Nachruf

Antje Vollmer – eine Stimme, die fehlen wird

| 21. März 2023

Mit dem Tod von Antje Vollmer stirbt auch die innerparteiliche Kritik am geschichtsvergessenen Opportunismus der Grünen und ihrer Außenpolitik.

Am 15. März 2023 ist Antje Vollmer nach langer Krankheit gestorben. In einem Nachruf nennt sie die TAZ „streitbare Pazifistin“. In der gleichen Zeitung wurde sie einen Monat zuvor noch von Jan Feddersen, einem Veteranen der TAZ, als Mitunterzeichnerin des Manifests für den Frieden von Schwarzer und Wagenknecht als „politobszön“ und „amoralisch“ verunglimpft. Vollmer war nicht nur streitbar, sondern auch eine klar denkende Analytikerin, die das bei den Grünen nicht erst seit dem Ukraine-Krieg grassierende Renegatentum in der Außen- und Sicherheitspolitik bloßstellte.

Ihr in der Berliner Zeitung am 25. Februar 2023 abgedrucktes „Vermächtnis einer Pazifistin“ ist eine brillante Abrechnung mit dem geschichtsvergessenen Opportunismus (nicht nur) der Grünen und ihrer Außenministerin als „der schrillsten Trompete der neuen antagonistischen Nato-Strategie“ (Antje Vollmer). Sie lässt die in der Außenpolitik von der NATO und Deutschland nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gemachten Fehler Revue passieren und kritisiert die damit verbundene Heuchelei, sich als Hüter von Demokratie und zivilisatorischen Werten aufzuspielen, wo man eigentlich knallharte und expansive Machtpolitik betrieb.

Aus ihrer großen Enttäuschung, wenn nicht Verzweiflung über die Entwicklung der Grünen macht sie als Mitbegründerin dieser Partei keinen Hehl:

„Meine ganz persönliche Niederlage wird mich die letzten Tage begleiten. Gerade die Grünen, meine Partei, hatten einmal alle Schlüssel in der Hand zu einer wirklich neuen Ordnung einer gerechteren Welt. Sie war durch glückliche Umstände dieser Botschaft viel näher als andere Parteien.

Wir hatten einen echten Schatz zu hüten: Wir waren nicht eingebunden in die machtpolitische Blocklogik des Kalten Krieges. Wir waren per se Dissidenten. Wir waren gleichermaßen gegen die Aufrüstung in Ost wie West, wir sahen die Gefährdung des Planeten durch ungebremstes Wirtschaftswachstum und Konsumismus. Wer die Welt retten wollte, musste ein festes Bündnis zwischen Friedens- und Umweltbewegung anstreben, das war eine klare historische Notwendigkeit, die wir lebten. Wir hatten diese Zukunft greifbar in den Händen.

Was hat die heutigen Grünen verführt, all das aufzugeben für das bloße Ziel, mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker, und dabei ihre wertvollsten Wurzeln als lautstarke Antipazifisten verächtlich zu machen“

Sicher, die pastorale Tonlage von Antje Vollmer ging vielen schon mal auf die Nerven. Sie war, wie ihr Freund Wolfgang Thierse anmerkt „wahrlich keine Fachpolitikerin“, sondern eine „kenntliche ökumenische Christin, eine ‚störrische‘ Pazifistin, eine entschiedene Demokratin, eine sensible Kulturpatriotin und -europäerin.“ Sie hat mit ihrem Essay in der Berliner Zeitung einen „großen Text geschrieben, der bleibt“, so deren Herausgeber Michael Maier.