Editorial

Von der Energie für die Wende

| 08. Mai 2025

Liebe Leserinnen und Leser,

wirtschaftliches Wachstum und die zunehmende digitale Durchdringung sind für uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Doch nichts geht in modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften ohne immer mehr und ununterbrochene Energie. Der zehnstündige Blackout in Spanien und Portugal hat plastisch für Augen geführt, wie fragil diese scheinbare Selbstverständlichkeit plötzlich sein kann. Die Ursachen für den Stromausfall sind nach wie vor ungeklärt, ebenso, welche Rolle erneuerbare Energien in der Fehlerkette spielten. Aber welche Folgen er für die Menschen in Lissabon hatte, schildert Tiago Cardão-Pito in dieser Ausgabe eindrücklich.

Wie das Energiesystem der Zukunft aussehen wird, bleibt indes ein umkämpfter Prozess, um den auch in Deutschland die Politik, Energieversorger und energieintensive Branchen fortwährend ringen. Ein Beispiel: Der Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber will den deutschen Strommarkt in verschiedene Preiszonen aufteilen, weil man sich davon positive finanzielle Effekte für die europäischen Verbraucher verspricht. Allerdings ist nichts davon im neuen Koalitionsvertrag vorgesehen.

Doch ganz gleich ob Deutschland eine einheitliche Preiszone bleibt oder in zwei bis fünf Zonen aufgeteilt wird – für eine günstige und stabile Stromversorgung sind auch andere Weichenstellungen drängend: Das Netz muss weiter ausgebaut und flexibler werden, so das Fazit von Lukas Poths.

Das alles zeigt, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen die deutsche Energiewende steht: die Energieversorgung muss bei steigendem Bedarf nicht nur sicher, effizient und möglichst preiswert sein, sondern auch klimaschonend und ökologisch nachhaltig. Bisher aber stammen lediglich 20 Prozent des Energieumsatzes aus erneuerbaren Energien, fast 80 Prozent aus fossilen Quellen. Zudem hat Deutschland von 2000 bis 2022 immer zwischen 60 und 70 Prozent seiner Energieträger importiert.

Wie also kann die Zukunft aussehen? Wichtig sind Datenanalyse und Sachverstand, so das Plädoyer von Frank Atzler, Experte für Antriebssysteme an der TU Dresden: Bei der Energiewende müsse man in installierten Leistungen von mehreren hundert Gigawatt denken. Heißt: klotzen statt kleckern. Deshalb hält Atzler die von der GroKo veranschlagten Investitionen von 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds für absolut sinnvoll – solange sie nicht mit der Gießkanne verteilt werden.

Alle Artikel und Themen dieser Ausgabe:

  • (Wieder) länger arbeiten für Wohlstand und Wohlfahrt? Längere Arbeitszeiten, weniger Feiertage? Geht es nach der neuen Bundesregierung, dann ja. Doch arbeiten Deutsche im Vergleich tatsächlich so wenig? Und was bringen längere Arbeitszeiten wirklich? Eike Winscheid-Profeta
  • Energiewende: Daten statt Dogmatik Die deutsche Energiewende steht vor großen technischen Herausforderungen. Doch die lassen sich nicht durch Dogmatik, sondern nur durch Datenanalyse und Sachverstand lösen. Frank Atzler
  • Strompreiszonen? Härtetest für die neue Regierung Der deutsche Strommarkt soll in verschiedene Preiszonen aufgeteilt werden, heißt es in einem Bericht der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. Doch das ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Über Hintergründe und mögliche Auswirkungen. Lukas Poths
  • Der Muhammad Ali der Weltpolitik Großmäuligkeit, Größenwahn, Self-Promotion – Donald Trumps politischer Stil erinnert bisweilen an Muhammad Ali. Was bedeutet das für die Außenpolitik der Weltmacht USA? Peter Schulz
  • ‚Hamse jedient?‘ Kein Bock auf Bund Deutschland steht vor einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. Das kontrastiert mit der Bereitschaft der Bevölkerung dazu. Weder die Bürger allgemein noch die Parteiengagierten der dies vorantreibenden ‚Mitte‘ zieht es zur Bundeswehr. Gerd Grözinger
  • Neue deutsche Führung, alte Politik Friedrich Merz gilt als Hoffnungsträger für die EU. Doch in der Europapolitik steht der neue Kanzler nicht für einen Kurswechsel, sondern für eine Fortsetzung der Politik von Kommissionschefin von der Leyen. Um in Europa zu führen, müsste er mehr Geld in die Hand nehmen und alte Dogmen über Bord werfen – doch das zeichnet sich nicht ab. Eric Bonse
  • Steht die Mindestlohnrichtlinie vor dem Aus? Das endgültige Urteil steht noch aus. Zu den Schlussanträgen von Generalanwalt Emiliou zur dänischen Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie (EU) 2022/2041 über angemessene Mindestlöhne in der EU. Martin Höpner
  • Blackout: Die Grenzen digitaler Gesellschaften Noch immer sind die Ursachen für den Stromausfall in Portugal und Spanien ungeklärt. In einigen Regionen dauerte er mehr als 10 Stunden. Der Vorfall zeigt die Grenzen der digitalen Gesellschaft auf. Tiago Cardão-Pito
  • Provoziert Amerika die Rezession? Nach dem Covid-Schock kommt der Trump-Schock. Derzeit noch von Vorzieheffekten verzerrt, stehen die Zeichen in den USA klar auf einen konjunkturellen Abschwung. Jörg Bibow