Kybernetische Katastrophen

Das Titanic-Syndrom

| 27. September 2023

Der Untergang der Titanic hat nicht nur einen ikonischen Status, sondern taugt auch als Paradebeispiel für Steuerungsversagen in der Gegenwart.

Der Begriff der Katastrophe wird meist mit massiver physischer Zerstörung verbunden, einhergehend mit Leid und dem Verlust von Menschenleben. Doch auch in übertragener Bedeutung findet er Verwendung, um das klaffende Missverhältnis zwischen Erwartung und Ergebnis zu verdeutlichen. So rief Georg Picht in den 1960er Jahren die Bildungskatastrophe aus, ein Ruf, der bis heute widerhallt. Aktuell erkennen wir eine solche Katastrophe in den  Schulen, die infolge der COVID-19 Pandemie schlossen.

Fragt man nach den Ursachen von Katastrophen, so erhält man zunächst Hinweise auf  Unmittelbares. Sei es der Mangel an Bildungserfahrungen oder deren mindere Qualität, wenn wir der Bildungskatastrophe ins Auge blicken. Oder sei es ein physisches Objekt wie der Eisberg, mit dem die Titanic kollidierte und der ihr tragisches Schicksal besiegelte. Ein ikonisches Ereignis, das bis heute auf die großen politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts verweist, die ihr folgten.

Betrachtet man Katastrophen vor dem Hintergrund kontrafaktischer Aussagen, verändert sich die Frage nach ihren Ursachen grundlegend. Es ist zu überlegen, was geschehen wäre, wenn bestimmte Handlungen erfolgt oder unterblieben wären. Dadurch rückt das Geschehen in den Bereich des menschlichen Handelns und der Verantwortung.

Naturkatastrophen werden so zu gesellschaftlichen Katastrophen, und die Abgrenzung zwischen beiden Arten wird oft strittig und hängt von der Bewertung menschlicher Handlungsmöglichkeiten ab, die sich im Laufe der Zeit verändern. Früher galt der Einschlag eines großen Meteoriten auf der Erde als Naturkatastrophe. Doch seit Atombomben und Raketen verfügbar sind, stellt sich die Frage, ob solche Ereignisse vielleicht abwendbar wären.

Besonders umstritten ist die Abgrenzung bei vielen aktuellen Katastrophen, die mit extremen Wetterereignissen zusammenhängen. Die Erklärung durch den Klimawandel ist schnell zur Hand, doch diese Zuschreibung kann oft nur statistisch erfolgen, da es Dürren, heftige Stürme und Überschwemmungen schon vor Jahrhunderten gab.

Allerdings verstärken menschliche Eingriffe in die Natur die Folgen solcher Wetterereignisse oder lassen sie sogar erst in katastrophale Dimensionen wachsen. Eine Land- und Forstwirtschaft, die auf riesigen Flächen von mineralisierten Böden hauptsächlich Monokulturen betreibt und in den Wäldern klimatisch unangepasste Arten wie die Fichten pflanzt, reduziert die Aufnahmefähigkeit der Landschaft für Niederschläge. Gleichzeitig führt auch die Bodenversiegelung durch Bautätigkeit dazu, dass die Landschaft weniger Wasser aufnehmen kann. Die Begradigung und Kanalisierung von Wasserläufen konzentriert nicht aufgenommenes Wasser auf verkürzte Strecken und begünstigt somit Hochwasser. Es ist zudem nicht überraschend, dass Dürren schnell einsetzen, wenn Äcker und Wälder kaum Wasser speichern können.

In vielen Fällen wird der Klimawandel als Standarderklärung für katastrophale Entwicklungen herangezogen, wodurch möglicherweise von näherliegenden und vermeidbaren Ursachen abgelenkt wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Verweis auf "das Virus" oder "die Pandemie" quasi als Naturkatastrophe, obwohl es eigentlich um die Folgen politischen Handelns geht.

Katastrophen, die vor dem Hintergrund plausibler kontrafaktischer Annahmen als verhinderbar erscheinen, werden hier als kybernetische Katastrophen bezeichnet, da sie als Steuerungsversagen betrachtet werden können. Ein Steuerungsversagen kann in dreifacher Form auftreten, wobei bereits das Auftreten einer einzelnen hinreichend sein kann:

  1. Die Ziele der Steuerung sind möglicherweise mit der Stabilität des zu steuernden Systems nicht vereinbar, im Besonderen nicht hinreichend präzise formuliert, unrealistisch oder sogar widersprüchlich.
  1. Der Zustand des zu steuernden Systems, insbesondere die mögliche Abweichung von einem sicheren oder mit den Zielen vereinbaren Bereich, ist nicht ausreichend bekannt oder es bestehen fehlerhafte Vorstellungen darüber.
  1. Die Mittel, die geeignet wären, um den Systemzustand mit den Zielen in Einklang zu bringen und insbesondere einen sicheren Zustand aufrechtzuerhalten, stehen nicht zur Verfügung, sind nicht bekannt oder werden nicht angewendet. Möglicherweise eingesetzte Mittel, die als wirksam angesehen werden, erweisen sich als unwirksam, arbeiten den Zielen entgegen oder haben sogar destabilisierende Auswirkungen.

Dieses Schema hilft, das Wesen von Katastrophen zu verstehen. Indem wir die genannten Merkmale betrachten, lassen sich einige prominente Fälle und ihre Besonderheiten näher beleuchten.

Die Lehren der Titanic

Der Untergang der Titanic hat nicht nur einen ikonischen Status, sondern taugt auch als Paradebeispiel für kybernetische Katastrophen. Hinsichtlich der relevanten Fakten stütze ich mich auf einen Vortrag von Vincent Brannigan[1], einem Juristen, der sich auf Produkthaftung spezialisiert hat. Produkthaftung tritt in Kraft, wenn Schäden durch Artefakte oder deren Betrieb verursacht werden. Brannigan hat eine Reihe von Untersuchungen zu bekannten historischen Katastrophenfällen durchgeführt.

Welche möglichen Gründe könnten zur Katastrophe geführt haben und welche systemischen Zusammenhänge gab es? Betrachtet man den Fall der Titanic aus der Perspektive der aufgelisteten drei möglichen Defizite, scheint es zunächst keine offensichtlichen Mängel in Bezug auf die Zieldefinition zu geben. Das Ziel, den Atlantik zu überqueren und New York zu erreichen, erscheint klar und unmissverständlich.

Jedoch wurde nach dem Unglück deutlich, dass sowohl in Bezug auf die Sicherheit der Navigation als auch in Bezug auf die Vorsorge für den Seenotfall erhebliche Mängel und Unsicherheiten bestanden. Obwohl eine wesentliche Anforderung an die Navigation die Sicherheit sein sollte, wurde diesem Aspekt nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Die ganze Tragweite ergibt sich aber erst aus ihrer Wechselwirkung mit anderen Defiziten.

Der am schwersten wiegende Mangel bestand in der Führung des Schiffs. Dies obwohl acht hochqualifizierte Nautiker auf der Brücke ihren Dienst versahen. Überraschenderweise kannten sie die genaue Position des Schiffs nicht. In der Nacht der Kollision waren die Sterne klar am Himmel zu sehen, der Horizont gut erkennbar und das Meer ruhig. Es wäre problemlos möglich gewesen, eine präzise astronomische Positionsbestimmung durchzuführen. Doch dies geschah nicht und wurde während der gesamten Fahrt über offenes Meer nie praktiziert.

Stattdessen verließ man sich auf das Verfahren namens "Dead reckoning", das anhand der Ausgangsposition und des Kurses des Schiffs unter Berücksichtigung der in den Karten verzeichneten Meeresströmungen die Position fortschrieb – und dies auch nur einmal täglich. Man glaubte, dass dieses Verfahren völlig ausreichend sei.  Dies erwies sich als verhängnisvoller Fehler. Zum Zeitpunkt der Kollision befand sich die Titanic etwa 20 Seemeilen von der errechneten Position entfernt. Warnungen anderer Schiffe vor Eisbergen erwiesen sich so als nutzlos und der nach der Kollision abgesetzte Seenotruf enthielt eine falsche Positionsangabe.

Dead reckoning kann man geradezu als archetypische Ursache kybernetischer Katastrophen bezeichnen: Man ist sich sicher, auf dem richtigen Kurs zu sein und hält es deshalb nicht für nötig, seine Position durch unabhängige Messungen zu bestimmen. Auf diese Weise beraubt man sich auch der Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren. Damit ist man beim dritten Punkt aus dem Schema. 

Es gab vordergründig ein Ziel der Navigation, doch anscheinend gab es keine Systemanalyse, die erbracht hätte, wie dieses unter Berücksichtigung des übergeordneten Ziels der Sicherheit zu erreichen gewesen wäre.

Der Fall entwickelte sich zu einem totalen Fiasko, als die Rettungsboote vorbereitet und zu Wasser gelassen werden sollten. Es gab nicht genug Plätze für alle Passagiere an Bord des nicht einmal voll ausgebuchten Schiffes, und die vorhandenen Plätze wurden nicht vollständig genutzt. Dabei verstieß die fehlende Anzahl an Rettungsplätzen noch nicht einmal gegen geltende Regeln, da diese nur eine bestimmte Ausstattung für Schiffe über 10.000 Tonnen vorsahen, nicht jedoch für die  Titanic mit ihren 45.000 Tonnen.

Damit wurde der erste Punkt des Schemas aufgrund einer unzureichenden Zielformulierung erfüllt: sowohl in Bezug auf die Navigationssicherheit als auch in Folge des Versäumnisses des britischen Handelsministeriums, zeitgemäße Normen entsprechend der wachsenden Beförderungskapazität der Schiffe zu formulieren. Die Werft und ihre Auftraggeber begnügten sich damit, lediglich die offensichtlich lückenhafte Norm zu erfüllen.

Das Desaster der Titanic war das Ergebnis unklarer und unvollständiger Zielsetzungen, mangelhafter Systemanalyse und der daraus resultierenden kognitiven und operativen Unfähigkeit, die Navigation sicher durchzuführen und die gefährdeten Menschen zu retten.

COVID-19: Im Rausch des Handelns

Die Politik der meisten Regierungen im Umgang mit COVID-19, abgesehen von wenigen Ausnahmen, zeigte  einen Mangel an klaren und ausgewogenen Zielen. Deklarierte Ziele änderten sich häufig schnell und waren oft nicht realisierbar. Dies führte dazu, dass die angewendeten, oft erzwungenen Maßnahmen ihre Wirksamkeit verfehlten. In Fragen der Volksgesundheit trafen unterschiedliche Sichtweisen und Interessen aufeinander, auch innerhalb des Gesundheitswesens. Der Ausschluss alternativer Perspektiven und die Unterdrückung von Diskussionen hatten verheerende Auswirkungen.

Es herrschte ein Aktionismus, der unabhängige, objektive Bewertungskriterien nicht berücksichtige. Dadurch fehlte das Interesse an der genauen Erfassung der Verbreitung, Pathogenität und Letalität des Virus oder der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen. Die Politik war monoman darauf gerichtet, das Virus zu besiegen.

Das Problem war, dass die Regierung alle anderen Gesichtspunkte vergaß, die das Ziel des Wohlergehens der Bevölkerung betreffen. Und das, obwohl schon im März 2020 nach der Abschätzung durch John Ioannidis klar geworden war, dass COVID-19 mit einer Infektionsletalität kleiner als 0,2 Prozent keinesfalls die tödliche Seuche ist, als die sie ausgegeben wurde – einer Abschätzung, die noch weiter nach unten korrigiert werden musste. Auch musste schon zu Beginn klar sein, dass die Verbreitung des SARS-CoV-2 nicht exponentiell erfolgt. Das entspricht dem Sachverhalt, dass es in der Natur exponentielles Wachstum höchstens approximativ und das nur lokal und episodisch gibt.

Entscheidend ist, dass ein respiratorisches Virus mit hoher Evolutionsrate weder ausgerottet noch wirksam in seiner Verbreitung gehindert, sondern darin höchstens verlangsamt werden kann. Daran vermag weder eine Strategie der Kontaktsperren, wie sie die Zero Covid-Initiative bewarb, noch eine Impfung etwas zu ändern.

Eine deutliche Parallele zwischen dem Fall Titanic und dem Fall COVID-19 besteht darin, dass eine Studie, die Auskunft über das Infektions- und Erkrankungsgeschehen hätte geben können und von einer Reihe renommierter Epidemiologen und medizinischer Statistiker wiederholt angemahnt worden war, nicht stattfand. Im Rausch des Handelns war man sich wie auf der Brücke der Titanic gewiss, auf dem richtigen Kurs zu sein und hielt deshalb eine unabhängige Positionsbestimmung für überflüssig. In der Folge war mangels Daten auch eine den Maßstäben empirischer Wissenschaft entsprechende Evaluation der ergriffenen Maßnahmen nicht mehr möglich.

Es bedurfte keines äußeren Agenten wie eines Eisbergs, um Schaden anzurichten, sondern dazu reichten die Folgen des eigenen Handelns. Die Ziele waren unklar oder unrealistisch, die Mittel wirkungslos und teuer schon hinsichtlich ihrer fiskalischen Kosten – es sollen ca. 440 Milliarden Euro gewesen sein. Noch größer waren jedoch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgekosten. Fatal auch, dass alle Maßnahmen damit gerechtfertigt wurden, man folge nur der Wissenschaft, während kritische Positionen als „Geschwurbel“ oder Schlimmeres denunziert wurden.

Das monomane Agieren von Politik und Medien war das Resultat einer eindimensionalen Weltsicht. Sie führte zu einem Schwanken zwischen exklusiv auf das Virus gerichteten, doch unrealistischen Zielen und einer völligen Verdrängung der übergeordneten Ziele der Gesundheit, des Wohlergehens und des Zusammenhalts der Gesellschaft bis hin zu einem völligen Desinteresse am tatsächlichen Stand der Dinge. Diese Sicht spiegelte sich auch in der Meinung des Wirtschaftsministers wider, dass Unternehmen zwischendurch mal den Betrieb einstellen könnten, um ihn dann, als wäre nichts geschehen, wieder aufzunehmen. Gesellschaftliche wie individuelle Stabilität ist in jeder Hinsicht jedoch nur in beständiger Bewegung, in beständigem Austausch möglich.

Die Missachtung dieser Einsicht beschädigte nicht nur zahlreiche Unternehmen, sondern das Leben des größten Teils der Bevölkerung, vor allem das der Kinder. Insbesondere in Ländern ohne soziale Sicherungssysteme, in denen zig Millionen prekärer Existenzen vom täglichen Verkauf der Arbeitskraft oder irgendwelcher Kleinwaren abhängen, riefen die oft brachial durchgesetzten Maßnahmen soziale Katastrophen hervor.

Eine Politik, die alle drei Punkte des Versagens erfüllt, die eine kybernetische Katastrophe ausmachen, häuft eine Hypothek auf, die schwer auf der Zukunft lastet.

Inadäquate Zielformulierung der Energiewende

Als würde die Hinterlassenschaft der COVID-19-Politik nicht schon schwer genug wiegen, scheint es doch Programm zu sein, deren Modell zu folgen. Denn dieses lag der Energiepolitik schon lange zugrunde und kommt jetzt verschärft zur Anwendung.

Klimaneutralität der Wirtschaft möglichst noch vor dem Jahr 2050 nennt die Bundesregierung als übergeordnetes Ziel. Dieses Ziel wurde ohne eine Aussage darüber formuliert, wie das Leben, wie Wirtschaft und Gesellschaft, doch auch die Naturräume des Landes dann aussehen sollen. Wie also soll die gesellschaftliche Reproduktion erfolgen? Wie und in welchen Dimensionen soll der dadurch implizierte Stoffwechsel mit der Natur stattfinden? Woher sollen die Einkommen kommen, woher die Güter, deren das Leben bedarf, und welcher Art sollen diese sein? Auch die Frage, ob die Bundesrepublik dann noch ein Industrieland sein wird, drängt sich auf. Alle diese Fragen müssten Bestandteil der Zielsuche sein.

Eine inadäquate Zielformulierung aber blendet beachtenswerte Alternativen aus. Die Frage nach den Mitteln wurde schon vor Jahren beantwortet, indem man sich auf die Substitution der mineralischen Energie durch regenerative konzentrierte – vorwiegend aus Photovoltaik und Wind. Diese Wahl führt zu immer heftigeren Friktionen, die aus einem Mismatch dessen resultieren, was die Regenerativen liefern, mit dem, was die Lebensprozesse der Gesellschaft verlangen.

Ungeachtet der begrenzten und unbeständigen Verfügbarkeit elektrischer Energie aus regenerativen Quellen treibt man Programme voran, die den Bedarf daran entscheidend steigern werden. Engpässe in der Versorgung sind damit ebenso programmiert wie ein weiterhin hohes Niveau des Ausstoßes von CO2. Die einzig praktikable Weise, die Schwankungen des Stroms aus den Regenerativen auszugleichen – nämlich durch das kurzfristig mögliche Anlaufen von Gaskraftwerden –, hat sich mit dem Verzicht auf russisches Erdgas nicht nur um ein Vielfaches verteuert. Mit dem Import von durch Fracking gewonnenem Flüssiggas hat sie sich auch der Klimabilanz des Kohlestroms angeglichen.

Nicht viel besser sieht es im Verkehrsbereich aus. Den durch das Automobil dominierten Verkehr nur zu elektrifizieren, bedeutet, eine ineffiziente Struktur höchstens vordergründig mit dem deklarierten Ziel konform zu machen. Ungleich effektiver wäre es schon lange gewesen, den Trend zu immer schwereren PKW zu brechen. Ein moderner Kleinwagen ist umweltschonender als ein E-Bolide. Zudem ist es immer sinnvoller, vorhandene Fahrzeuge möglichst lange zu nutzen, als sie schnell zu verschrotten und durch neue zu ersetzen. Das E-Auto ist von knappen und sich verteuernden Rohstoffen abhängig und inkorporiert einen Energieaufwand, der heute immer noch überwiegend aus nicht regenerierbaren Quellen kommt.

Während der Umstieg auf eine Nichtlösung zuerst mit gigantischen Summen gefördert und dann durch Gesetz erzwungen wird, bleibt der gebotene Ausbau sinnvoller und effizienter Alternativen liegen. Dass die sogenannte Klimaneutralität bis 2050 eine Illusion ist, lässt sich schon aus dem Eingeständnis einer Verspätung des ursprünglich für 2030 angekündigten Deutschlandtaktes bei der Bahn bis 2070 ablesen.

Völlig unklar ist der Pfad, der hinsichtlich des Bedarfs an industrieller Prozesswärme beschritten werden soll. Aktuell stellen die sprunghaft gestiegenen Gaspreise viele industrielle Anwendungen von Prozesswärme, von der Schokoladen- bis zur Chemiefabrik, in Frage. Kleinbetriebe wie Bäckereien müssen sich auf eine veränderte Kostenstruktur einstellen. Ohne eine Änderung der fundamentalen Bedingungen und einen langfristig ausgelegten Migrationspfad werden Deutschland wie auch andere Nationen, die in der Folge der EU-Politik schon viel weiter deindustrialisiert sind, von einer deutlich verstärkten Schrumpfung des industriellen Sektors betroffen sein.

Ein offener Zielfindungsprozess, der sich an einer langfristigen Sicherung der Rechte und des Wohlergehens der Bevölkerung orientiert, findet so wenig statt wie eine klare Positionsbestimmung, eine nüchterne Bewertung der verfügbaren Mittel und eine Abwägung der zu ergreifenden Maßnahmen. Die Panikstimmung, die angefeuert von diversen NGOs und Medien, gerade unter Jugendlichen en vogue ist, stellt dabei den schlechtesten Ratgeber dar. Panik treibt die Suche nach „Wunderwaffen“ an, die keine Rücksicht auf die konkrete Situation und ihre Möglichkeiten nimmt.

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[1] Die sehr informativen Folien dazu finden sich in Vincent Brannigan: Effective Social Control of Technological Systems: Viewing Titanic and Boeing through the Orgware Paradigm. In: Peter Brödner, Klaus Fuchs-Kittowski (Hrsg.): Zukunft der Arbeit: Soziotechnische Gestaltung der Arbeitswelt im Zeichen von »Digitalisierung« und »Künstlicher Intelligenz«. Tagung der Leibniz-Sozietät am 13. Dezember 2019 in Berlin, Hochschule für Technik und Wirtschaft. Berlin: trafo Wissenschaftsverlag, 2020 (Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften; Band 67), 301−334.