Am Anfang war das Geld… oder die Arbeit?
„Geld braucht Arbeit“ und „Arbeit braucht „Geld“. Der menschheitsgeschichtliche Ur-Kampf besteht darin, das Monopol über die Geldschöpfung und über die Arbeit an sich zu reißen.
Goethe lässt Faust zaudern zwischen „Am Anfang war das Wort“ und „Am Anfang war die Tat“ – und lässt ihn dann entscheiden: Am Anfang war die Tat.
Das hört sich pragmatischer an. Faust, der Macher.
Ungeachtet der Tatsache, ob es einen Anfang gibt oder nicht, sollte es dialektisch heißen: „es gibt das Wort und die Tat“. „Dialektisch“ ist dabei einfach zu übersetzen durch „das eine existiert nicht ohne das andere“ oder „das eine braucht das andere“.
Wenn wir nun „Wort“ durch „Zeichen“ oder „Information“ ersetzen, dann sind wir beim Geld. Denn Geld ist Zeichen. Geld ist Information. Nicht mehr. Übersetzen wir dann noch „Tat“ durch „Arbeiten“, gelangen wir zur dialektischen Erkenntnis: „Geld braucht Arbeit“ und „Arbeit braucht „Geld“. Denn Geld ist das Vehikel, um Arbeit in Bewegung zu setzen und Arbeit ist das Vehikel, um Geld in Bewegung zu setzen
Hierzu noch zwei Präzisierungen: „Geld in welcher Form auch immer“, ob in Form eines Steines, einer Ritze oder Kerbe in Stein oder Holz, einer Münze, einem Papierzettel oder in unsichtbarer digitaler Form. Und was sich einige Oberschlaue alles einfach lassen, um von „Arbeit“ zu sprechen, soll hier auf keinen Fall hinterfragt werden. Das würde in bodenlose Tiefen führen.
Der menschheitsgeschichtliche Ur-Kampf besteht darin, das Monopol über die Geldschöpfung einerseits und das Monopol über die Arbeit an sich zu reißen – welche das Monopol der Produktion automatisch einschließen.
Doch wie gingen die Geld-, Arbeits- und Produktionsmonopolisten mit ihren Privilegien um? Geldschöpfer in grauen vorkapitalistischen Zeiten, die noch ein wenig Moral besaßen, fühlten sich immerhin ehrfürchtig durch göttlichen Auftrag berufen. Doch die Moral reichte nicht, um ihren Untertanen zu gestehen: „wir machen das Geld“. Kraft der göttlichen Gnade besaßen sie es einfach. Und ihre göttliche Berufung gab ihnen auch das Recht, ihre Untertanen zur Arbeit anzutreiben.
Beide Privilegien lagen noch in einer Hand: „Sechs Tage sollt ihr arbeiten; den siebenten Tag aber sollt ihr heilig halten als einen Sabbat der Ruhe des Herrn“, so steht es im Zweiten Buch Moses in der Bibel. Die Geldschöpfer griffen diesen göttlichen Fingerzeug dankbar auf. Es hätte nur noch der Zusatz gefehlt, „damit ihr nach der sonntäglichen Stärkung wieder umso energievoller für uns arbeiten dürft“.
In Zeiten der mythischen Götterwelt war Geldschöpfung sicherlich kein wirkliches Thema. Die Priester hatten Geld, weil es ihnen gespendet wurde. Ihre „Arbeit“ bestand allein darin, zu beten. Jahrtausende später beteten der Klerus und die aristokratischen Sonnenkönige – ihre Privilegien waren gottgegeben, die Arbeit feudal organisiert. Die Benediktiner besannen sich immerhin. Sie bekannten sich zu ora et labora, bete und arbeite.
Komplizierter wurde die ganze Sache mit dem Aufkommen des Kapitalismus. Die Bourgeoisie begann, sich langsam, über mehrere Jahrhunderte, auf die Machtübernahme vorzubereiten. Es ging darum, den göttlich Privilegierten im mittelalterlichen Feudalsystem das Geldschöpfungs- und Arbeitsmonopol zu entreißen. Der Prozess begann in Italien mit den Geldwechslern und Pfandleihern im 13. Jahrhundert und gewann mit der Gründung von Banken im 15. Jahrhundert an Dynamik. Namen von Bankiersfamilien wie Bardi, Peruzzi oder Medici zeugen davon. 1789 wurde der Prozess erfolgreich und in epischer Dramaturgie abgeschlossen.
Man kann von einer zunehmenden Arbeitsteilung zwischen Geldmonopolisten und Arbeitsmonopolisten sprechen. Letztere nennen sich seit geraumer Zeit Arbeitgeber. Und jene, die davon dankbar profitieren dürfen, nennen sich Arbeitnehmer: Die Geldschöpfung wurde zur Apanage der Banken. Dies geschah in bester Komplizenschaft mit der staatlichen Gewalt. Das Arbeits- und damit automatisch auch das Produktionsmonopol wanderten in die Hände der Unternehmer-Bourgeoisie.
Durch die symbiotische Beziehung zwischen Geld und Arbeit musste ein Arrangement zwischen Geld-, Arbeits- und Produktionsmonopolisten gefunden werden. Es bestand darin, dass letztere sich an der wundersamen Geldvermehrung beteiligen durften. Das war die Geburtsstunde des privaten Investors: Der Investor investiert Geld, um es zu mehren. Der Deal ist klar: Die Banken halten die Investoren am Leben, die Investoren die Banken. Der staatliche Investor wurde dagegen an der kurzen Leine gehalten. Es ist nicht bekannt, dass er jemals dagegen aufmuckte. Bis zum heutigen Tag nicht.
Auch das Verhältnis der privaten Banken zur Geldschöpfung ist bis zum heutigen Tag zwiespältig. Der Beweis? Sie haben ein Problem mit dem klaren öffentlichen Eingeständnis „Wir machen Geld“. Sie sehen sich noch nicht einmal durch das öffentliche Eingeständnis von der englischen Notenbank 2014 und der deutschen Bundesbank 2017 („Kredit-Geld wird geschöpft“) dazu veranlasst, an der eigenen Haltung etwas zu ändern. Sie ziehen es vor, Geldschöpfung mit einem niemals explizierten Begriff der „Vorleistung“ zu rechtfertigen. Diese Vorleistung wird dadurch „konstruiert“, dass sie behaupten, Geld sei eine Ware. Und was eine Ware ist, hat einen Vermögenswert. Und wer einen Vermögenswert besitzt, der muss nach biblischer Logik dafür fleißig gearbeitet haben. Und wenn eine Bank jemand anderem einen Vermögenswert für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellt, dann macht der andere Schulden bei der Bank. Er verschuldet sich bei dem Geldverleiher.
Bestens geeignet für die Vorspiegelung falscher Tatsachen ist die doppelte Buchführung. Wer Schulden macht, macht einen Vermögenden für die Zeit des verliehenen Vermögenswertes ärmer. Und dieser hat für den Verzicht auf eigene Nutzung des Vermögenswertes eine Belohnung, sprich Zinsen, verdient. Auf wundersame Weise entstand zusammen mit dem Entstehen des Bankwesens im Mittelalter die doppelte Buchführung zur Erstellung der Bilanz und zum Erfassen von Gewinnen und Verlusten.
Der einzige, der bisher in Deutschland den Mut hatte, das Kind öffentlich beim Namen zu nennen, heißt Klaus Karwat. Er ist Vorsitzender des Vereins der Monetative. In seinem Buch „Schuldenfreies Geld“ spricht er von bilanziellen Fiktionen, von Verschuldungs-Fiktionen bei der Darstellung der Kreditgeldschöpfung. Und zwar deshalb, weil es zu keinen tatsächlichen Vermögensminderungen kommen kann, wenn etwas als Vermögen angesetzt wird, das gar nicht existiert. Die staatlich mandatierten Geldschöpfer machen hier keine Ausnahme. Als obersten Schuldner setzen sie den Staat an, der sich bei der Zentralbank verschuldet.
Karwat möchte den Staat von dieser Fiktion befreien. So erklärt sich seine Forderung nach „schuldenfreiem Geld“. Zentralbankern fehlt für solche Forderungen jegliches Verständnis, von den privaten Geldschöpfern braucht man erst gar nicht zu reden. Sie alle ziehen es vor, alles beim Alten zu belassen. Die Zentralbanker richten sich in einer eigentümlichen Neutralitätskonstruktion ein, um sich so vor „demokratischen“ Angriffen und Einmischungen in Sicherheit zu bringen.
Und wie sieht es bei den Arbeits- und Produktionsmonopolisten aus? Sie sind mit dem Privileg ausgestattet, Arbeit zu vergeben und autonom zu bestimmen, was mit der Arbeit produziert wird. Die Vorfahren des „modernen“ bourgeoisen Unternehmertums waren im wesentlichen Grundbesitzer. Arbeits- und Produktionsstätte waren der Boden, der ihnen gehörte. Die Bodenrente, also die Rendite, ließen sie sich durch Sklaven und rechtlose Tagelöhner erarbeiten. Bis in heutige Zeit haben sich sklavenähnliche Bedingungen im Arbeitsmonopol erhalten – sei es im Werkvertrag, der Selbstständigkeit vorgaukelt und – Uber lässt grüßen – den Werkvertragsnehmer in völliger Abhängigkeit vom Auftraggeber des Werkvertrags belässt. Dieser ist der Eigentümer der machtentscheidenden App. Oder sei es in den Logistikzentren von Amazon.
Wer nun behauptet, der Arbeitsvertrag stelle das Arbeits- und Produktionsmonopol der Unternehmer in Frage, irrt gewaltig. Was Gewerkschafter und Linke sicher nicht gerne hören mögen: Noch nicht einmal kollektivvertraglich „abgesicherte“ Arbeitsverträge ändern daran etwas. Kein Arbeitnehmer in einem deutschen Unternehmen, ob mit oder ohne Tarifvertrag, kann seinen Arbeitgeber daran hindern, die Vertragsbedingungen vorzuschreiben. Und er kann ihn nicht daran hindern, das zu produzieren, was er produziert. Auch wenn das, was er produziert, geradewegs in die ökologische Katastrophe führt.
Je mächtiger die Arbeits- und Produktionsmonopolisten sind, umso mehr haben sie die Chance, zum Nettogewinner der Geldvermögensmehrung zu werden. Nehmen wir an, ein Unternehmergigant wie Elon Musk gehört weltweit zum obersten Tausendstel der in Dollar gemessenen Geldvermögensbesitzer. Er kann sich dann auf Kosten der 99,999 Prozent aller anderen Vermögensbesitzer und sogar auf Kosten derjenigen, die überhaupt keinen Geldvermögenswert besitzen, bereichern.
Bernard Friot, ein französischer Ökonom, Arbeitssoziologe und Kommunist, zeigt einen Weg, wie sich die tatsächlichen Produzenten – die Arbeiter (les travailleurs) – befreien können. Sowohl aus der Zwangsjacke der kreditären Geldschöpfung als auch aus der Zwangsjacke des Arbeitsvertrags.
Sein Konzept wird in einem gesonderten Beitrag dargestellt.