(Wieder) länger arbeiten für Wohlstand und Wohlfahrt?
Längere Arbeitszeiten, weniger Feiertage? Geht es nach der neuen Bundesregierung, dann ja. Doch arbeiten Deutsche im Vergleich tatsächlich so wenig? Und was bringen längere Arbeitszeiten wirklich?
Wenn es um Wohlstand und Wohlfahrt geht, wird häufig gefragt: Können wir uns das leisten? Versorgung und Vorsorge werden zur Disposition gestellt, oft stehen auch Vorwürfe der Faulheit im Raum. So etwa bei der Frage nach der Angemessenheit und dem Zugang zu Grundsicherung, nach einem vermeintlichen Leistungswillen bestimmter Generationen oder auch beim Thema Krankheit und Fehlzeiten.
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Ebenfalls häufig diskutiert: die sinkende Arbeitszeit. Daran ließe sich angeblich ablesen, dass Beschäftigte in Deutschland zunehmend arbeitsunwillig seien. Im internationalen Vergleich werde hierzulande wenig gearbeitet. Das berge die Gefahr, im Standortwettbewerb ins Hintertreffen zu geraten – mit der Folge von Wohlstandsverlusten.
Um dem zu begegnen, müsse die tägliche beziehungsweise wöchentliche Arbeitszeit ausgeweitet werden – ein Vorschlag, den die Regierungskoalition in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. Um Ausgaben wie etwa für Rüstung gegenzufinanzieren, ist auch die „Einsparung“ einzelner Feiertage (wieder) im Gespräch, was einer Arbeitszeitausweitung gleichkommt. Zuletzt hat diesen Vorschlag die vorsitzende „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer prominent ins Gespräch gebracht.
Doch arbeiten Beschäftigte in Deutschland tatsächlich (besonders) wenig? Und was bringt eine Ausweitung von täglichen beziehungsweise wöchentlichen Arbeitszeiten wirklich?
Wie verändern sich Arbeitsvolumina in Deutschland?
Der Blick in die Arbeitsvolumina von erwerbstätigen Personen in Deutschland zeigt zwei unterschiedliche Entwicklungen:
Zum einen ist der durchschnittliche Arbeitszeitumfang rückläufig. Das bedeutet: Im Gesamtdurchschnitt betrachtet arbeiten Menschen heute weniger Stunden in der Woche als bisher. Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) reduzierte sich im Zeitraum zwischen 1991 und 2023 die Wochenarbeitszeit pro Person im Mittel von fast 39 Stunden auf etwa 36,5 Stunden.
Zum anderen steigt das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen an. Zwar hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, zuletzt einen minimalen Rückgang des Arbeitsvolumens in 2024 gegenüber 2023 errechnet; allerdings geht es noch immer um über 61 Milliarden geleistete Arbeitsstunden in 2024. Das bedeutet: Die Anzahl der insgesamt geleitsteten Arbeitsstunden hat zugenommen, insbesondere ab Mitte der 2000er Jahre. Gegenüber 1991 hat sich das jährliche Gesamtarbeitsvolumen immer weiter erhöht, so das DIW in der obigen Publikation.
Diese Entwicklungen erscheinen nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Für sie gibt es mehrere Erklärungen, die zusammengehören:
Zunächst einmal hat sich die Anzahl der Erwerbstätigen insgesamt erhöht. So sind laut Daten des Statistischen Bundesamts mit aktuell circa 45,6 Millionen Menschen (Stand: Januar 2025) so viele Menschen wie noch nie zuvor in Deutschland erwerbstätig (+ 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2024, und gegenüber circa 40,5 Mio. Personen im Jahre 2007). Das bedeutet: Arbeit ist auf mehr Köpfe verteilt, die mit ihren jeweils individuell geleisteten Arbeitsstunden zum Gesamtarbeitsvolumen beitragen.
Daneben leisten die Deutschen in hohem Maße Überstunden: Laut Arbeitszeitrechnung des IAB wurden davon zuletzt (Stand: drittes Quartal 2024) insgesamt 138,2 Millionen bezahlt und 165,7 Millionen nicht bezahlt. Mehr als fünf Überstunden pro Woche zu leisten, ist für viele Beschäftigte Normalität, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seinem Index Gute Arbeit von Februar 2025.
Basierend auf Personenbefragungen sind Überstunden zwar in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) des Statistischen Bundesamts Teil des Gesamtarbeitsvolumens. Sie zeichnet man jedoch trotz Pflicht zur Arbeitszeiterfassung noch nicht flächendeckend und überall systematisch auf – rund ein Fünftel der Beschäftigten gibt laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin an, dass Arbeitszeiterfassung nicht oder nur unzureichend stattfindet.
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass Überstunden immer und zwingend korrekt erfasst werden und so adäquat Eingang in die statistische Erhebung individueller Arbeitszeit beziehungsweise des gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeitvolumens finden. Gerade vor dem Hintergrund unbezahlter und oft unsichtbarer sowie undokumentierter Mehrarbeit werden individuelle und gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumina – und auch gesamtwirtschaftliche Produktivität – tendenziell unterschätzt.
Der wohl wichtigste Aspekt ist jedoch das Ausmaß der Teilzeitquote, die zuletzt (Stand 2023) laut Statistischem Bundesamt auf einen Höchststand von fast 31 Prozent anstieg. Dabei ist der Anteil von Frauen in Teilzeit exorbitant höher als der von Männern und liegt bei etwa 50 Prozent (gegenüber rund 13 Prozent bei Männern). Bei Eltern ist dieses Ungleichheitsverhältnis sogar noch höher: Rund zwei Drittel aller Mütter sind in Teilzeit beschäftigt gegenüber rund 10 Prozent der Väter. Der Beschäftigungszuwachs schlägt sich insofern vor allem in der Zunahme an Teilzeitverhältnissen nieder.
Welche Folgen haben Arbeitszeiten für soziale Sicherung?
Wenn das Individuum weniger als im statistischen Durchschnitt arbeitet, dann passiert das oft nicht aus freien Stücken. Vielmehr sehen sich Beschäftigte vielerorts gezwungen, Arbeitszeiten zu reduzieren – oder wenn sie Tätigkeiten aufnehmen, dies in Teilzeit zu tun.
Das geschieht zum Ersten aus Gründen des Selbstschutzes und verbunden mit der Hoffnung, so hoher Arbeitsbelastung entgehen zu können. Oft sind Teilzeitbeschäftigte jedoch derart hoher Arbeitsverdichtung ausgeliefert – das heißt: sie müssen mehr oder die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigen – dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt, wie etwa eine Studie zur Viertagewoche des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) nahelegt.
Und zum Zweiten wollen Teilzeitbeschäftige Vereinbarkeitsproblematiken lösen, die unter anderem aus fehlender oder ausfallender Betreuungsinfrastruktur herrühren. An eine Aufstockung von Stunden ist in vielen Tätigkeiten und Branchen, wie zum Beispiel in sozialen und gesundheitsnahen Dienstleistungen, gar nicht zu denken. Ganz im Gegenteil: Schwierig scheint bereits zu sein, verbliebenes Personal in den bestehenden Stundenumfängen zu halten, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zu „Teilzeit in der Kita“ suggeriert.
Auch finanzielle Anreize – wie etwa steuerliche Entlastung von Überstunden oder ähnlichem – gehen ins Leere, denn Frauen und insbesondere Mütter können sich nicht „einfach so“ dafür entscheiden, mehr Stunden zu arbeiten. Faktisch arbeiten sie schon jetzt mehr als Männer, zählt man die zumeist unsichtbaren Sorgetätigkeiten zur Lohnarbeit dazu.
Solange Geschlechterungleichheiten wie der Gender Pay Gap, der Gender Hours Gap, der Gender Pension Gap, der Gender Time Gap, der Mental Load Gap etc. bestehen – und institutionell zementiert werden, etwa durch Ehegattensplitting – sind Erwartungen an Frauen und Mütter nicht realistisch, länger (für den Erwerb) zu arbeiten. Und das ganz ungeachtet der Arbeitsbedingungen vor Ort, die auf die Arbeitszeitgestaltung ebenfalls einen großen Einfluss haben.
Eine (pauschale) Ausweitung von Arbeitszeiten beziehungsweise Arbeitszeitrahmen – die, wie im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angegeben, einer verbesserten Vereinbarkeit zuträglich sein soll – ist damit gerade für Frauen und insbesondere Mütter, die in der Hauptsache Sorge- und Pflegearbeiten zu Hause übernehmen beziehungsweise diese zugewiesen bekommen, nicht nur nicht hilfreich, sondern wirkt geradezu dysfunktional, so die Soziologinnen Eileen Peters und Yvonne Lott.
Vor diesem Hintergrund muss man konstatieren: Wenn niedrige individuelle Arbeitsvolumina problematisch sind, dann vor allem in Bezug auf das Einkommen und Aspekte sozialer Absicherung: Derzeit sind etwa Ansprüche und Anwartschaften sozialer Sicherung nicht nur an Erwerbstätigkeit allein, sondern auch an das beitragspflichtige Einkommen und damit auch an Arbeitszeitumfänge gekoppelt, insbesondere mit Blick auf Alterssicherung.
Daher ist es problematisch, wenn sich Beschäftigte – und unter diesen insbesondere Frauen und Mütter – gezwungen sehen, aus oben genannten Gründen Arbeitszeit reduzieren zu müssen. Eine neue Vollzeitnorm auf Basis der 4-Tage-Woche zu schaffen, ist daher ein Vorschlag, den auch Forschungsinstitute wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der HBS oder das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in den Diskurs einbringen.
Wie hängen Produktivität und Arbeitszeit zusammen?
Das Szenario, durch abnehmende Arbeitszeitumfänge sei der Wohlstand in Deutschland gefährdet, wird häufig bemüht, um den rechtlichen Arbeitszeitrahmen aufzuweichen. Dafür besteht jedoch keine empirische Grundlage. Im Gegenteil: Wie oben dargestellt, ist das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen in Deutschland nach wie vor sehr hoch.
Darüber hinaus entspricht Produktivität nicht eins zu eins geleisteten Arbeitsstunden, was auch die Kritik der HBS an (geringen) Arbeits- beziehungsweise Lohnstückkosten als Indikator von Wettbewerbsfähigkeit zeigt. Ausschlaggebend für die Produktivitätsentwicklung ist mehr als die eingebrachte Arbeitszeit. Vor allem eine gute Organisation von (betrieblichen) Arbeitssystemen, die sogenannte Unternehmensprozessoptimierung, ist relevant. Wie Norberts Baszenski für das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft darlegt, bilden Arbeitsstunden und Personaleinsatz nur einen Teil dessen ab; andere wesentliche Faktoren sind etwa Entscheidungs-, Führungs- und Kommunikationsprozesse, Arbeitsvorbereitung und -durchführung sowie Aufgabenverteilung, technische Ausstattung oder Ergonomie.
In diese Richtung zeigen auch Erkenntnisse aus Untersuchungen zu Maßnahmen kollektiver Arbeitszeitverkürzung, wie etwa Pilotprojekte einer 4-Tage-Woche. Die Ergebnisse aus Studien von 2022 und 2023 weisen darauf hin, dass der betriebliche Output in Versuchszeiträumen mindestens stabil gehalten, wenn nicht sogar gesteigert werden konnte. Als Grund dafür identifizieren die Studienautoren vor allem eine verbesserte Reorganisation von Abläufen und Prozessen.
Produktivitätsverluste sind arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge dann zu erwarten, wenn Arbeitszeiten (pauschal) ausgeweitet werden. Bekannt ist, dass eine Überschreitung gewisser Höchstarbeitszeiten am Tage (> 8 h) und in der Woche (> 42 h) nicht nur weitreichende Folgen für die Gesundheit von Beschäftigten hat, die größeren Unfall- und Krankheitsrisiken ausgesetzt sind. Sie sind auch wirtschaftlich dysfunktional, da sich etwa Fehler und Konzentrationsprobleme häufen, stellt etwa die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fest. Zudem konstatiert der DGB-Index Gute Arbeit, dass auf lange Sicht ein höherer Krankenstand und damit verbunden größere Fachkräfteengpässe droht, wenn Belastungen durch (über-)lange Arbeitszeiten zu (erwartbar) mehr und längeren Ausfällen führen.
Und was ist mit kürzeren Arbeitszeiten?
Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass Beschäftigte kürzere Wochenarbeitszeiten favorisieren. Im Mittel wünschen sich Erwerbstätige in Deutschland eine Wochenarbeitszeit von etwa 32 bis 34 Stunden, zeigt der IAB-Forschungsbericht 16 / 2023. Stehen gewünschte und tatsächliche Arbeitszeiten in Einklang, kann das nicht nur helfen, Überlastung, die durch (über-)lange Arbeitszeiten entstanden ist, zu verringern. Es wirkt auch zufriedenheitsfördernd, so eine empirisch fundierte Studie des Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlers Wenzel Mtiaske und Kollegen für das WSI.
Das wachsende Interesse von Beschäftigten an kürzeren Arbeitszeiten wird häufig als mangelnder Leistungswille ausgelegt – und zugleich als pauschale Kritik in Debatten über Sozialausgaben genutzt. Dabei – und das ist ebenfalls gut gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnis – besitzt ein Mehr an arbeitsfreier Zeit gar nicht nur einen „Freizeitwert“ an sich. Es dient vor allem der Regeneration, der Zeit für Hobbies und Ehrenämter, für Weiterbildung, der Zeit für sich selbst und auch für Familie und Sorgearbeit.
Sie ist also notwendig, um Beschäftigungsfähigkeit und Gesundheit zu erhalten – und damit auch Voraussetzung für wirtschaftliche Produktivität, weshalb Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung an Verbreitung gewinnen, so etwa von der Sozialökonomin Ursula Stöger und Kollegen für das Institut für sozialwissenschaftliche Forschung München.
Sind Beschäftigte in Deutschland faul?
Eine weitere verbreitete These: Beschäftigte in Deutschland sind nicht besonders leistungsbereit. Das lasse sich nicht nur Feiertagen oder einem vermeintlich sinkenden Arbeitszeitvolumen ablesen; auch seien Beschäftigte in Deutschland besonders wenig motiviert bei der Arbeit und hätten nur geringfügiges intrinsisches Interesse an ihrer Tätigkeit. Auch im internationalen Vergleich seien Deutsche nicht sehr arbeitswillig, etwa gegenüber Beschäftigten in Griechenland, die beispielsweise auch am Wochenende bereit seien zu arbeiten. Stark verbreitet seien auch Dienst nach Vorschrift oder innere Kündigung, das sogenannte „quiet quitting“.
Häufig vergleicht man die individuellen Arbeitszeitumfänge international, um die angeblich mangelnde Einsatzbereitschaft der Beschäftigten zu untermauern. Dabei weist dieser Blick zum einen weg von dem eigentlich relevanten und nach wie vor mindestens hohen, wenn nicht gar steigenden Gesamtarbeitsvolumen. Zum anderen wird ausgeblendet, dass internationale Daten nicht oder nur sehr schwer miteinander vergleichbar sind, was etwa an unterschiedlichen Quellen und Beschaffenheiten der zugrundeliegenden Erfassungen liegt, so Jay Stewart und Harley Frazis vom US-amerikanischen Amt für Arbeitsstatistik.
Von diesen datentechnischen Restriktionen einmal abgesehen ist aber vor allem ein Blick auf die Empirie hilfreich, um Arbeitseinstellungen von Erwerbstätigen in Deutschland zu betrachten – und sich dabei zu verdeutlichen, was Arbeitsengagement und Motivation von Beschäftigten beeinflusst. Denn dann zeigt sich schnell: Wenn Dienst nach Vorschrift geleistet wird, ist das in erster Linie ein Modus des Selbstschutzes. Ähnlich wie eine Reduktion individueller Arbeitszeiten handelt es ich um eine Form der Stressbewältigung und entspricht einer Fluchtfunktion im Sinne einer Burn-Out-Prophylaxe. Als ursächlich hierfür identifiziert der der Gallup Engagement Index 2024 „tief in den Belegschaften verwurzelte Entfremdungserfahrungen“ in Arbeit und Betrieb.
Passend dazu zeigen aktuelle Daten, wie etwa von Ernst & Young: Beschäftigte in Deutschland sind grundsätzlich sehr wohl bereit, sich am Arbeitsplatz und im Betrieb zu engagieren – wenn denn die Arbeitsbedingungen stimmen. Sie sind dabei nicht nur sehr loyal und verbleiben im Durchschnitt lange im Betrieb – übrigens auch laut IW unverändert durch die Pandemie und einer angeblichen Welle der „Great Resignation“ – sondern zeigen auch ein hohes Commitment, wenn es um die Identifikation mit dem eigenem Unternehmen geht.
Allerdings besteht oft ein Ungleichgewicht, das Beschäftigte wahrnehmen: So fehlen etwa häufig Anerkennung, Sinnerleben, Mitsprachemöglichkeiten, Augenhöhe in der Kommunikation vor Ort und mit Vorgesetzten, soziale Unterstützung oder auch schlicht Arbeitsschutz und Belastungsprävention.
Fazit: Längere Arbeitszeiten sind kein Wohlstandsgarant
Erwerbstätigen Personen in Deutschland wird oft vorgeworfen, aus Faulheit und allgemeiner Arbeitsunlust weniger Stunden am Tag und in der Woche zu arbeiten und damit Wohlstand und Produktivität zu gefährden. Regelmäßig werden daher Stimmen laut, die eine Ausweitung von Arbeitszeiten und Arbeitszeitrahmen fordern – ansonsten seien insbesondere soziale Sicherung und Wohlfahrt nicht leistbar.
Schnell wird deutlich, dass Teilzeitarbeit meist eine Reaktion auf Überlastung und Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist. Wollte man dem wirksam etwas entgegensetzen, bedarf es besserer Arbeitsbedingungen insgesamt, insbesondere verbesserter Prävention und Chancen für eine egalitärere Verteilung von Sorgearbeiten. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitszeitvolumen bleibt bislang stabil, da geringere individuelle Arbeitszeiten durch mehr Erwerbstätige ausgeglichen werden.
Bisher lassen sich daher auch keine Wohlstands- oder Produktivitätsverluste identifizieren: Deutschland ist verhältnismäßig produktiv und ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, nach den USA und China. Allerdings drohen Produktivitätsverluste, wenn Arbeitszeiten tatsächlich pauschal ausgeweitet werden, denn das würde unter anderem in einen flächendeckenden Fachkräftemangel hineinführen, die nachhaltige Gesunderhaltung von Beschäftigten massiv beeinträchtigen sowie Vereinbarkeitsproblematiken verschärfen.
Um dieser Problematik zu begegnen, wurden und werden aktuell bereits umfangreich alternative Arbeitszeitkonzepte und insbesondere Modelle der Arbeitszeitverkürzung – wie etwa im Rahmen der sogenannten 4-Tage-Woche – erprobt. Deren Evaluation zeigt: Kürzere Arbeitszeiten können gewinnbringend sein, weil sie Produktivität, Motivation, Gesundheit und ökologische Ziele fördern.
Das Original dieses leicht abgewandelten Artikels ist auf dem Blog des WSI erschienen.