Spotlight

Geld, Zins und Beschäftigung

| 16. Mai 2023
istock.com/Anton Vierietin

Liebe Leserinnen und Leser,

der Titel dieses Spotlights bezieht sich auf die "Allgemeine Theorie" von John Maynard Keynes, von der behauptet wird, dass mit ihr die "Keynesianische Revolution" eingeläutet wurde. "Beschäftigung, Zins und Geld" sind nach Keynes zum Verständnis der Funktionsweise moderner Volkswirtschaften von essenzieller Bedeutung. 

Wie die versammelten Beiträge dieses Spotlights zeigen, gibt es auch unter Makroskopen große Meinungsunterschiede, für was exakt diese Begriffe stehen, welche Zusammenhänge als empirisch bestätigt gelten können und welche gesamtwirtschaftlichen Effekte sie zeitigen.

So wird heftig darüber gestritten, was die Höhe der Zinsen bestimmt und welche Rolle sie bei der Steuerung einer Volkswirtschaft spielen.Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker auf der einen und Dirk Ehnts und Daniel von Ahlen auf der anderen Seite sind sich zwar weitgehend einig, dass die Geldpolitik weitgehend das Zinsniveau bestimmt. Dissens besteht aber darüber, inwieweit der Zinssatz unternehmerische Investitionen und damit das Beschäftigungsniveau zu beeinflussen vermögen. Ehnts und von Ahlen sind der Meinung, dass der Glaube an die Macht der Zinspolitik nach dem Motto "Zinsen runter – Investitionen hoch" und umgekehrt "Zinsen runter – Investitionen hoch", sich empirisch nicht belegen lasse. Flassbeck und Spiecker dagegen sind sich sicher, dass gerade ein Blick auf die Empirie das genaue Gegenteil belege.

Die von ihnen bemühten empirischen Evidenzen allerdings beruhen auf der Annahme, dass der „Kern des Bankengeschäfts in der „Fristentransformation“ zu suchen ist, wie Flassbeck und Spiecker schreiben. Banken leihen sich demnach kurzfristig rückzahlbare Gelder, etwa von Sparern oder der Zentralbank, die sie dann in Form längerfristiger Darlehen an Unternehmen und Private weitergeben.

Günther Grunert argumentiert jedoch, dass dieses Bild nicht nur etwas „schief“ ist, sondern mit der Tatsache der Geldschöpfungsfähigkeit von Banken nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Schöpften Banken aber übermäßig Geld, so Grunert weiter, dann führe das zur Destabilisierung des Finanzsystems, die vom amerikanischen Ökonomen Hyman Minsky schon Ende der 50er Jahre theoretisiert wurde und in seiner Hypothese der finanziellen Instabilität des „Money Manager Capitalism“ kurz und bündig zusammengefasst werden kann.

Wer die von der Profitlogik getriebenen Geschäftsbanken für eine prosperierende Wirtschaft als dysfunktional erachtet, mag sich daran erinnern, dass Sparkassen Anstalten öffentlichen Rechts mit Gemeinwohlauftrag sind. Wie Franz Schneider in seinem Artikel darlegt, sind Sparkassen aber inzwischen ebenfalls „zu Gejagten der Renditelogik geworden.“

Wer oder was ist für die Höhe der Zinsen verantwortlich zu machen? Nach Meinung von Jakob Steffen läuft schon diese Frage ins Leere. Den Zins gäbe es nicht, stattdessen müsse ein Geldzins von einem Kapitalzins unterschieden werden. Der eine werde im finanzwirtschaftlichem und der zweite im realwirtschaftlichem Kreislauf gebildet.

Steffen versucht, eine Synthese zwischen einer keynesianischen und einer wicksellianischen Zinstheorie. An einer solche Synthese von keynesianischen und neoklassichen Theorien haben sich in einem viel beachten Buch die renommierten Ökonomen Christian von Weizsäcker und Hagen Krämer ebenfalls versucht. Paul Steinhardt argumentiert in seinem Beitrag, dass sich damit zwar für Postkeynesianer typische wirtschaftspolitische Rezepte – wie etwa eine expansive Fiskalpolitik – begründen lassen, es aber für ein Verständnis der Funktionsweise kapitalistischer verfasster Wirtschaftsordnungen keinen Fortschritt bedeutet.

Domenika Tropeanos Ausgangspunkt ist keine Theorie, sondern ein vorurteilsfreier Blick auf die Realität des Zusammenhangs zwischen Zentralbanken und Finanzmärkten. Sie argumentiert, dass ein Verständnis für geldwirtschaftliche Phänomene wie dem Zins unabdingbar erfordern, dass Zentralbanken ein sogenanntes marktbasiertes Finanzsystem befördert haben. Die damit etablierten Marktmechanismen führten zu nicht vorhergesehen systemischen Risiken. Der Versuch, diese durch staatliche Regulierung wieder einzufangen, sei gescheitert. Vielmehr seien Zentralbanken zu Risikoversicherer von Finanzmarktteilnehmern geworden, ohne dass sie dafür aber eine Risikogebühr zu bezahlen hätten.