Brüsseler Spitzen

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| 03. März 2022

Der 100 Milliarden-Euro-Zuschlag für die Bundeswehr ist alles andere als eine „Kehrtwende“. Im Gegenteil setzt er die Merkel’sche Politik der symbolischen Beschwichtigung von Unmut bei gleichzeitiger Problemverschleierung und Diskussionsverweigerung präzise fort.

Die in den letzten Wochen noch mehr als sonst selbstgleichgeschaltete deutsche Presse feiert den von Bundeskanzler Scholz im Bundestag angekündigten 100-Milliarden-Euro-Zuschlag zum sogenannten Verteidigungshaushalt, verteilt über eine offengelassene Anzahl von Jahren, als radikale Abkehr von der Politik der in kürzester Zeit im Misskredit geratenen Angela Merkel. In Wahrheit aber handelt es sich um eine kongeniale Fortsetzung: um ein momentanes Nachgeben gegenüber Stimmungen im In- und Ausland, um politischen Symbolismus, das „Senden eines Signals“ mit dem Ziel, „ein Zeichen zu setzen“, bedeute es was es wolle, solange es erst später etwas bedeuten muss, und wer weiß schon, was dann sein wird.

Worum geht es? 2002 verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten der NATO gegenüber den USA, interessanterweise im Zusammenhang mit der Aufnahme der baltischen Staaten, Bulgariens, Rumäniens und der Slowakei (der zweiten von drei Wellen der NATO-Osterweiterung), von nun an jährlich zwei Prozent ihres Sozialprodukts für Rüstung auszugeben. Welche Art von Rüstung blieb offen, und das bedeutete in der Praxis: vor allem Hochtechnologie mit globaler Reichweite, wie sie den USA so sehr am strategischen Herzen liegt. In den Folgejahren erwiesen sich die NATO-Länder allerdings als wenig eifrig, ihrer Verpflichtung nachzukommen. Dies galt auch und vor allem für Deutschland, wo wegen der Größe des Landes und seiner Wirtschaft das meiste an Masse zu holen war. 2019 wandte Deutschland gerade mal 1,3 Prozent seines BIP für Rüstung auf, gleich 43,1 Milliarden Euro. (2014 waren es noch 1,1 Prozent gewesen, oder 33,1 Milliarden.) Für 2021 war geplant, es bei 1,3 Prozent zu belassen, mit Ausgaben von 46,9 Milliarden; danach sollte laut der mittelfristigen Finanzplanung des Finanzministers Scholz im Kabinett der Bundeskanzlerin Merkel der Anteil des Rüstungshaushalts am Bruttosozialprodukt zurückgehen, auf 1,26 Prozent 2023. Die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen hatte der NATO noch 1,5 Prozent für 2025 versprochen; vorher waren die vollen 2 Prozent für 2024 angekündigt.

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