Debatte

Bankenrettung mit unseren Bankguthaben?

| 20. August 2024
IMAGO / Future Image

Was hat die Bankenrettung im Zuge der Finanzkrise den Bürger gekostet? Gerd Grözinger nennt konkrete Zahlen, die aber angesichts der Zahlungsströme im zweistufigen Geldsystem fragwürdig erscheinen. Eine Re-Replik.

Bereits der Titel macht ratlos: „Staat = Zentralbank: wirklich?“ heißt Gerd Grözingers Antwort auf meine Kritik an seinen Vorschlägen zur Bankenreform. Das unterstellt eine Gleichsetzung, die meine Formulierung „der Staat mit seiner Zentralbank“ nicht hergibt. Vielmehr lässt diese zweifelsfrei erkennen, dass die Zentralbank eine von mehreren staatlichen Institutionen darstellt und nicht der mathematischen Formel: „Staat = Zentralbank“ entspricht.

Doch es gibt weitere Kritikpunkte, die sich anbringen lassen. Gehen wir zuvor kurz auf die geldpolitischen Beziehungen zwischen Staat (inklusive Zentralbank und Regierung) sowie Bürgern und Geschäftsbanken ein.

Die kurzen Hebel der Zentralbank

Leider hat eine Zentralbank nur wenige Möglichkeiten, Geschäftsbanken zu regulieren. Die „Werkzeuge“ der Notenbank beschränken sich im Wesentlichen auf zwei Hebel: zum einen die Veränderung der Zentralbank-Geldmengen (Bargeld und Buchgeld), zum anderen die Zinshöhe auf das Zentralbankbuchgeld. Die Notenbank verändert die Geldmenge mittels Gutschriften und Belastungen der Kundenkonten oder verlangt/zahlt mehr oder weniger Zinsen. Zu den Kunden der Zentralbank gehören ausschließlich die von der Zentralbank lizenzierten Geschäftsbanken und das staatliche Exekutivorgan „Regierung“.

Daher können auf das Buchgeld der Zentralbank nur diese selbst und ihre Kunden zugreifen – nicht der private Bürger, der kein Konto bei der Zentralbank eröffnen kann. Entsprechend zirkuliert diese Geldmenge nur zwischen den Regierungen, der Zentralbank und den von Notenbanken lizenzierten Geschäftsbanken.

Bereits vor vielen Jahren musste die amerikanische Zentralbank (FED) feststellen, dass sie durch die Veränderung der Zentralbank-Geldmenge wenig Einfluss auf die Giralgeld-Menge nehmen kann. In unserem zweistufigen Geldsystem sind die Flüsse von Giralgeld und Zentralbankgeld aller Ansicht nach relativ unabhängig voneinander.

Es verbleibt also die Regulierung der Geschäftsbanken über die Zentralbankzinssätze, die aber nur für das Zentralbankbuchgeld gelten. Davon befindet sich im Verhältnis zur Menge des Giralgelds nur ein Bruchteil im Umlauf.

Auch dieser Hebel ist relativ kurz, wird aber von den Geschäftsbanken gerne als Argument ihrer Zinspolitik gegenüber ihren unwissenden Kunden benutzt. Da keine Geschäftsbank ihren Kunden Zinsen in Form von Zentralbankbuchgeld auszahlen kann, ist die Behauptung, sie müssten auf Kundenguthaben einen „Verwahr“-Zins erheben, um ihre Zinskosten bei der Zentralbank zu zahlen, eine schlichte Lüge.

Unwahrheiten über die Bankenrettung

Eine ähnliche Unwahrheit erzählt Martin Hellweg, ehemaliger Direktor am Max-Plank-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, den Grözinger in seinem Artikel zitiert. Er bezifferte 2017 die Kosten zur Rettung der Banken auf 70 Milliarden Euro plus weitere, in ihrer Höhe noch unbekannte Verpflichtungen für den Bürger.

Entscheidend aber ist, dass für die Bankenrettung ausschließlich auf Zentralbankbuchgeld zurückgegriffen wurde. Da dieses Buchgeld wie gesagt nur den Zentralbanken und ihren Kunden (Regierung und Geschäftsbanken) zugänglich ist, resultierten aus der Bankenrettung entgegen Grözingers und Hellwegs Annahme keine direkten Verpflichtungen für die Steuerzahler.

Die herausragende Bedeutung von Zentralbankbuchgeld zeigte sich praktisch, als die Geschäftsbanken 2008 mit ihrer unverantwortlichen Immobilien-Kreditvergaben und den darauf basierenden „wertlosen Wertpapieren“ das gesamte Bankensystem in den Abgrund zu ziehen drohten. Als die Geschäftsbanken das Vertrauen ineinander verloren und daher nicht wie bisher bereit waren, sich gegenseitig Kredite zu vergeben, verlangten sie nunmehr ausschließlich Zentralbankbuchgeld. 

Als die bilanzierten Vermögenswerte (Kredite und/oder Wertpapiere) plötzlich massiv an Wert verloren, war nur noch der Staat mit seiner Zentralbank in der Lage, den Absturz des Bankensystems zu verhindern. In aller Schnelle wurden Regeln verkündet, die es den Geschäftsbanken erlaubten, die Werte ihrer „Schrottpapiere“ zu einem Nennwert zu bilanzieren und damit oberhalb ihres Marktwertes. Eine vergleichbare Maßnahme war der Ankauf dieser Papiere durch die Zentralbank – ebenfalls zu marktmäßig überhöhten Werten – sowie die Kreditvergabe ohne hinreichende Sicherheiten.

Bundeskanzlerin und Finanzminister sahen sich sogar gezwungen, den deutschen Geschäftsbankkunden zu versichern, dass ihr „Geld auf den Bankkonten“ sicher sei – eine psychologische Maßnahme zur Beruhigung der Allgemeinheit und gleichzeitig eine „Lüge“. Wären die Banken, vorneweg die Deutsche Bank, in Konkurs gegangen, hätte wieder nur die von der Regierung unabhängige Zentralbank das Bankensystem retten können. Dazu wäre kein Geld von den Geschäftsbankkonten der Bürger erforderlich gewesen.

Die Geschäftsbankenkrise 2008ff war also nur durch das Verhalten der Zentralbanken mit ihrem „Zentralbank-Buchgeld“ zu bewältigen – eine Geldsorte, die kein Normalbürger im Besitz hatte und hat.

Die Zentralbanken haben sich in der Krise politisch sehr geschickt verhalten. Sie waren (und sind) von den Regierungen unabhängig und hätten die unverantwortlichen Geschäftspraktiken der geratene Unternehmen behandeln müssen. Ein Insolvenzverfahren für zahlungsunfähige Geschäftsbanken kollidierte aber mit dem Auftrag, das Zahlungssystem am Laufen zu halten. Stattdessen wandelten die Zentralbanken „auf Anweisung der Regierungen“ die Bankschulden zu Staatsschulden um und trieben damit die Staatsverschuldung in die Höhe.

Die sich daraus ergebene „Knappheit“ im Regierungshaushalt von Griechenland und anderen sogenannten „Programmländern“ erzwangen formal, die öffentlichen Ausgaben und Einnahmen anzupassen. Hier muss man sich fragen, wem die Regierungen diesen „Gefallen“ erwiesen haben. Sie haben damit eindeutig gegen ihren verfassungsmäßigen Gemeinwohl-Auftrag verstoßen.

Eine Zentralbank ist aufgrund ihrer „kurzen“ Hebel anscheinend nicht in der Lage, Geschäftsbanken besser „an die Kandare“ zu nehmen. Ihre Aufgabe, den Zahlungsverkehr mit allen ihren Möglichkeiten am Laufen zu halten, ist für sie ebenso wenig zu erfüllen, wie die Preisstabilität zu gewährleisten.