Freundliche Floskeln gegen den Handelskrieg
US-Präsident Trump ist mit Attacken auf Europa in seine zweite Amtszeit gestartet. Die EU reagiert darauf äußerst defensiv. Denn die Abhängigkeit von den USA ist größer denn je. Und eine eigene Strategie hat man in Brüssel noch immer nicht.
Donald Trump hat den Handelskrieg gegen Europa eröffnet. „Die EU ist sehr schlecht für uns“, erklärte der neue US-Präsident nur einen Tag nach seiner pompösen „Inauguration“ in Washington. „Sie kaufen nicht unsere Autos oder unsere Agrarprodukte. In Wahrheit kaufen sie überhaupt nicht viel. Also sind sie reif für Zölle.“
Das würde die EU nicht auf sich sitzen lassen, da käme energischer Widerspruch aus Brüssel - sollte man meinen. Schließlich will Europa eine Großmacht im Handel sein. Die EU hat sogar Instrumente zur „Trade defence“ - also zur Abwehr unfairer Handelspraktiken - entwickelt. Damit wollte sie Lehren aus Trumps erster Amtszeit ziehen.
Doch nun, da der MAGA-Mann schon wieder im Oval Office sitzt und erneut mit Strafzöllen droht, kommt - nichts. Weder die Finanzminister noch der Handelskommissar haben Trumps Attacke ordentlich pariert. Man wolle abwarten und sich „konstruktiv mit der neuen Regierung einlassen“, erklärte der deutsche Finanzminister Jörg Kukies.
Die zurückhaltende, äußerst defensive Reaktion ist kein Zufall. Vielmehr haben sich die EU-Staaten auf eine Sprachregelung geeinigt, der offenbar auch Kukies folgt. Nicht weniger als sieben „Talking points“ wurden mit Ratspräsident Antonio Costa vereinbart, wie „telepolis“ unter Berufung auf interne EU-Dokumente berichtet.
Dazu gehören freundliche Floskeln wie: “Die EU und die USA verbindet eine tiefe Freundschaft und Allianz“. Abgedroschen klingt auch die Devise, wonach man "eine starke und ausgewogene Wirtschaftspartnerschaft EU-USA“ anstrebe. Es gibt aber auch versteckte Warnungen. “Die EU wird ihre Interessen verteidigen“, heißt eine Formel.
Dieses „Messaging“, das in den nächsten Wochen noch verfeinert werden soll, richtet sich nicht nur an die USA, sondern auch an die europäische Öffentlichkeit. Es soll beruhigen und eine verbale Eskalation vermeiden. So weit, so gut. Das Problem ist jedoch, dass Brüssel mit solchen Worthülsen nicht agiert, sondern nur reagiert.
In der Handelspolitik ist dies offensichtlich. Die EU-Politiker setzen darauf, dass sich Trump zunächst Mexiko und Kanada vorknöpfen wird. Für Europa gelte der Stichtag 1. April, heißt es in Brüssel. Dann treten nämlich die Zölle auf Stahl und Aluminium wieder in Kraft, die Trump bereits in seiner ersten Amtszeit eingeführt hatte.
Auf den Gedanken, proaktiv zu handeln und Trump sofort die Grenzen aufzuzeigen, kommt offenbar keiner. Wie auch - denn dafür müsste man ja einen direkten Draht zum neuen starken Mann in Washington haben. Eine Kontaktaufnahme vor dem Machtwechsel haben jedoch beide Seiten tunlichst vermieden, offizielle Termine gibt es immer noch nicht.
Hinter dieser ängstlichen Haltung verbirgt sich eine eklatante Schwäche: Zum Start von Trump II. ist Europa abhängiger von den USA denn je. Nach den schlechten Erfahrungen mit Trump I. haben die EU-Chefs zwar viel von „strategischer Autonomie“ und „technologischer Souveränität“ geredet. Doch getan haben sie wenig.
Die Kooperation mit Russland wurde beendet, der Handel mit China eingeschränkt. Zur Begründung wurden der Ukraine-Krieg und der Schutz der heimischen Wirtschaft angeführt. Doch damit hat sich Europa von günstiger Energie aus Russland und riesigen Märkten in China abgeschnitten - und die eigene Position geschwächt.
Eine Strategie stand auch nicht dahinter. Denn zugleich hat man sich in die Arme der USA geworfen. Kommissions-präsidentin Ursula von der Leyen konnte die transatlantische Zusammenarbeit nicht eng genug sein, jeden Schritt hat sie mit dem früheren US-Präsidenten Joe Biden abgesprochen. Nun sitzt sie in der Trump-Falle.
Vor allem bei der Energieversorgung und in der Verteidigung ist die EU auf Gedeih und Verderb auf Trump angewiesen. Doch statt die Abhängigkeit abzubauen, wie es eine wohl verstandene „strategische Autonomie“ geböte, erwägt die EU-Kommission nach ersten, unbestätigten Plänen, noch mehr Flüssiggas und noch mehr Waffen in den USA zu kaufen.
Dabei spricht nun wirklich nichts dafür, dass sich der US-Präsident mit diesen Zugeständnissen zufrieden geben würde. Im Gegenteil: Er hat angedeutet, seinen Handels-krieg mit sachfremden Themen wie der Digitalpolitik oder dem Ukraine-Krieg verknüpfen zu wollen. Strafzölle könnten sogar gegen missliebige EU-Gesetze erlassen werden.
Zugegeben: Es fällt verdammt schwer, bei so viel Willkür eine wirksame Gegen-Strategie zu entwickeln. Doch gerade weil es schwer fällt und Trump unberechenbar ist, müsste die EU ihm so schnell und so unmissverständlich wie möglich Einhalt gebieten. Dass sie dies nicht versucht, sondern abwiegelt, könnte sich noch bitter rächen.
Mit freundlichen Floskeln verhindert man keinen Handelskrieg, im Gegenteil: Man ermutigt den Angreifer, noch weiter zu gehen und noch mehr aus Europa herauszupressen.