Editorial

Globalisierung ohne Amerika?

| 24. April 2025
IMAGO / SuperStock

Liebe Leserinnen und Leser,

nein, es war kein verspäteter Aprilscherz, als Donald Trump am 2. April mit seinen Zoll-Rundumschlag die „extremsten Handelsmaßnahmen der modernen Geschichte“ (Zitat Thomas Fazi) ankündigte. Schon im Februar und im März verhängte die US-Regierung sowohl auf Stahl- und Aluminium als auch Autoimporte Zölle von 25 Prozent.

Zudem sollten nach Trump Zölle von mindestens 10 Prozent auf alle Waren aus Ländern außerhalb Nordamerikas gelten, für die EU sogar 20 Prozent. Eine Woche später, am 9. April, dann die vorläufige Kehrtwende: Der US-Präsident setzte die zuvor angekündigten länderspezifischen "reziproken" Zölle für 90 Tage aus, um bilaterale Deals mit den Handelspartnern zu ermöglichen. Derweil haben sich die Zölle auf chinesische Waren auf 145 Prozent nach oben geschaukelt. Stand jetzt. Alles unter Vorbehalt, versteht sich.

Denn ob es diesmal dabei bleibt, ist bei dem erratisch agierenden US-Präsidenten kaum abzusehen. Planungssicherheit für Unternehmen sieht anders aus. Die Weltwirtschaft droht aus dem Schritt zu kommen. Der IWF hat die Auswirkungen von Trumps Zollpolitik abgeschätzt und seine Konjunkturprognosen für die meisten Länder heruntergeschraubt. "Die globale Wirtschaft ist an einem kritischen Punkt", heißt es im neuen Weltwirtschaftsbericht. Düster sieht es auch für die Eurozone und insbesondere die deutsche Wirtschaft aus, die weiter in der Stagnation verharrt.

Aber auch die USA werden wohl kaum von dem selbst angezettelten Zoll-Chaos profitieren. Das erklärte Ziel, die Rückverlagerung der Produktion in die Vereinigten Staaten und die „Wiederherstellung des Wohlstands Amerikas“ verflüchtigt sich zu der Frage, die der US-Unternehmer Molson Hart in dieser Ausgabe stellt: ob diese Zollpolitik das „Ende der Globalisierung“ bedeutet, oder nur das Ende der Teilnahme Amerikas an der Globalisierung.

Gleichwohl: So wenig der in Brüssel heißgeliebte Freihandel der Weisheit letzter Schluss ist, sind Zölle per se Teufelswerk – wenn sie denn durchdacht, rechtssicher und gut kommuniziert wären. Einen wirtschaftspolitischen Schlingerkurs können Unternehmen, die investieren wollen, kaum gebrauchen. Dennoch ist das Bestreben, die eigene Industrie zu schützen und Branchen wieder auf heimischen Boden anzusiedeln, gerade angesichts der Verwerfungen durch die Globalisierung ein legitimes staatliches Ziel. Das sehen sowohl Hart als auch die MAKROSKOP-Autoren Ann Pettifor und Thomas Fazi so.

Alle Artikel und Themen dieser Ausgabe:

  • Werden Panzer und Kanonen zum Wirtschaftsmotor? Mit der Reform der Schuldenbremse stellt sich die Regierung einen Persilschein für schuldenfinanzierte Aufrüstung aus. Geht sie nun den Weg der MMT? Malte Kornfeld
  • Trumps Zölle und das letzte Aufbäumen der Weltmacht Trumps Zollpolitik ist ein verzweifelter Versuch, die wirtschaftliche, militärische und geopolitische Vorherrschaft der USA um jeden Preis zu erhalten. Thomas Fazi
  • Made in America ist schwieriger als gedacht Die USA unterschätzen die Schwierigkeiten bei der Rückverlagerung der Produktion. Und Trumps Art der Zölle werden dabei alles andere als helfen. Molson Hart
  • Schutzlos im Handelskrieg Die EU-Kommission hofft immer noch auf einen Freihandels-Deal mit US-Präsident Trump. Dabei hat er bisher alle Angebote aus Brüssel ausgeschlagen. Derweil verliert die europäische Wirtschaft weiter an Boden. Eric Bonse
  • Der Trump-Schock: Wie sollten Regierungen antworten? Trumps Zölle erschüttern das internationale Wirtschafts- und Finanzsystem. Welche Wege gibt es, um zu einem stabilen System zurückzukehren? Ann Pettifor
  • Braucht Europa eine eigenständige nukleare Abschreckung? Aus Deutschland und Polen erklingen Forderungen nach einer eigenen Atombombe. Doch die Folgen für die regionale Stabilität wären unkalkulierbar. Wolfgang Richter
  • Digitaler Kapitalismus im Gesundheitswesen Der vielzitierte Spruch, Daten seien das Gold des 21. Jahrhunderts, gilt auch im Gesundheitswesen. Tech-Konzerne wie Meta und Google wittern bereits reiche Beute. Joseph Kuhn
  • Führt uns Schwarz-Rot aus der Krise? Deutschland befindet sich in der Dauerkrise. Mit Union und SPD kommt nun eine neue Koalition an die Macht. Was ist geplant in der Wirtschafts- und Finanzpolitik – und wird jetzt alles besser? Florian Schaaf