Verringern höhere Staatsschulden wirklich das Wachstum?
Die Pandemie hat zu einer Lockerung der Finanzpolitik geführt. Doch es darf nicht passieren, dass die Austerität durch eine unbewiesene Orthodoxie wiederkehrt.
Nur wenige Wirtschaftsstudien haben das Leben von Millionen von Menschen so stark beeinflusst wie die populäre Studie 'Growth in a time of debt', die 2010 von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff veröffentlicht wurde. Die beiden Professoren kamen in ihrem Papier anhand historischer Datenreihen zu Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum zum Schluss, dass eine Staatsverschuldung von mehr als 90 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) mit deutlich geringeren Wachstumsraten verbunden ist. Der Befund lud zu einer kausalen Interpretation ein: eine hohe Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP ist schlecht für das Wachstum.
Es dauerte nicht lange, bis das auch politische Auswirkungen zeitigte. Vor allem in Europa beriefen sich einflussreiche politische Entscheidungsträger auf Reinhart und Rogoff, um für einen strikten Sparkurs zu plädieren. „Seriöse empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die öffentliche Verschuldung bei einem derart hohen Niveau eine ständige Wachstumsbremse darstellt", sagte der damalige EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Im Vereinigten Königreich erklärte der Finanzminister George Osborne: "Wie Reinhart und Rogoff überzeugend darlegen, haben alle Finanzkrisen letztlich ihren Ursprung in einer Sache" – einer hohen Staatsverschuldung. Und in den Vereinigten Staaten trompetete der einflussreiche Kongressabgeordnete Paul Ryan: „Eine bekannte Studie … bestätigt eine Schlussfolgerung des gesunden Menschenverstands. Die Studie fand schlüssige empirische Beweise dafür, dass eine Bruttoverschuldung ..., die 90 Prozent der Wirtschaft übersteigt, einen signifikanten negativen Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat.“
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