Makroskop
Bezemers Bilanz

China dominiert in sauberer Technologie, Amerika in KI – und Europa?

| 02. Dezember 2025

Vereinbarungen sind out, Autonomie ist in. In der Klimapolitik geht die Weltgemeinschaft keinen gemeinsamen Weg mehr, sondern wetteifert um die Vorherrschaft. Ist das Glas damit halb leer?

Am 10. November, einem Montag, begann der Klimagipfel in Belém. Er tagte zu einem verwirrenden Zeitpunkt in der Energiewende. Wo stehen wir jetzt? Die euphorischen Aussichten, die man nach 2015 hören konnte, auf eine Welt ohne Energieknappheit, die glücklich und nachhaltig innerhalb ihrer Bedürfnisse lebt, sind längst verflogen. Doch das ist nicht weiter tragisch: Da billigere Energie eine eigene Nachfrage nach mehr Energie hervorruft – das „Jevons-Paradoxon“ – war eine solche Zukunft ohnehin nie wahrscheinlich.

Die eigentliche Irritation liegt in dem verflogenen Optimismus in der Politik selbst. Europa hat die fortschrittlichste Klimapolitik aller Zeiten verwässert, abgeschwächt und aufgegeben. Donald Trump tut dasselbe mit dem Erbe von Joe Biden.

Der Klimagipfel selbst wirkt mittlerweile überholt in seinem Ablauf: Delegationen, Verhandlungen, Abschlusserklärung, Zeitplan, Ziele, Berichte. Ein Ansatz, der 2015 in Paris seinen Höhepunkt erreichte. Er existiert noch, aber die Dynamik liegt inzwischen woanders: in der Geopolitik. Vereinbarungen sind out, Autonomie ist in. Nicht mehr gemeinsam einen Weg gehen, sondern um die Vorherrschaft wetteifern. Ist das Glas damit halb leer?

Das gilt nicht für China, wo die Klimapolitik nie aufgehört hat. Das Land produziert achtzig Prozent aller Solarmodule und ein Drittel der Solarenergie. Seit 2023 ist diese billiger als Energie aus Kohle – ein Wendepunkt. China verfügt außerdem über alle Rohstoffe für saubere Technologien. Diese wachsen dort weiterhin exponentiell und werden, so scheint es, die Welt erobern – mit oder ohne Klimagipfel. Vielleicht ist das Glas also doch halb voll?

Nicht so schnell. Denn in den USA findet derzeit die vielleicht größte Investitionswelle in der Geschichte der Menschheit statt – in energieintensive Technologien. McKinsey erwartet, dass bis 2030 etwa sieben Billionen (siebentausend Milliarden) Dollar in Rechenzentren und andere KI-Infrastrukturen fließen werden. Das ist mehr als die gesamten Anlageinvestitionen in den USA in diesem Jahr. Rechenzentren verbrauchen derzeit fast vierhundert Terawattstunden, dreimal so viel wie 2005. Der Energiebedarf von Amazon, Apple, Google, Meta und Microsoft wird sich bis 2030 noch einmal mehr als verdoppeln. Dann wird es viermal so viele Rechenzentren geben wie heute, die dann genauso viel Energie verbrauchen wie die gesamte japanische Wirtschaft.

Natürlich kann ein Großteil dieser Energie bis dahin aus sauberen Quellen stammen, und die KI wird vielleicht sogar dazu beitragen, mehr Energie zu sparen. Aber auch der Gas- und Ölsektor wird dadurch effizienter werden. Wood Mackenzie, ein Unternehmen für die Exploration fossiler Brennstoffe, stellte im August Analogues vor, ein KI-Tool, mit dem bis zu zwölf Prozent mehr Öl aus bestehenden Feldern gewonnen werden kann. Das sind eine Billion zusätzliche Barrel bis 2030. Und dafür gibt es eine Nachfrage, schreibt das Unternehmen, „denn der Übergang zu nachhaltiger Energie verläuft langsam”.

Jetzt, wo wir saubere Technologie in großem Maßstab zur Verfügung haben, kommt eine andere Technologie auf, die extrem viel Energie benötigt, unaufhaltsam ist und in einem Land wächst, das den steigenden Energiebedarf nicht mit sauberer Technologie decken will, sondern voll auf fossile Brennstoffe setzt. Ist das Glas also doch halb leer?

Vielleicht. Der Anteil sauberer Energie an der Gesamtenergieversorgung steigt weiterhin rapide, aber die Emissionen aus fossilen Energien nehmen immer noch zu – und das ist das Einzige, was für die unmittelbaren Auswirkungen auf das Klima zählt.

Der Ausgang dieses verwirrenden Wettlaufs zwischen Erwärmung und Ökologisierung ist ungewiss. Doch Hannah Ritchie ist in ihrem Buch „Clearing the Air“ durchaus hoffnungsvoll: Wir haben noch etwa dreißig Jahre Zeit, schreibt sie, um die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, saubere Technologien werden exponentiell billiger, und die dystopischsten Szenarien – siehe beispielsweise Six Degrees: Our Future on a Hotter Planet von Mark Linas aus dem Jahr 2007 – werden nicht eintreten, das ist mittlerweile klar.

Hannah Ritchie las Linas Buch als Vierzehnjährige und erschrak sich zu Tode. Jetzt kartografiert sie die Welt zwischen Hoffnung und Angst mit Daten. Dabei geht sie jedoch nicht auf die Wechselwirkung zwischen Geopolitik und Technologie ein, die alles entscheidend sein wird.

Auf diesem Spielfeld scheinen die Karten gemischt zu sein: China wird dominant in sauberer Technologie, Amerika in KI (und Europa denkt noch darüber nach). Es gibt Raum für Hoffnung und Sorge, dass die Ökologisierung nicht ausreicht. Ritchies Botschaft lautet: Es muss schnell gehen, aber es geht auch schnell und es ist noch möglich.

Das sind gute Nachrichten, aber wird es auch schnell genug gehen? Diese Frage wird nicht in der Abschlusserklärung eines Klimagipfels beantwortet werden, sondern im ungewissen Zusammenspiel von Technologie und Geopolitik.