Aufgelesen

Soziologie der Hipster

| 23. April 2021
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Andreas Reckwitz hatte mit seiner Erzählung von der »Gesellschaft der Singularitäten« ein großes mediales Echo. Er postuliert einen allgemeinen sozioökonomischen Paradigmenwechsel, beschreibt aber eher kulturelle Trends der urbanen Mittelschicht.  

Seit den 1950er Jahren haben Soziologen den jeweiligen politischen Zeitgeist und dessen mediales Grundrauschen mit ihren Publikationen unterfüttert, wenn nicht geprägt. Es begann 1953 mit Helmut Schelsky und dem bis heute nachklingenden Narrativ der »nivellierten Mittelstandsgesellschaft«. Demnach verwandelt sich die alte Klassengesellschaft nach und nach in eine von ähnlichen Lebensformen und Wertsetzungen geprägte pluralistische Gesellschaft. Martin Bolte variierte diesen Ansatz in den 1970er Jahren mit seinem »Zwiebel-Modell«, in dem die Bevölkerung nach Bildung, Einkommen und Beruf in eine kleine Oberschicht, eine breite diversifizierte Mittelschicht und eine abgehängte Unterschicht eingeteilt wurde.

In den 1980er und 90er Jahren prägte Ulrich Beck mit dem Paradigma der »Risikogesellschaft« den gesellschaftspolitischen Diskurs. Zwar sei durch einen »Fahrstuhleffekt« der allgemeine Lebensstandard in allen Schichten gewachsen, mit der zunehmenden Individualisierung der Arbeits- und Lebensformen hätten sich aber zugleich die allgemeinen Lebensrisiken zugespitzt, denen man mit den tradierten Formen des Korporatismus nicht mehr angemessen begegnen könne. Die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger habe an Bedeutung gewonnen. Dieses Narrativ bildete eine, wenn nicht die Begründung für die Agenda 2010 der rot-grünen Koalition.

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