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Die fragile Unabhängigkeit der Fed

| 27. August 2025
IMAGO / ZUMA Press Wire

Der Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trump und Notenbankchef Jerome Powell eskaliert. Kann die Federal Reserve ihre Unabhängigkeit behaupten – oder kippt die US-Finanzpolitik zugunsten präsidialer Kontrolle?

Seit Monaten attackiert US-Präsident Donald Trump den Chef der US-Notenbank Federal Reserve Jerome Powell, weil dieser die Zinsen entweder angehoben oder nicht gesenkt hat. Hintergrund ist seine persönliche Erfahrung als Immobilienunternehmer in den 1980er Jahren: Da die Immobilienbranche stark fremdfinanziert ist, können bereits relativ kleine Zinsänderungen die durchschnittlichen Gesamtkosten eines Projekts drastisch erhöhen. Der Postkeynesianer Hyman Minsky analysierte 1990, dass Trumps Geschäftsmodell nur in Zeiten sinkender Zinsen tragfähig gewesen sei. Für Trump ist Zinspolitik daher kein technisches Instrument, sondern eine Frage ökonomischen Überlebens.

Die Fed hingegen hält an ihrer Linie fest – auch wegen der unberechenbaren Zoll- und Wirtschaftspolitik des Präsidenten. Der Konflikt weitete sich rasch aus: Trump erwog offen die Abberufung Powells, kritisierte die Kosten für das große Renovierungs- und Erweiterungsprojekt der Fed-Hauptgebäude in Washington und ließ sogar Lisa Cook, Mitglied des Board of Governors der Fed ins Visier nehmen. Ziel ist es offenbar, die Autorität der Notenbank schrittweise zu untergraben. Doch welche Möglichkeiten hat Trump, Powell zu stürzen?

„Unabhängigkeit“ ohne feste Rechtsgrundlage

Um die heutige Auseinandersetzung zu verstehen, lohnt ein Blick in die Geschichte der Fed. Die Federal Reserve wurde 1913 gegründet – als Reaktion auf wiederkehrende Bankenkrisen. Die Idee war, eine zentrale Institution zu schaffen, die Liquidität bereitstellt, um Bankruns einzudämmen und das Finanzsystem zu stabilisieren.

Doch die Fed war von Anfang an ein hybrides Konstrukt. Die zwölf regionalen Federal Reserve Banks gehören technisch gesehen ihren Mitgliedsbanken, gleichzeitig steht die Institution unter Aufsicht des Kongresses und des Präsidenten. Diese Doppelstruktur führte zu ständigen Konflikten über die Frage: Wer kontrolliert die Geldpolitik?

Ein entscheidender Wendepunkt war der sogenannte Fed-Treasury Accord von 1951. Während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach hatte die Fed faktisch die Zinsen künstlich niedrig gehalten, um die Staatsverschuldung finanzierbar zu machen. Erst das Abkommen von 1951 beendete diese Praxis und legte die Grundlage für eine größere operative Unabhängigkeit der Notenbank. Bemerkenswert: Dieses „Accord“ war kein Gesetz, sondern lediglich eine gemeinsame Erklärung des Finanzministeriums und der Fed – eine politische Norm, kein rechtlicher Schutzwall.

Juristische Schutzmechanismen

Formal fußt die Fed auf dem Banking Act von 1935. Dort wurde das Federal Open Market Committee (FOMC) geschaffen, das seither über Zinspolitik entscheidet. Mitglieder des FOMC – inklusive des Vorsitzenden – haben feste Amtszeiten und können nur aus „wichtigen Gründen“ abgesetzt werden. Dieses Prinzip wurde 1935 durch das Supreme-Court-Urteil Humphrey’s Executor gestützt, das die Absetzung eines FTC-Kommissars durch Franklin D. Roosevelt für verfassungswidrig erklärte.

Damit galt für Jahrzehnte die Annahme: Auch die Fed-Vorsitzenden sind vor willkürlicher Absetzung geschützt. Doch diese Rechtsgrundlage ist inzwischen ins Wanken geraten. Mit dem Erstarken der „Unitary Executive Theory“ – der Vorstellung, dass alle Exekutivmacht ausschließlich beim Präsidenten liegt – hat der Supreme Court Humphrey’s Executor jüngst aufgehoben. Damit ist das Fundament der institutionellen Unabhängigkeit der Fed faktisch zerstört.

Powell und andere Fed-Mitglieder berufen sich zwar weiterhin auf einen Abberufungsschutz. Doch ohne den Präzedenzfall Humphrey’s Executor ist dieser Schutz weitgehend Makulatur. Rechtlich wie politisch entscheidet letztlich der Präsident, ob die Notenbankführung im Amt bleibt.

Demokratisierung der Fed?

Die Rede von der „Unabhängigkeit der Zentralbank“ ist also irreführend. In den USA ist sie kein rechtlich garantiertes Prinzip, sondern eine gewachsene politische Norm. In Europa sieht das anders aus: Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) ist im EU-Vertrag festgeschrieben und genießt Verfassungsrang.

Gerade dieser Unterschied macht die USA verwundbar. Denn politische Normen sind fragil – und Donald Trump hat in seiner ersten Amtszeit bereits bewiesen, dass er keine Hemmungen hat, überkommene Konventionen zu brechen. Seine Angriffe auf Powell und andere Fed-Gouverneure zeigen, dass er gewillt ist, diese Norm der Unabhängigkeit ebenfalls zu zerstören.

Einige Beobachter begrüßen einen stärkeren politischen Einfluss auf die Geldpolitik als Schritt zur „Demokratisierung“. Doch diese Argumentation übersieht die Gefahren einer präsidialen Machtkonzentration. Eine geldpolitische Steuerung nach kurzfristigen Wahlzyklen würde die Stabilität der Finanzmärkte massiv gefährden.

Die aktuelle Entwicklung zeigt vielmehr eine institutionelle Krise: Exekutive, Legislative, Justiz und unabhängige Behörden verlieren ihre Balance. In diesem Prozess könnte die Federal Reserve – lange Symbol technokratischer Stabilität – zur nächsten Institution werden, deren Unabhängigkeit faktisch erodiert.

Damit steht die US-Notenbank vor einer entscheidenden Bewährungsprobe. Sollte die präsidiale Kontrolle weiter ausgedehnt werden, würde sie Teil des Weißen Hauses. Dann wäre sie zwar nicht mehr unabhängig, aber auch nicht unbedingt demokratisiert.

Dieser Bericht beruht auf einem Blog-Beitrag von Nathan Tankus.