulsi Gabbard, hat weder CIA noch NSA im Griff; Michael Anton, Leiter des Policy Planning Staff im Außenministerium, hat noch nicht einmal MAGA-freundliche Botschafter installiert – sechs Monate nach Amtsantritt fehlt es weiterhin an entsprechendem Personal in Berlin und Brüssel. Die Bundesverwaltung ist eindeutig zu „deep“, um sie einfach dirigieren zu können.

Die Midterms als Hoffnung

In ihrer relativen Schwäche setzen Trump, Vance und die MAGA-Bewegung alles auf die Midterm-Wahlen. Bereits am 10. Mai – also 18 Monate vorher – berichtete Politico, Trump sei „bereits besessen von den Midterms“. Der Vize sucht unablässig nach MAGA-freundlichen Kandidaten für Haus und Senat (vgl. Vorwahlen zum Senat in Kentucky). Die Ausweitung der Mehrheiten ist entscheidend – aber ohne viele neue MAGA-Repräsentanten wie Senator Josh Hawley und Hausabgeordnete Marjorie Taylor Greene bleibt ihre Wirkung begrenzt.

Die Kürzungen im Zuge des „Big Beautiful Bill“ bei Medicaid und in ländlichen Krankenhäusern, das Unvermögen, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zu beenden, und – in geringerem Ausmaß – auch die Epstein-Affäre: All das wird MAGA-Kandidaten bei den anstehenden Midterms zum Verhängnis werden. Trump und Vance können es sich nicht leisten, auch noch die Schulden steigen zu lassen und damit Turbulenzen an den Anleihemärkten auszulösen.

In diesem Fall ist nicht die Volkswirtschaft entscheidend – it’s Politik, stupid!