Trumps Triumph

Der alte weiße Mann schlägt zurück

| 05. November 2024
IMAGO / UPI Photo

Mit ikonischen Bildern und eingänglichen Botschaften hat Donald Trump historisch triumphiert. Kamala Harris desaströse Niederlage hingegen steht sinnbildlich für einen abgewirtschafteten Linksliberalismus.

„Rettet sie die Welt?“ – fragten deutschsprachige Medien am Vorabend der US-Wahlen. Nein, nicht einmal gewählt wurde Kamala Harris. Mehr noch, es wurde ein Desaster für die Kandidatin „ohne Inhalte“ und ein Erdrutschsieg für Donald Trump, der als erster Präsident der Geschichte nach einer Abwahl erneut ins Weiße Haus einziehen darf. Was für ein historisches Comeback, das zudem mit der bislang von den Demokraten gehaltenen Mehrheit in der Kongresskammer vergoldet wurde. Mit anderen Worten, Trump kann durchregieren.

Die deutschen Medien – insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen – hielten bis zur letzten Patrone und bis zur unumstößlichen bitteren Wahrheit eisern an der Prognose fest, dass die seltsam glorifizierte Harris (ZDF: "Kompetent. Schlagfertig. Nicht weiß.") die erste weibliche US-Präsidentin wird, ja werden muss! Ganz nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Auch sie haben ihren Wahlkampf verloren, der mit neutraler Berichterstattung so viel zu tun hatte wie der Deutsche Fernsehfunk. Umso böser ist das Erwachen, auch für die 72 Prozent der Deutschen, die noch Mitte Oktober fest an einen Wahlsieg der demokratischen Kandidatin glaubten.

Ohnehin wäre ein Sieg von Harris – macht man sich ehrlich – einem weltpolitischen Anachronismus gleichgekommen. Der Zeitgeist war und ist längst gegen sie gerichtet, gegen das, was sie in den Augen vieler repräsentiert: Wokeness, Identitätspolitik, Geschlecht und Hautfarbe als Argument und Qualifikationskriterium, moralische Überheblichkeit und Arroganz. Dem selbstgerechten Hass auf die alten weißen Männer ist man überdrüssig geworden. Fast überall in der westlichen Welt ist ein rechter oder populistischer Backlash zu spüren, triumphieren Parteien, die die Antithese des nicht mehr länger hegemonialen Linksliberalismus sind. Die Welt hat sich weitergedreht, wird unsicherer und multipolarer. Die Supermacht USA hat sich überdehnt. Der progressive Neoliberalismus, der sich lange auf der Erzählung vom Ende der Geschichte und den „Segnungen“ der Globalisierung ausruhen konnte, hat de facto die Reallöhne der Mittelschicht unter Druck gesetzt und das Aufstiegsversprechen in den USA zerstört. Dann das Appeasement des demokratischen Establishments gegenüber der Wall Street seit den Clinton Jahren, dem Trumps Vize JD Vance ein Ende setzen will.

Der neoliberale Globalismus wird abgelöst durch nüchterne Geo-Ökonomie. Grenzschutz, Protektionismus und Sicherheit als materialistische Kernthemen werden für Staaten wie Bürger gleichermaßen wichtiger als transzendente Bedürfnisse am obersten Ende der Maslowschen Bedürfnispyramide. Und eine Luisa Neubauer, die eigens in die USA flog, um für Harris Wahlkampf zu machen, wirkte in dem großen Land, das für deutsche Akademikerkinder kaum zu verstehen ist, hoffnungslos verloren.

Das alles passt dem liberalen Establishment in Politik und Medien jenseits und diesseits des Atlantiks nicht, das – nebenbei bemerkt – in wesentlichen politischen Fragen der vergangenen Jahrzehnte stets falsch lag: Ob beim Verlauf des Afghanistan-Krieges, dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/08, den Ursachen der Euro-Krise und dem „Erfolg“ der Kürzungspolitik, den unzureichenden öffentlichen Investitionen und der deutschen Exportabhängigkeit, der „Demokratisierung“ durch Regime-Change Kriege und des „Wir schaffen das“ in der Flüchtlingskrise, dem „Erfolg“ der Wirtschaftssanktionen und dem Verlauf des Ukraine-Krieges, sowie bei Clinton versus Trump – und jetzt bei Harris versus Trump.

Und man muss den Narzissten Trump nicht mögen, um zu erkennen: mit ikonischen Bildern, einem cleveren Wahlkampf mit klaren und eingänglichen Botschaften hat er sich für viele Amerikaner passender gemacht für diese Welt als Harris, die sinnbildlich für einen intellektuell und programmatisch abgewirtschafteten Liberalismus steht.

Joe Biden war weniger ein Intermezzo als eine Episode dieser sich verändernden Welt. Seine Wirtschaftspolitik hatte mit den alten wirtschaftsliberalen Glaubenssätzen gebrochen und setzte die trump‘sche Abkehr vom Freihandel fort. Seine Bilanz: durchaus erfolgreich – und auch die "Forgotten People" können sich wieder über höhere Lohnschecks freuen. Doch diese Erfolge werden weniger wahrgenommen als die Inflation und schon gar nicht mit Kamala Harris assoziiert. Und was sind schon Statistiken gegen ein Gefühl? Können vier Jahre Bidenomics 40 Jahre alte strukturelle Verwerfungen, die Freihandelsabkommen, Finanzialisierung und Trickel-Down-Ökonomie hinterlassen haben, rückgängig machen?

Offen bleibt, was hierauf seitens der neuen Trump-Administration folgen wird. Und welche Antworten eine EU hat, die ebenfalls bis zuletzt nicht wahrhaben wollte, was nun eingetreten ist.

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