Die große Schlacht um das russische Vermögen
Die EU hat den umstrittenen Ukraine-Friedensplan von Trump in einem diplomatischen Kraftakt ausgebremst. Nun kommt der nächste, entscheidende Kampf. Er dreht sich ums Geld und entscheidet darüber, wie der Krieg weitergehen kann. Die Europäer sind wild entschlossen, Zeit zu kaufen - und die Ukraine weiterkämpfen zu lassen.
Es war ein diplomatischer Blitzkrieg, den Europa in dieser Form noch nie gesehen hat: Mit vereinten Kräften haben führende EU-Politiker dafür gekämpft, den umstrittenen Ukraine-Friedensplan von US-Präsident Donald Trump abzuschwächen und auszubremsen. Was in den Augen vieler Europäer wie ein russischer Wunschkatalog aussah, wurde von Kanzler Friedrich Merz, Präsident Emmanuel Macron und anderen EU-Granden in Windeseile entschärft.
Mit diesem diplomatischen Kraftakt hätten die Europäer nicht nur die drohende Kapitulation der Ukraine, sondern auch den „Nahtod der EU-Außenpolitik“ verhindert, meint die „Süddeutsche Zeitung“. In Wahrheit liegt die europäische Diplomatie seit Jahren im Wachkoma. Eigene Friedensinitiativen hat sie schon lange nicht mehr hervorgebracht. Trumps einseitiger Vorstoß wirkte wie ein Weckruf - er hat die EU aus dem Tiefschlaf gerissen.
Ein Umdenken hat er jedoch nicht bewirkt. Die EU lässt sich in der Außenpolitik weiter von der Ukraine leiten, statt endlich selbst Strategien zu entwickeln. Sie sucht immer noch keinen direkten Draht nach Moskau, sondern versucht, mögliche Verhandlungen von der Seitenlinie zu steuern und Trump auf dem Spielfeld zu halten. Sie klammert sich an Trump und Selenskyj, denn eigene wirkmächtige „Leader“ hat Europa nicht mehr.
Der Preis dieser angeblich wertegeleiteten, letztlich aber fatalistischen Politik ist hoch. Sie hat Europa keinen Frieden gebracht und der Ukraine nicht den versprochenen Sieg. Dabei haben die Europäer seit Beginn der russischen Invasion schon rund 66 Milliarden Euro bezahlt - nur für Waffenhilfe. Trump hat die Schwäche der EU genutzt, um ihr einen Handelsdeal aufzudrücken, der die Wirtschaft schwächt und sie von den USA abhängig macht.
Mit seinem Friedensplan hat der US-Präsident zudem noch versucht, sich das russische Vermögen unter den Nagel zu reißen, das auf über 200 Milliarden Euro geschätzt wird und zum größten Teil in Belgien „eingefroren“ wurde. Er will vom Wiederaufbau der Ukraine profitieren und sogar für amerikanische Sicherheitsgarantien abkassieren. Und natürlich lässt er sich die Waffen, die Selenskyj in den USA bestellt, fürstlich bezahlen - von Europa.
Ein selbständiger und selbstbewusster und Kontinent würde sich das nicht bieten lassen - und entweder alles daran setzen, unabhängig zu werden, oder den Krieg um die Ukraine schnellstmöglich zu beenden. Idealerweise sogar beides. Doch die EU vermag weder das eine noch das andere. Sie hat sich mehr denn je an die USA gebunden. Und statt schnell Frieden zu schließen, will sie den Krieg um die Ukraine sogar noch verlängern.
Die jüngsten EU-Pläne sind darauf angelegt, Selenskyj vor der drohenden Pleite zu retten und sein Land noch mindestens zwei Jahre kriegstauglich zu halten. Bis zu 140 Milliarden Euro will die EU dafür in Form von günstigen Krediten bereitstellen - zusätzlich zu den 50 Milliarden Euro, die bereits über die „Ukraine-Fazilität“ zugesagt wurden. Allerdings kann sich die EU diese Kriegskredite selbst nicht mehr leisten.
Das EU-Budget ist ausgereizt, die nationalen Kassen sind leer. Fast alle Länder kämpfen mit hohen Defiziten, worauf sie mit unpopulären Sparmaßnahmen reagieren. Noch mehr Geld nach Kiew zu schicken, während daheim die Renten gekürzt werden, würde die ohnehin wacklige Zustimmung zur Ukraine-Politik erschüttern und das Vertrauen in die EU untergraben. Deshalb will Brüssel nun auf das russische Vermögen zugreifen.
Es liegt beim belgischen Clearinghouse Euroclear, hier tobt auch die wohl entscheidende Schlacht dieses Krieges. Aus Sicht der EU ist es eine „Win-win“-Situation: Wenn sie sich das russische Geld aneignen kann, muss sie selbst nicht in die Tasche greifen - und der Krieg kann so lange weitergehen, bis die Ukraine wieder in einer stärkeren Verhandlungsposition ist. Mit diesem Argument wirbt die EU-Kommission für den gewagten Schritt.
In Wahrheit befinden sich die Europäer aber in einer Lose-lose-Lage: Wenn sie Euroclear zwingen, das russische Vermögen herauszugeben, begehen sie einen Rechtsbruch, der das Vertrauen der internationalen Anleger in Belgien und in die Eurozone nachhaltig untergraben könnte. Zudem riskieren sie massive Vergeltung Russlands - durch eine Klagewelle, aber auch durch Enteignung europäischer Vermögenswerte, auf die Moskau Zugriff hat.
Wenn sie aber auf den brisanten Eingriff verzichten und keine Alternative finden, kann die Ukraine den Krieg gegen Russland nicht wie bisher weiterführen - und die EU droht an den Folgen zu zerbrechen. Denn ihre gesamte Außenpolitik beruht darauf, Zeit zu kaufen - in der wahrscheinlich irrigen Hoffnung, dass die Ukraine in ein bis zwei Jahren militärisch besser dasteht. Aktuell ist sie auf der Verliererstraße.
Trump hat dies offenbar verstanden, die EU nicht. Sie klammert sich immer noch an die Illusionen, die sie seit bald vier Jahren zur ständigen Erhöhung ihres Einsatzes zwingen. Und sie scheint wild entschlossen, der Ukraine - und auch sich selbst - Zeit zu kaufen, bis zum bitteren Ende. Denn einen eigenen Friedensplan hat sie immer noch nicht. In Brüssel gilt es schon als großer Erfolg, dass man Trumps Plan abgewendet hat…