Debatte

Der Weiße Elefant oder: Wullwebers „Politische Theorie des Geldes“

| 26. Januar 2023

Vom „Wert“ des Geldes, Waren- und Tauschtheorie oder: ein geldtheoretischer Disput über Joscha Wullwebers Buch „Zentralbankkapitalismus“.

Die scharfe Replik auf meine beiden MAKROSKOP-Artikel (Der Gold-Anker – eine historische Lüge und Digitaler Euro: Rettender Anker oder neuer Problemfaktor?) durch Hans Wiederhold könnte man als Weigerung betrachten, deren Intention zu verstehen. Durch unklare Formulierungen am Anfang trage ich daran eine gewisse Mitschuld. Ich mache nicht deutlich genug, dass es mir um ein Plädoyer gegen die Behauptung geht, Geld könne „gedeckt“ werden.

Der Deckungsbegriff beruht auf der Vorstellung eines vorgegebenen, absoluten, starren Wertes. Gold verkörpert diese Vorstellung am deutlichsten. Aber auch in der Vorstellung, dass Geld eine Ware mit einem „intrinsischen“ Wert ist, wird immer noch an der Überzeugung festgehalten, dass in dem Geld ein Vermögenswert enthalten sei.

Allerdings deutet die Tatsache, dass wir mittlerweile von erstrangigem, zweitrangigem und drittrangigem Geld sprechen, darauf hin, dass eine Relativierung  von „Werten“ stattgefunden hat. Das ist nur durch eine Intervention des Menschen möglich. Genau darauf möchte ich durch die Verwendung des Sicherheits-Begriffs hinweisen. Menschen sind es nun, die diese unterschiedlichen Sicherheiten versprechen. Ich spreche von „Sicherheitsgraden“.

Die Beziehung zwischen dem Geld und dem Wert erfährt durch die Akzentverschiebung auf die Sicherheit eine fundamentale Veränderung. Sie wirkt sich auf die Funktionsweise des gesamten Geld- und Finanzsystems aus. Welcher Natur die „Sicherheitsstruktur“ dieses Systems ist, hat meiner Ansicht nach bisher am besten Joscha Wullweber in seinem Buch „Zentralbankkapitalismus“[1] herausgearbeitet.

Ich nehme zwar Bezug auf Joscha Wullweber, hätte aber deutlicher machen müssen, dass er als Verfasser der „Politischen Theorie des Geldes“ im dritten Kapitel seines Buches „Zentralbankkapitalismus“ der „weiße Elefant im Raum“ – das heißt, in meinem Text – ist.

Wiederhold und sein „Gedankenfreund“ Werner Polster haben sich bereits an Wullweber „abgearbeitet“. „Abgearbeitet“, weil sie in dieser Rezension zeigen, dass sie die „Politische Theorie des Geldes“ nicht verstehen (wollen/können). Das ist bei Gott keine Schande. Aus meiner Sicht ist Wullwebers Theorie von einer bahnbrechenden Tiefe im Hinblick auf zukünftige geldtheoretische Diskussionen. Gleichwohl fällt die Rezension des „weißen Elefanten“ durch Wiederhold und Polster vernichtend aus.

Was meint der „weiße Elefant im Raum“?

Die Auseinandersetzung mit Wullweber hilft zugleich, die von mir verwendeten Begriffe „Wert“ und „Sicherheit“ und vor allem den fundamentalen Unterschied zwischen beiden verständlich zu machen.

Wullweber erteilt der Waren- und Tauschtheorie eine klare Absage. Geld hat für ihn keinen intrinsischen Wert. Geld kann nicht mit einer Ware identisch erklärt werden. Ein „Wert“ des Geldes kann nicht aus dem Geld selbst erklärt werden. Wenn man das tut, dann behauptet man eine „natürliche“, „essenzialistische“, „abstrakte“ Beziehung zwischen „Geld“ und „Warenwert“. Wullweber spricht von einem „klassischen Essentialismus“.[2] Den Wert, den man im Geld verortet, macht man im gleichen Moment zu einem Absolutum. Das Geld wird zum „abstrakten Äquivalent“ der partikularen, einzelnen Waren erklärt. In seiner angeblichen objektiven Neutralität entzieht es sich jedem kritischem gesellschaftlichem Diskurs.

Es sollte einleuchten, dass ein solcher Geldbegriff ein „bequemer“ (wenn auch falscher) Geldbegriff ist. Bequem für all jene, die mit der Vergabe von Geld im Rahmen eines Kreditvertrags Geld verdienen wollen. Geld ist für sie ein Vermögen. Sie verzichteten schließlich für eine bestimmte Zeit auf die Nutzung desselben und hätten deshalb Anspruch auf den Zinsgewinn, so die Rechtfertigung.

Da es sich Zentralbanken nicht gerne mit der privaten Bankenwelt verderben wollen, brauchten die britische Notenbank und die deutsche Bundesbank sehr lange Zeit, bis sie öffentlich eingestanden – 2014 und 2017 –, dass Geld beim sogenannten Primärkredit, also seiner Erstverwendung, „geschöpft“ wird. Dieses Geständnis impliziert, dass die Geldvergabe bei einem solchen Kredit nicht in Form einer Weiterreichung von Geld stattfindet, das fleißige Sparer zur Bank gebracht haben. Es ist vielmehr durch Knopfdruck ganz einfach „da“.

Der Kredit in Form einer Weiterreichung von vorhandenem Geld hingegen wird „intermediärer Kredit“ genannt. Von den Geschäftsbanken, allen relevanten Medien, unbedarften Regierungen und Parlamentariern wird bis auf den heutigen Tag behauptet – weil vermutlich tatsächlich geglaubt –, dass die kreditäre Geldvergabe als intermediärer Kredit erfolgt.

Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache des durch Tastendruck erzeugten Geldes der Behauptung, in dem Geld sei ein Wert vorhanden, fundamental entgegensteht. In dem Geld kann sich kein Wert „verbergen“, der durch irgendeine Vorleistung oder einen vorgelagerten Geschäftsvorfall zu rechtfertigen sei. Wenn aber im Geld keine Instanz vorhanden ist, „die es richtet“, wer ist dann für die Geld-„Ordnung“ zuständig?

Die Menschen als dritte Instanz

Wullweber gibt hierauf folgende Antwort: „Die Lösung der Tauschproblematik liegt in der Schaffung einer dritten Instanz, zu der alle Waren ins Verhältnis gesetzt werden können. In dieser dritten Instanz drücken sich dann die Verhältnisse der anderen Waren aus.“[3] Dies präzisiert er noch einmal:

„So ist es möglich, dass Geld zugleich etwas Partikulares (eine Ware) und etwas Universelles (der allgemeine Wertmaßstab) sein kann.“[4]

Dann erweitert Wullweber den Aufgabenbereich des Geldes „Geld definiert nun als allgemeiner Wertmaßstab nicht mehr nur das Verhältnis der Warenwerte zueinander, sondern es bestimmt, was als Ware gilt und was nicht. Geld drückt sowohl die Warenwerte als auch die Grenzen des Warensystems aus.“[5]

Noch genauer sollte es heißen: „Menschen sind diese ‚dritte Instanz‘, die ‚Geld‘, also diesen ‚allgemeinen Wertmaßstab‘ als Instrument handhaben, um das ‚was als Ware gilt‘ und ‚das Verhältnis der Warenwerte zueinander‘ zu bestimmen.“ Denn das Intervenieren von Menschen ist von fundamentaler Bedeutung für Wullwebers Geldbegriff.

Um zu verstehen, was Wullweber mit der „dritten Instanz“ genau meint, müssen wir den Begriff des „Mastersignifikanten“ einführen. Sein geistiger Erfinder ist Ernesto Laclau.[6] Dieser nennt ihn auch „leerer Signifikant“. Er ist das Instrument, mit dem die zwei Fragen beantwortet werden können, die sich aus der Gelddefinition Wullwebers ergeben:

  1. Was gilt als Ware?
  2. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen den Warenwerten bestimmen?

Besonders wichtig ist es, darauf hinzuweisen, dass ein Instrument von Menschen gehandhabt wird und dass diese entscheiden, wie das geschieht. Wie entscheiden sie also, „was als Ware gilt und was nicht“?

Bereits in diesem Anfangsstadium der von Wullweber so genannten „Aushandlungen“ setzt ein heftiges „Streiten“ ein. Wenn ein zustimmender Konsens erreicht wird, wird eine „Sache“ zur Ware und damit bepreisbar. Das heißt aber noch lange nicht, dass nun der Aushandlungsprozess zu Ende ist. Gerade jetzt wird es hochkonfliktuell. Es geht nämlich darum, noch einmal unter allen „Sachen“ mit Warencharakter zu selektieren bzw. zu differenzieren. Der Verkauf einer Ware kann verboten werden, er kann aber auch mit Konditionen belegt werden. Und schließlich sind da die Waren, die parlamentarisch bzw. – noch demokratischer – gesellschaftlich ohne Einschränkung akzeptiert werden.

Nach Wullwebers Vorstellung sollte der Prozess, der zu einem Aushandlungsergebnis führt, über die staatlich und gesetzlich eingehegte Sphäre hinausreichen. Damit weist er in die Richtung einer partizipatorischen Demokratie. Die Aushandlungen in diesem partizipatorischen Prozess finden über Werte, genauer gesagt, über Vorstellungen von Werten statt.

Allerdings kann im gegenwärtigen historischen Stadium unseres Geld- und Finanzsystems von einer Einbindung der „Gemeinschaften unabhängig vom Staat“[7] in diese Aushandlungsprozesse keine Rede sein. „Aushandlungen“ – wenn man das so nennen kann – finden hinter schallgedämpften Türen in Vorstandszimmern unter „Entscheidern“ statt.

Nun zur zweiten Frage der Bestimmung der Verhältnisse/Relationen zwischen den Warenwerten. Wie stellt sich die dritte Instanz, also der Mastersignifikant, da? Als Zahl: „Es ist die Zahl, die zählt.“[8]

Hier könnte man darüber diskutieren, wie „leer“ dieser Mastersignifikant wirklich ist. Ganz leer kann er nicht sein, da ist Wullweber Recht zu geben. Er teilte mir in einer Mail im November 2022 mit:

„Völlig leere Signifikanten wären solche, die keinerlei Information mehr enthalten. Zahlen beinhalten aber die Information der Differenz (1 ungleich 2 ungleich 3 etc.) und auch eine relative Hierarchie.“[9]

Die Zuordnung von Zahlen zu Warenwerten ist keine friedliche Angelegenheit. Da werden „Kampfpreise“ festgelegt.[10]

Der Mastersignifikant verkörpert die „dritte Instanz“. Laclau entwickelt diesen Begriff im Rahmen seiner Hegemonietheorie teilweise in Zusammenarbeit mit Chantal Mouffe:

„In der Hegemonietheorie ist es insbesondere der Übergang von partikularen Interessen zum Allgemeininteresse, symbolisiert durch den Mastersignifikanten, in dem die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stattfinden.“[11]

Hegemon in diesem Sinne ist, wer – salopp ausgedrückt – der Allgemeinheit am erfolgreichsten sein privates Interesse als das Interesse aller „verkaufen“ kann und damit die größte Anhängerschaft findet. Diese Bestrebungen stehen immer auf Treibsand, denn Hegemonie zeichnet sich durch „die Kombination von Zwang und Konsens“ aus.[12]

„Sicherheitsstrukturen“  und Kreditsysteme

Hier ergibt sich ein Anknüpfungspunkt an die eingangs erwähnten „Sicherheitsgrade“. Auch Wullweber versteht unter „Sicherheitsstrukturen“ „Stufen der Absicherung“ in der gesamten Kredithierarchie, genauer ausgedrückt: die „Differenzierung der Sicherheit und Liquidität verschiedener Geld- und Kreditformen“.[13]

Genau davon spreche ich, wenn ich formuliere: „Unser Geldsystem weist zwei Sicherheitsstufen auf: Das Geld mit der stärkeren Sicherheitsgarantie – staatliches Geld – stützt das Geld mit der geringeren Sicherheitsgarantie – privates Giralgeld der Geschäftsbanken.“ Nach Wullweber findet der entscheidende hegemoniale Kampf zwischen „privaten und staatlichen Absicherungsstrukturen“[14] statt.

Was Wullweber beschreibt, ist das Ringen staatlicher und privater Geldemittenten um die hegemoniale Vorherrschaft, das Ringen um die Herstellung eines temporären Gleichgewichtszustands, das Sich-Hangeln von einem Gleichgewichtszustand zum nächsten in einem grundsätzlich instabilen Geld- und Finanzsystem. Das dritte Kapitel ist eben kein „Fremdkörper“ im Buch von Wullweber, wie Wiederhold und Polster in ihrer Rezension meinen.

Wiederholds Geld- und Kreditbegriff ist eng an die Vorstellung eines „Wertes“ im Geld gekoppelt. Wenn ich das richtig sehe, dann spricht er eigentlich vom „intermediären“ Kredit, denn der kann einen (Vermögens-)Wert beanspruchen. Er spricht aber tatsächlich nur vom Primärkredit, der geschöpftes Geld verwendet. Kann es sein, dass der Unterschied für ihn keine Relevanz hat?

Mit einer verblüffenden Nonchalance wischt er in seiner Wullweber-Rezension die gesamten Forschungsergebnisse von David Graeber[15] mit einem Handstreich vom Tisch. Sie besagen, dass sich die Behauptung von der Ableitbarkeit des Geldes aus dem Warentausch nicht halten lässt. Geld geht der Entstehung von Märkten voraus. Und die Entstehung von Märkten bedarf staatlicher Regelungen. Wiederhold leitet wie „die übliche Wirtschaftswissenschaft das Geld aus den Tauschbeziehungen“ her. Wenn aber jemand behauptet, dass Geld wie eine Ware bzw. als Stellvertreter-Ware zu betrachten sei, dann behauptet er auch, dass Geld einen „intrinsischen“ Wert habe.

Wiederhold hat offensichtlich ein Verstehensproblem mit dem „intrinsischen“ Wert und dem Begriff des „Wertverhältnisses“. Das zeigt die folgende Textpassage aus der erwähnten Rezension (man beachte besonders die kursiven Sätze):

„Ausgangspunkt ist für Wullweber ‚die Annahme, dass Waren keinen natürlichen oder intrinsischen Wert haben, sondern der Warenwert gesellschaftlich konstruiert ist. Geld drückt das Wertverhältnis der Waren zueinander aus und fungiert auf diese Weise als allgemeines Äquivalent für alle Vermögenswerte. (…) Geld stellt daher die Maßeinheit eines Wertes dar, der sich aus einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess ergibt‘ (S. 54 f., Herv.i.O.). Wie kann Geld als Maßstab dienen, wenn es selbst keinen Wert hat? Macht nichts, denn die Waren haben auch keinen, meint Wullweber. Welchen Sinn macht dann der Satz, dass ‚Geld das Wertverhältnis der Waren zueinander aus(drückt)‘? Was ist ein Wertverhältnis ohne Wert?“

In seiner „Politischen Theorie des Geldes“ entsorgt Wullweber die Vorstellung vom intrinsischen Wert und damit die Waren- und Tauschtheorie des Geldes. Dem schließe ich mich an. Hier liegt der vielleicht wesentliche Grund für die Verkennung der Intention meiner beiden Texte durch Wiederhold.

MMT, Vollgeld, Quantitätstheorie, Ressourcen

Zum Ende seiner Replik wischt Wiederhold auch die MMT zur Seite. Ihm sollte bekannt sein, wie die MMT sich definiert. Dirk Ehnts sagt es doch ganz eindeutig: „MMT erhebt den Anspruch, als Theorie eine empirisch nachweisbare Beschreibung der Realität zu liefern.“[16] So ist Wiederhold nur zu entgegnen: Widerlegen Sie die Beschreibung der MMT! Stellen Sie eine „empirisch nachweisbare Realität“ dagegen. Was Vollgeld und MMT betrifft, wäre die Lektüre zweier Aufsätze von Paul Steinhardt zu empfehlen:

Wiederholds Urteil über mich als jemand „der sich im Umfeld der Vollgeld-Theorie“ bewegt lautet:

„Wer nur das Geld im Blick hat, versteht nichts, noch nicht einmal das Geld, weil Geld sich nicht aus sich selbst erklärt.“

Wie soll das funktionieren, „Geld aus sich selbst erklären“? Wiederhold wirft nicht nur mich, sondern die Vollgeldtheorie insgesamt in den gleichen Sack mit der Quantitätstheorie des Monetarismus. Für eine differenzierte Auseinandersetzung über das Verhältnis von Vollgeld und Quantitätstheorie verweise ich auf zwei Artikel von Joseph Huber, den Denkmeister des Vollgeldkonzepts (hier und hier).  Argumentieren Sie dagegen, Herr Wiederhold!

Und noch ein Wort zu der Behauptung, ich hätte „nur das Geld im Blick“. Für mich ist es ein Rätsel, wie man zu einem solchen Urteil kommen kann. Die bewusst suggestiv formulierte Überschrift des letzten Abschnitts meines Textes zum Digitalen Euro lautet: „Können Geld-Anker es richten oder nur die Ressourcen?“. Eine ernsthafte Lektüre des Textes drängt nur eine Antwortmöglichkeit auf: die Ressourcen! Ausdrücklich sage ich: „Ressourcen zeigen dem Geld, ‚wo der Hammer hängt‘“. Leider lässt sich Wiederhold nicht aus seiner Denkspur bringen: Der Schneider interessiert sich nur für das Geld.

Eine abschließende Bemerkung: Die Geldökonomie ist ungeheuer spannend, weil sie „komplex“ ist. Eine offene interdisziplinäre Grundeinstellung ist dieser Disziplin am förderlichsten.

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[1] Wullweber, Joscha (2021): Zentralbankkapitalismus. Transformation des globalen Finanzsystems in Krisenzeiten.
[2] Wullweber, a.a.O. 72.
[3] ebd., 69.
[4] ebd., 76.
[5] ebd., 78.
[6] Ernesto Laclau (geb. 1935 in Buenos Aires; gest. 2014 in Sevilla) war ein politischer Theoretiker aus Argentinien.
[7] Wullweber, 54.
[8] ebd., 72. In diesem Zusammenhang erwähnt Wullweber die „Trägersubstanz des allgemeinen Wertmaßstabs“ „Zahl“. Er sagt „der Träger ist nicht belanglos“ (a.a.O, 73). Meines Erachtens kommt dem Träger eine erhebliche Bedeutung, in der Frage der hegemonialen Macht zu. Zahlen (und Zeichen) werden digital verschlüsselt. Hegemoniale Machtkämpfe werden – für die breite Öffentlichkeit völlig unzugänglich – immer stärker auf den Blockchains des Distributed Ledger stattfinden.
[9] Weitere Überlegungen: Zahlen enthalten das „basalste Element“ von „Bedeutung“. Sie teilen mit „A ist NICHT B“. Wenn der Mensch diese Fähigkeit verliert, wird er orientierungslos. Der an Alzheimer erkrankte Mensch hat sie verloren. Er hat „vergessen“, dass eine Unterhose keine Kopfbedeckung ist. Er hat vergessen, dass das Schild einer Bushaltestelle, das in seinem Seniorenheim aufgestellt ist, keine richtige Bushaltestelle ist. Nun kann man sich auf das „Spiel“ einlassen. Man tut so, als sei das eine reale Haltestelle. Durch einen Konsens ist der Frieden zwischen dem Kranken und dem Gesunden gewahrt. Das basale Bedeutungselement „A ist nicht B“ lässt sich auf das Verhältnis „Quantität ist nicht Qualität“ bzw. „Geldmenge ist nicht Wertmenge“ übertragen. Der Begriff WertMENGE ist eigentlich absurd. Qualität lässt sich NICHT quantifizieren. Dennoch gilt „Quantität“ lässt sich nicht ohne „Qualität“ begreifen und umgekehrt. Die negative Bedeutungsbestimmung der Relation stellt aber keine „Durchlässigkeit“ zwischen beiden her. Ich nenne das den „ontologischen Hiatus“ zwischen Menge und Qualität. Uns Menschen bleibt nur die Möglichkeit, das „Spiel“ mitzuspielen. Wir einigen uns im Konsens darauf „als ob“ es so wäre. Und dennoch können wir es nicht – im Unterschied zum Alzheimerkranken – beim reinen Spiel belassen. Bitcoiner sehen das nicht so. Geld ist dazu da, damit Wertschöpfung betrieben werden kann. Materialien, Energieströme und Menschen (bei realer Produktion) müssen an die Orte der Wertschöpfung transportiert werden, Wertverbraucher müssen an die Orte des Werteverbrauchs befördert werden. Ich bin deshalb der Meinung, dass die „kinetische“ Funktion des Geldes die Wichtigste ist. Der Mastersignifikant ist NUR eine Voraussetzung für möglichst gute Fließfähigkeit. Er stellt den Preiskonsens her.
[10] Wullweber, 84.
[11] ebd., 66.
[12] Gramsci zitierend, ebd., 64.
[13] Wullweber, 86.
[14] ebd., 87.
[15] Graeber, David (orig. 2014, dt. Übersetzung 2014): Schulden. Die ersten 5000 Jahre.
[16] Ehnts, Dirk (2017): Modern Monetary Theory und Europäische Makroökonomie, 1.