Das Gespenst des 7. Oktober
Liebe Leserinnen und Leser,
die Großstädte des Westens kommen seit dem 7. Oktober 2023 nicht mehr zur Ruhe. Das Massaker der Hamas und der anschließende Krieg Israels in Gaza polarisieren die Gesellschaften in Deutschland, Frankreich und den USA. In Berlin, Brüssel, Hamburg oder New York wird demonstriert – und das nicht immer friedlich. Eine Minderheit geht für die Befreiung der israelischen Geiseln auf die Straßen, eine Mehrheit gegen einen Krieg, der jetzt ein Jahr andauert und bisher mehr Opfer verursachte als der gesamte israelisch-arabische Konflikt zwischen 1989 und 2015 zusammen. Bei den beiden Intifadas, den Gaza-Kriegen und anderen Konfrontationen und Angriffen starben etwa 6.400 Menschen. Der aktuelle Feldzug der israelischen Streitkräfte, der die Hamas vernichten und die israelischen Geiseln retten soll, kostete laut verschiedener Schätzungen bereits jetzt etwa 40.000 Menschen das Leben.
Der Protest der – zu einem großen Teil arabisch-stämmigen – Demonstranten schwankt zwischen legitimer Empörung aber auch unverhohlenem Antisemitismus. Transparente, die eine Beendigung des Krieges und ein freies Palästina fordern, vermischen sich mit islamistischen Symbolen oder Aufrufen in arabischer Sprache, „alle Juden zu erschießen“, wie zuletzt in Berlin am Tag der Deutschen Einheit. An den Universitäten, Hochburgen der linken Identitären, entlädt sich der Hass auf den Westen als solches. Der Nahost-Konflikt wird dort zum Kulminationspunkt einer radikalen Zivilisationskritik, zum letzten Gefecht des antikolonialen Befreiungskampfs, ja zu dem Konflikt der westlichen Moderne schlechthin – oder mit Frank Furedi gesprochen: zum Symbol einer Entzivilisierung.
Furedi, der palästinensisch-stämmige Psychologe Ahmad Mansour als auch die Ethnologin Susanne Schröter warnen vor einem erstarkenden Islamismus in Europa, der von einer woken, akademischen Identitätspolitik nicht nur gedeckt, sondern von dieser in Form ihrer fundamentalen Kritik des Westens auch ideologisch unterfüttert wird.
Doch nicht nur der mittlerweile als völkerrechtswidrig verurteilte Krieg in Gaza zeigt: Es gibt einen Nährboden für den Hass auf den Westen, den dieser selbst erzeugt. MAKROSKOP-Redakteur Sebastian Müller verweist auch auf jene „Zivilisationsbrüche“, die dieser bis in die Gegenwart hinein selbst begeht. Um den antiwestlichen Fundamentalismen den Nährboden zu entziehen, so Müller, brauche der Westen eine aufgeklärte Selbstkritik, ohne dabei das eigene Selbstbekenntnis aufzugeben.
Diese und weitere Artikel finden Sie in unserer neuen Ausgabe:
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