Finfluencer

Maurice Höfgen, Trade Republic und die Frage der Integrität

| 02. Oktober 2025
Max Sonnenschein und IMAGO Wirestock

Maurice Höfgen wächst als linker Finfluencer rasant – doch seine Werbepartnerschaft mit Trade Republic wirft Fragen nach Integrität und Glaubwürdigkeit auf. Gerät sein rebellisches Image ins Wanken?

Bei YouTube-Kanälen mit finanzpolitischem Schwerpunkt fällt schnell auf: Zwar gibt es auch einige politisch weitestgehend neutrale "Finfluencer" wie Thomas Kehl von Finanzfluss (1,53 Millionen Abonnenten). Gleichsam hat sich die politische Rechte fest etabliert: Sei es nun die AfD-nahen Finfluencer Kolja Barghoorn (Aktien mit Kopf, ca. 705.000 Follower) und Alexander Raue (Vermietertagebuch, circa 448.000 Abonnenten) oder der Kanal HKCM (ca. 791.000 Abos), betrieben von Philip Hoss, Teil des rechtslibertären Duos Hoss & Hopf (ca. 438.000 Abos).

Was bisher weitestgehend fehlt: Finfluencer aus einer dezidiert linken Ecke, die Kritik am Finanzsystem mit heterodoxen Ansätzen verbinden. Zumindest eine relevante Ausnahme gibt es: Maurice Höfgen mit seinem Kanal Geld für die Welt. Mit etwa 268.000 Followern kann Höfgen zwar nicht ganz mit den Großen der Branche mithalten, doch seine Popularität ist in letzter Zeit stark angewachsen: Vor zwei Jahren hatte er noch mehr als 220.000 Follower weniger. Besonders viele Abonnenten hat er zwischen November 2024 und April 2025 dazugewonnen – jeden Monat über 10.000:

Quelle: eigene Berechnungen nach Nindo (2025)

Früher dominierten auf Höfgens Kanal Videos, in denen der Jungökonom das Geld- und Finanzsystem auf Basis der Modern Monetary Theory (MMT) erklärt. Heute reagiert der 29-jährige vor allem auf Videos aus anderen Formaten, teils zusammen mit Gästen. Neuerdings findet man bei Geld für die Welt auch Interviews. Zunehmend ist er auch in Fernsehformaten zu sehen – nicht nur im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern zuletzt auch beim Springer-Format Ronzheimer.

Die Kritik in seinen "Reactions" ist nachfrageorientiert und trifft vor allem Politiker, Ökonomen und andere Personen des öffentlichen Lebens, die liberal-konservative bis rechtslibertäre Positionen vertreten. "Gast-Reactions" finden zusammen mit "Progressiven" wie Heidi Reichenneck (Die Linke), Lukas Scholle (Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins Surplus und Geschäftsführer des Brumaire Verlags) oder Luisa Neubauer statt (Die Grünen, Fridays for Future). Die Interviewten passen zumeist ebenfalls in dieses Milieu, wenn auch der kürzliche Dialog mit FDP-Chef Christian Dürr eine gewisse Ausnahme darstellt.

Alles im allem kann man aber sagen: Höfgen füllt eine Lücke in der Finfluencer-Szene, in der ein Spektrum von unpolitisch bis rechts-libertär den Ton angibt. Sein provokanter, teils zynischer Ton nährt ein rebellisches Image, das gemessen an seiner stark wachsenden Follower-Zahl immer mehr junge Menschen für heterodoxe Finanz- und Wirtschaftspolitik begeistert – inklusive Kritik an der immer noch vorherrschenden neoklassischen Orthodoxie.

Genau darin liegt auch das politische Potenzial seiner Figur. Zwar hatten Höfgens Videos zuletzt – dem dominierenden Reaction-Format geschuldet – nicht mehr die analytische Tiefe wie zu Beginn seiner YouTube-Karriere. Doch es sind die eingängigen und häufig wiederholten postkeynesianischen Botschaften ("Die Schulden des Staates sind die Vermögen der Privaten", "die Geldmenge bestimmt nicht die Inflation" etc.), welche eine Identifikation zwischen Höfgen und der Followerschaft schaffen.

Ein umstrittener Fonds

Zentral für eine nachhaltige Identifikation und Vertrauen ist eine Eigenschaft: Glaubwürdigkeit. Und für jene ist wiederum Integrität maßgeblich, also die Übereinstimmung von Worten und Taten. Das gilt auch für Maurice Höfgen.

Mit wachsender Popularität spielen in seinen Videos auch bezahlte Werbepartnerschaften eine zunehmende Rolle. Das sind nicht nur die YouTube-typischen Einspieler von externen Anbietern vor dem Creator-Video, auch formuliert Höfgen eigens eingesprochene Product-Placements zu Beginn seiner Formate. Beides ist an sich nichts Ungewöhnliches oder Verwerfliches. Als hauptberuflicher Webvideoproduzent ist er für seine materielle Existenz auf Werbepartnerschaften angewiesen – so wie ein großer Teil der Szene.

Das Problem ist ein anderes: Promotet er Waren und Dienstleistungen, die im Gegensatz zu seiner politischen Botschaft stehen, schwächt dies seine Integrität und damit Glaubwürdigkeit. Genau ein solcher Widerspruch hat zuletzt Aufsehen erregt, insbesondere in der Finfluencer-Szene: Obschon Höfgen schon länger einen Werbedeal mit Trade Republic am Laufen hat – einer Neobank mit Fokus auf Kleinanleger – war das umworbene Produkt diesmal besonders kontrovers: die Investitionsmöglichkeit in private, nicht-börsennotierte Unternehmen.

Verbraucherschützer wie Stiftung Warentest warnen vor diesem sogenannten Private-Equity-Fonds: Investitionen in Private Equity seien "eventuell kaum handelbar, intransparenter und teurer als Investitionen in Aktien-ETF", so der Test-Verein.

Zwar versucht Trade Republic Liquiditätsengpässe mit einem internen Marktplatz für seinen Fonds zu überbrücken. Unklar aber bleibt, ob sich dort überhaupt Käufer finden lassen und falls ja, wie viele. Gibt es keinen Käufer, bleibt nur die Rückgabe an den Anbieter – und diese ist zumeist verlustreich.

Dann gibt Trade Republic eine Zielrendite von 12 Prozent an. Aber das sei "nur eine Prognose, die die Entwick­lung auf Basis historischer Daten sowie markt­üblicher Zielrenditen antizipiert", so die Neobank. Eine verlässliche Prognose ist angesichts der allgemeinen Logik von Finanzmärkten kaum aufzustellen: "Private Equity reagiert auf ein schlechtes wirt­schaftliches Umfeld genauso negativ wie Aktien. Auch hohe Zinsen wirken sich negativ aus", schreibt Stiftung Warentest.

Dazu sind die beiden von Trade Republic angebotenen Private-Equity-Fonds EQT und Apollo komplex und teuer: Während der EQT-Fonds 2,35 Prozent jährliche Managementgebühr und 5 Prozent Aufstiegsgebühr in den 18 Monaten veranschlagt, sind es beim Apollo-Fonds 4,51 Prozent jährliche Managementgebühr. Zum Vergleich: Ein iShares NASDAQ 100 ETF kostet nur etwa 0,32 Prozentpunkte pro Jahr.

Daneben ist der Fonds nur teilweise transparent: Während EQT konkrete Investments wie Flixbus nennt, hält Apollo die Unternehmensnamen geheim. Dies erschwert es Anlegern, Qualität und Risiken der Investitionen zu beurteilen.

Trade Republic und die Nachfragekrise

Höfgen macht also Werbung für ein unsicheres und teures Finanzprodukt. Die Risiken lässt er außen vor. Das ist schon aus Transparenz- und Verbraucherschutz-Gründen kritikwürdig. Aber wie wirkt sich die Werbung auf seine politische Integrität aus? Seine Krisendiagnose ist hierfür ein wichtiger Ansatzpunkt:

Derzeit typisch für Postkeynesianer diagnostiziert Höfgen eine "Konsum- und Nachfragekrise" für die es "ein Konjunkturprogramm, nicht Kürzungen und Sanktionen" bräuchte. Die Krise macht er richtigerweise an dem schwächelnden Konsumklima-Index und Reallöhnen fest, die immer noch auf dem Niveau von 2019 liegen.

Angemerkt sei auch, dass trotz gesunkener Reallöhne die Sparquote privater Haushalte ansteigt: Lag sie im ersten Halbjahr 2022 noch bei 10,1 Prozent, waren es zwei Jahre später ein Prozentpunkt mehr. Das heißt: Die Deutschen können sich nicht nur mengenmäßig weniger leisten im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau, sie sparen auch immer mehr von ihrem geringeren Real-Einkommen.

Ist der Handel auf Trade Republic ein gangbarer Weg, um die eigens diagnostizierte "Konsum- und Nachfragekrise" zu lösen? Eher nein – weder in Bezug auf die Konsum- noch in Bezug auf die Investitionsnachfrage.

Dadurch, dass Trade Republic auf Kleinanleger zugeschnitten ist, sollten die Produkte der Plattform einen größeren Einfluss auf den Konsum als Finanzprodukte für Großanleger haben. Anders als Großanleger mit einer hohen Sparquote widmen Kleinanleger Einkommen verstärkt um. Was zuvor für eine neue, meistens nicht unbedingt notwendige Anschaffung verwendet worden wäre, kommt nun dem Depot auf Trade Republic zugute.

Nun kann man auf den Makel der Finanzmärkte in der Art aufmerksam machen, wie es auch Höfgen es immer wieder tut: An der Börse wird nur umverteilt. Was der eine reinsteckt, zieht der andere raus – ein großes Nullsummenspiel. Ab Erstemission entwickelt sich der Kursverlauf einer Aktie anhand von Angebot und Nachfrage.

Die Anzahl der Aktien, die auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden kann, ist fest, während die Nachfrage und damit auch der Preis schwanken. Steigt der Kurs von Aktien, erzielen die Aktienbesitzer Buchgewinne – ihr Geldvermögen nimmt zu, sie sparen. Erst am "Zahltag", wenn Dividenden ausgeschüttet werden, zeigt sich, wie erfolgreich die Spekulation war.

Trade Republic bietet mit seinen Hauptprodukten – mehr als 12.400 Aktien und über 2.600 ETFs – Zugang zur Börse. Es ist derzeit nicht möglich, Aktien zu zeichnen, das heißt: sie vor dem Börsengang zu kaufen. Das Kerngeschäft von Höfgens Partner bleibt die Spekulation an der Börse. Dementsprechend stellen Private-Equity-Fonds eine Ausnahme im Segment der Neobank dar. Während es bei Aktien und Aktien-Fonds um die Umverteilung von Vermögen an der Börse geht, ist die Lage bei Private-Equity differenzierter.

Theoretisch könnte das Geld, welches in diesen Fonds fließt, als Unternehmensbeteiligung produktive Investitionen fördern – wenn damit neue Produktionskapazitäten aufgebaut werden, Innovationen stattfinden, oder Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Praxis zeigt jedoch: Häufig kaufen Private-Equity-Fonds bestehende Unternehmen auf und restrukturieren sie, um den Share-Holder-Value zu maximieren, zweigen Cashflows ab und verkaufen ihre Anteile nach einigen Jahren wieder. Die außergewöhnlich hohe und kurzfristige Renditeerwartungen der Geldgeber – zur Erinnerung: der Private-Equity-Fonds von Trade Republic strebt 12 Prozent an – fördert Management-Strategien, die sich weniger durch kapitalintensive Investitionen erzielen lassen als durch Einsparungen.

In Zeiten ohnehin gedrückter Konsumneigung entzieht der Kauf von Private-Equity-Fondsanteilen sowie von Aktien und Aktien-Fonds den Haushalten zusätzliche Konsumnachfrage und erhöht das Sparen im Finanzsektor. Die Gesamtnachfrage sinkt.

Während Aktien schnell wieder verkauft werden können, ist die Liquidität von Private-Equity-Fonds geringer. Wenn plötzlich eine große Ausgabe auf Kleinsparer mit geringem liquiden Finanzpolster anfällt, weil etwa eine neue Waschmaschine angeschafft werden muss, ist das insbesondere in Krisenzeiten prekär. In den unteren Einkommensschichten fördert es die private Verschuldung. Das gleiche gilt für Unternehmen, die trotz steigender Kosten und / oder geringeren Umsatz den aggressiven Renditeforderungen des beteiligten Fonds nachkommen müssen.

Das Politische und Private trennen?

Vor diesem Hintergrund weckt Höfgens Partnerschaft mit Trade Republic – und speziell die Werbung für Private-Equity-Fonds – Zweifel an seiner Integrität: was er in seinen Wirtschaftsanalysen kritisiert, bewirbt er gleichzeitig vor seinen Zuschauern. Der Jungökonom betont zwar immer wieder, dass er niemanden persönlich einen Vorwurf machen will, der Finanzprodukte kauft. Vielmehr betreffe seine Kritik eine gesellschaftliche Ebene.

Aber tangiert es nicht gerade diese gesellschaftliche – genauer: makrofinanzielle – Ebene, wenn er als reichweitenstarker "Finfluencer" seiner wachsenden Followerschaft riskante Anlagen empfiehlt? Höfgen sollte sich darüber bewusst sein, dass in seiner Person private und politische Botschaften verschwimmen. Seine Vorbildfunktion für ein junges, anpolitisiertes Publikum ist kaum zu unterschätzen. Angesichts dessen wäre es vielleicht auch bei lukrativen Partnerschaften eine Überlegung wert, Werbepartner mit Geschäftsmodellen außen vor zu lassen, die – in den Worten des Postkeynesianers Hyman Minsky – ökonomische und finanzielle Instabilität verursachen können.