Kommentar

Bundesbank schreibt rote Zahlen: Pleitegefahr?

| 08. Oktober 2024
IMAGO / Bonn digital

Die Bundesbank macht Verluste. Präsident Joachim Nagel aber prophezeit, die Gewinne werden zurückkommen. Nur: Muss die Bundesbank überhaupt Gewinn machen? Nein.

Die Bundesbank übt sich in Bescheidenheit. Nicht beim Gehalt ihres Präsidenten, Joachim Nagel, der mit rund einer halben Million pro Jahr sogar mehr verdient als der Bundeskanzler. Sondern beim Neubau der Zentrale in Frankfurt, die deutlich kleiner wird, weil die Mitarbeiter bis zu 60 Prozent Homeoffice machen können. Und beim Filialnetz, bei dem acht Filialen geschlossen werden. Weil die Bundesbank „zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist“, erklärte Nagel neulich im Interview mit der FAZ.

Wirtschaftlich ist die Bundesbank aber momentan nicht. 2023 hat sie 21,6 Milliarden Euro Verlust gemacht, auch wenn der Verlust im Jahresbericht mit der Auflösung von Rücklagen kaschiert wird. Dieses Jahr steht wieder ein Verlust in ähnlicher Größenordnung ins Haus, sagt Nagel voraus. Reserven, um die Verluste zu kaschieren, gibt es nicht mehr: „Weil wir unsere Risikovorsorge weitestgehend verbraucht haben, werden wir mit Verlustvorträgen für die kommenden Jahre arbeiten müssen“, so der Bundesbankpräsident.

Aber, Nagel wendet ein, dass die „Gewinne der Bundesbank […] in der Zukunft wieder zurückkommen [werden]. Die Bilanz der Bundesbank ist solide. Denn wir haben große Bewertungsreserven. Deshalb muss sich niemand Sorgen machen – die Bundesbank benötigt kein zusätzliches Kapital.“

Woher die Verluste kommen

Dass die Bundesbank rote Zahlen schreibt, ist einfach zu erklären. Sie ist gewissermaßen Opfer ihrer eigenen Geldpolitik. Beziehungsweise der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), zu der sie gehört. Mit Einführung des Euro ist die Bundesbank als ehemalige deutsche Zentralbank zur Geschäftseinheit der EZB geworden.

In den letzten zehn Jahren haben die Zentralbanken des Eurosystem Staatsanleihen in Billionenhöhe aufgekauft. So auch die Bundesbank. Als die Corona-Pandemie über die Eurozone hineinbrach, haben die EZB-Geschäftseinheiten mit dem riesigen Anleihekaufprogramm „PEPP“ (Pandemic Emergency Purchase Program) einen zusätzlichen Gang hochgeschaltet. Das offizielle Ziel: Deflation verhindern und die Inflation auf zwei Prozent bringen. Da aber gleichzeitig der Leitzins bei null Prozent lag, bringen die Anleihen der Bundesbank aber keine oder kaum Zinserträge.

Als dann die EZB den Leitzins in Reaktion auf den Ukrainekrieg und den damit verbundenen Energiepreisschock drastisch anhob, geriet die Bilanz in Schieflage. Auf der Aktivseite der Zentralbank verloren Niedrigzinsanleihen an Wert (und schmissen weiterhin keine Zinsen ab). Gleichzeitig aber musste die Zentralbank für die Einlagen der Geschäftsbanken – auf ihrer Passivseite der Bilanz – immer höhere Zinsen zahlen. Buchverluste und Zinslasten führten die Bundesbank also in die roten Zahlen.

Muss eine Zentralbank Gewinne machen?

Für eine Geschäftsbank wäre das ein Desaster. Denn die Verluste würden das Eigenkapital schmälern. Und mit negativem Eigenkapital dürfen Banken nicht operieren. Es drohte eine Bankpleite. Eine Zentralbank ist aber keine Geschäftsbank. Für Zentralbanken als monopolistische Währungsschöpferinnen spielt das Eigenkapital keine Rolle.

Lernen könnte das Nagel von den Kollegen der Schweizer Nationalbank (SNB). Die SNB hat in der Vergangenheit auch Milliardenverluste gemacht, weil sie im großen Stil Fremdwährungen gekauft hat, die später an Wert verloren. Die Verluste waren so groß, dass das Eigenkapital negativ wurde. Auf die Frage, ob die SNB damit nicht wie jedes andere Unternehmen pleite sei und geschlossen werden müsse, gibt die SNB auf ihrer Website folgende Antwort:

„Nein. Die Nationalbank ist aufgrund ihrer Kapazität zur Geldschöpfung in eigener Währung stets zahlungsfähig, weil sie theoretisch unlimitiert über offizielle Zahlungsmittel verfügt. Daher ist die Nationalbank auch bei vorübergehend negativem Eigenkapital vollumfänglich handlungsfähig, d.h., sie kann ihren geldpolitischen Auftrag jederzeit erfüllen. Zudem besteht bei negativem Eigenkapital für die Nationalbank kein rechtlicher Zwang zur Sanierung, geschweige denn zur Liquidation. Es gibt auch keine Nachschusspflicht für die Aktionäre der Nationalbank.“

Das stimmt genauso für die Bundesbank. Weder braucht sie positives Eigenkapital noch Gewinne. Für sie ist es nicht einmal sinnvoll, eine Bilanz wie eine Bäckerei oder Geschäftsbanken zu führen. Formal haben die Zentralbank und der Bäcker zwar beide auf der Passivseite der Bilanz ihre Schulden stehen, die wirtschaftliche Bedeutung der Schulden könnte aber nicht unterschiedlicher sein. Während Bäcker ihre Schulden jemandem zurückzahlen müssen und dafür Einnahmen brauchen, verbuchen Zentralbanken an Schulden lediglich, was sie selbst auf Knopfdruck herstellt – Bargeld und Zentralbankguthaben. Beide Währungsarten müssen Zentralbanken niemanden zurückzahlen.

Für die Zentralbank sind es auch keine echten Verluste, wenn ihre gekauften Anleihen an Wert verlieren, weil sie die Anleihen ja mit ihrem selbst geschöpften Geld gekauft hat. Das sollte Joachim Nagel der Öffentlichkeit erklären, statt sich hinter zukünftigen Gewinnen und kleineren Bürogebäuden zu verstecken. Das verklärt nämlich die Sonderrolle, die eine Zentralbank im Geldsystem einnimmt – eine Sonderrolle, die dem Großteil der wählenden Bevölkerung nicht klar ist und auch nicht klar wird, wenn man nicht darüber spricht.

Dabei könnte er sich etwas von der Kommunikation der SNB oder der EZB abschauen. Selbst die EZB schreibt nämlich in einem Explainer auf ihrer Homepage:

„Die Europäische Zentralbank ist anders als andere Banken. Sie erstellt Jahresabschlüsse und meldet Gewinne und Verluste wie normale Banken. Aber es gibt einen großen Unterschied: der EZB geht es nicht darum, Gewinne zu erzielen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, die Preise stabil zu halten. Jegliche Gewinne oder Verluste sind Nebenerscheinungen.“

Sorgen muss man sich um die Bundesbank jedenfalls nicht. Ihre Verluste sind weder überraschend noch schränken sie ihre Handlungsfähigkeit ein. Wer hingegen die Verluste beklagen dürfte, ist der Finanzminister Christian Lindner. Denn in der Vergangenheit hat die Bundesbank ihre Gewinne an die Regierung ausgeschüttet – und so Spielraum unter der Schuldenbremse geschaffen. Die könnte die Ampel dringend benötigen, um die Wirtschaft anzukurbeln und ihre Konflikte mit Geld zu kitten.